Klassenselbständigkeit entwickelt sich
Kampfstarke Eisenbahner erzwingen Zugeständnisse - weitere Arbeiterkämpfe mitten im Wahlkampf
Gestern haben sich die GDL und die Deutsche Bahn AG auf einen Tarifabschluss geeinigt. Zwar konnte die GDL ihre Forderungen nicht vollständig durchsetzen, doch der Bahn-Vorstand war aufgrund der Streiks und der Kampfentschlossenheit der GDLer gezwungen, weitgehende Zugeständnisse zu machen.
2021 gibt es eine Corona-Prämie (600 Euro für mittlere Einkommen und 400 für höhere) und nochmals 400 Euro für alle 2022. Dafür gibt es erst ab 1.12. eine Lohnerhöhung von 1,5 Prozent und am 1.3.2023 nochmals 1,8 Prozent. Erhöhung sämtlicher Erschwerniszulagen für Handwerker/Werkstattmitarbeiter um zwölf Prozent. Die Laufzeit beträgt 32 Monate. Die geplante Kürzung der Betriebsrente ist vom Tisch. Der Vertrag gilt nicht nur für die Lokführer und Zugbegleiter, sondern auch für Werkstätten und die Zugverwaltung. Die Bahn AG hat bereits verkündet, dass sie das Ergebnis auch auf die Tarifverträge der Gewerkschaft EVG übertragen will.
Die beiden Ministerpräsidenten von Niedersachsen und Schleswig-Holstein, Stephan Weil (SPD) und Daniel Günther (CDU), hatten sich als Vermittler eingeschaltet. Das zeigt, welche politische Brisanz der Arbeitskampf der GDLer hatte, der viel Sympathie und Solidarität erfahren und anderen Belegschaften und Branchen Mut gemacht hat. Aus einem hauptsächlich um ökonomische Forderungen geführten Streik, wurde ein Politikum! Mut machte er anderen Belegschaften in einer Situation, wo einige Branchen in oder vor harten Tarifauseinandersetzungen stehen, in verschiedenen Betrieben die Diskussion um einen Lohnnachschlag begonnen hat und eine ganze Reihe von Belegschaften gegen Arbeitsplatzvernichtung und Betriebsschließungen kämpfen. Die MLPD hat von Beginn an den Streik der Eisenbahner unterstützt, die Solidarität organisiert. Die GDLer haben bewiesen, dass man in der Weltwirtschafts- und Finanzkrise erfolgreich kämpfen kann. Sie haben sich auch erfolgreich gegen die Versuche der DB, die Streiks vor Gericht verbieten zu lassen, durchgesetzt! Für die Kolleginnen und Kollegen bei Vivantes und der Charité war das ein wichtiges Signal - und die Urabstimmung endete mit einer überwältigenden Mehrheit für Streik.
Es ist etwas Neues, dass die Arbeiter und Angestellten mitten im Bundestagswahlkampf solche Kämpfe führen und sich der Heuchelei, wir säßen alle in einem Boot, mutig entgegenstellen. Beim Flugzeughersteller Airbus wird heute gestreikt, weil die Unternehmensführung Teile abspalten will, um sie in zwei neuen Tochterfirmen zusammenzufassen. An mehreren Standorten finden kämpferische Kundgebungen statt. Aus Augsburg berichtet ein Korrespondent: "Gegen die geplante Zerschlagung von Premium Aerotech begannen heute die Kollegen in Augsburg einen Warnstreik. Ca. 1000 Kollegen demonstrierten vor dem Haupttor. Es waren aucn viele Delegationen aus dem Umland da, wie z.B. von KUKA, Eurocopter Donauwörth und Fendt Wertingen. ... Der Wirtschaftsreferent der Stadt Augsburg appellierte an den Konzern, sich auf ein gegenseitiges Verzichten einzulassen. Wir argumentierten in zahlreichen Gesprächen dagegen und Kollegen stimmten uns oft zu: Verzicht rettet doch die Arbeitsplätze nicht! Ein Beispiel aus jüngster Zeit ist Bosch München: Die Belegschaft hat zwölf Jahre lang auf Lohnerhöhungen verzichtet, und jetzt soll der Betrieb geschlossen werden! Wir verteilten breit die Wahlzeitung der Internationalistischen Liste/MLPD. Mit der Ansprache: 'Gewerkschaften als Kampforganisationen statt Co-Management, stießen wir auf breites Interesse. Wir propagierten die internationale Arbeitereinheit - in den Gesprächen gaben uns die Kollegen dabei Recht. Es besteht auch eine kritische Offenheit gegenüber dem Sozialismus."
In Berlin bei Vivantes und bei der Charité streiken die Pflegekräfte seit acht Tagen. Eine der Hauptforderungen, die sie selbstbewusst rufen, ist: „TVöD für alle an der Spree“.
Nun wollen auch die Laboranten in Berlins wichtigstem Labor ab heute streiken. Im „Labor Berlin“ werden im Jahr ca. 60 Millionen Analysen durchgeführt, auch hier geht es um die Durchsetzung des TVöD, was für viele Laboranten bis zu 300 € mehr bedeuten würde. In Nossen in Sachsen wurde letzte Woche das ReWe-Logistikzentrum bestreikt, in Raum Leipzig streikten Beschäftigte von Kaufland, Netto, Aldi und H&M für höhere Löhne im sächsischen Einzel- und Großhandel. Vor einer Woche endete ein 3-wöchiger Streik beim Nudelhersteller Teigwaren Riesa in Sachsen um höhere Löhne. Dort lag die unterste Lohngruppe bei einem Stundenlohn von 9,94€, bei vielen Beschäftigten lag er bei 11,50 €. Eine Erhöhung des Stundenlohns um einen Euro wurde erkämpft.
Allen Kämpfen gemeinsam ist das Selbstbewusstsein, sich auch in Wahlkampfzeiten nicht von dem Gerede von der „Sozialpartnerschaft“ beeindrucken zu lassen sondern die eigene Rechnung aufzumachen. Viel Applaus erhielten die Beiträge bei der Demonstration von Charitè und Vivantes, die deutlich machten, dass sie die katastrophalen Arbeitsbedingungen als Pflegerinnen und Pfleger, als Hebammen und Azubis nicht mehr mit machen. Mitten im Wahlkampf entwickelt sich der Geist der Klassenselbständigkeit.
Für ein allseitiges und vollständiges gesetzliches Streikrecht!
Die MLPD schlägt vor, sich noch weitergehend über den Weg der Arbeiteroffensive auseinanderzusetzen, sich an den Lesegruppen zum Buch „Die Krise der bürgerlichen Ideologie und des modernen Antikommunismus“ zu beteiligen und am 26. September 2021 die Internationalistische Liste/MLPD zu wählen.