Aufgewühlte Stimmung

Aufgewühlte Stimmung

Was wollen die Massenproteste gegen die französische Corona-Politik?

Seit rund acht Wochen finden samstags in ganz Frankreich Massenproteste mit bis zu 200.000 Beteiligten statt

Von jas / Korrespondentin aus Paris
Was wollen die Massenproteste gegen die französische Corona-Politik?

Wie berichtet mischt sich hier die Kritik an der Macron-Regierung mit rückschrittlichen, kleinbürgerlich-egoistischen Positionen zur Impfung und den Gesundheitsmaßnahmen.

 

Über die Hintergründe berichtet eine Korrespondentin aus Paris: „Die Proteste entstehen aufgrund der Abwendung der Massen von den bürgerlichen Institutionen und der Krise der herrschenden Klassen in den letzten Jahren. Denn, ja, das Management der Gesundheitskrise durch die Regierung ist katastrophal. Das ist verhängnisvoll, weil die Regierung bei der Bewältigung der Krise nie konsequent gegen die Rentabilität des Kapitals gehandelt hat (Produktion und Reproduktion mussten immer weiter laufen, die Patente auf Impfstoffe wurden beibehalten, vor allem Großbetriebe subventioniert, die bürgerlich-demokratischen Rechte immer mehr eingeschränkt usw.). Die Notwendigkeiten des Kapitalismus hatten immer Vorrang. Der Mangel an Krankenhausbetten und -personal, der schon vor der Covid-Krise enorm war, hat sich keinen Deut geändert, im Gegenteil. Es wurden weiterhin Betten geschlossen. ... Der arrogante, selbstherrliche und autoritäre Stil von Macron, oft 'Jupiter' genannt, bringt in Wut."

 

Die Proteste richten sich insbesondere auch gegen eine Impfpflicht für Feuerwehrleute, Personal in Pflegeheimen und dem Gesundheitswesen. Solch eine Impfpflicht hat aber durchaus eine Berechtigung, um besonders von Covid gefährdete Personen oder Personen, die sich selbst nicht impfen lassen können, zu schützen. Hier muss die Freiheit des Einzelnen zurückstehen hinter den Gesundheitsinteressen der Masse der Bevölkerung. Völlig verständlich ist aber die Empörung über die Macron-Regierung, die diese ganze Berufsgruppe an den Pranger stellt. In Wirklichkeit sind bereits über 80% dieser Beschäftigten geimpft, für die meisten ist es selbstverständlich, so ihre Patienten zu schützen.

 

Auf den Protesten gibt es auch eine weit verbreitete Ablehnung von Masken und des „Pass Sanitaire". Dieser Pass entspricht der deutschen 3-G-Regel (Getestet / Geimpft / Genesen) und ist ebenfalls eine sinnvolle Regelung zur Bekämpfung der Pandemie. Wer diese Regeln ablehnt, stellt seine persönliche Meinung über die Interessen der Massen. Neben Gewerkschaftsaktivisten, vereinzelten wütenden Pflegekräfte, Gelbwesten der ersten Stunde, nehmen viele Verschwörungstheoretiker, Impfgegner, Anhänger der Alternativmedizin und ultrarechte bis faschistische Gruppen teil, wie uns weitere Zuschriften berichten. Verwirrung wird dadurch gestiftet, dass auch Gewerkschaftsführer und linksreformistische Politiker wie Jean-Luc Melenchon die Proteste unterstützen und so aufwerten. Die Zusammensetzung der Demonstrationen ist von Stadt zu Stadt unterschiedlich.

 

Man sollte sich nicht in das Fahrwasser einer solchen Bewegung begeben, die in der Tendenz den sogenannten "Querdenker"-Demos in Deutschland ähnelt. Die MLPD zieht in Deutschland einen ganz klaren Trennungsstrich, um für weltanschauliche Klarheit zu sorgen und attackiert Regierung und Monopole für ihr katastrophales Krisenmanagement. Notwendig ist eine eigenständige Protestbewegung gegen die Macron-Regierung von links. Das wird auch unter Revolutionären in Frankreich kontrovers diskutiert.

 

Über die Perspektive führt die Korrespondenz aus Frankreich weiter aus: „Der Weg aus der Krise des Covid-19 führt über den gemeinsamen bewussten Kampf. Setzen wir uns für eine internationale Impfkampagne gegen die weltweite Epidemie mit Maßnahmen zur Verbesserung unseres Gesundheitssystems ein. (...) Widerstand auch gegen die reaktionären Angriffe auf unsere Renten und auf die Arbeitslosen, die die Regierung gegenwärtig verabschieden will und die zu Elend und Krankheit führen. Für ein Sofortprogramm, wie es bereits von mehreren ICOR-Organisationen, einschließlich der UPML, entwickelt wurde. Stärken wir die revolutionären Kräfte - für die sozialistische, solidarische Alternative, für unser kommunistisches Freiheitsideal, ohne das es keine Befreiung von Ausbeutung und Unterdrückung geben kann."