Krankenhäuser im Essener Norden

Krankenhäuser im Essener Norden

Kampf um eine allseitige, wohnortnahe Gesundheitsversorgung zeigt Wirkung

Der folgende Redebeitrag wurde auf der Kundgebung für wohnortnahe Krankenhäuser am 11. September in Essen gehalten

Korrespondenz aus Essen

Siehe auch Rote Fahne News-Artikel "Essen hat genug Krankenhäuser? Von wegen!"

 

Liebe Anwohner, liebe Kolleginnen und Kollegen, unser Kampf um eine allseitige, wohnortnahe Gesundheitsversorgung zeigt Wirkung.

 

Am 16. August führten wir ein Gespräch mit dem Geschäftsführer von Contilia, Dr. Albrecht, und überbrachten mit einer kleinen Protestkundgebung die auf dem Tribunale Hospitale beschlossenen Forderungen. Wir halten daran fest, dass die Krankenhäuser wiedereröffnet werden müssen. Als Sofortmaßnahmen in diesem Jahr fordern wir eine Notfallambulanz statt mobilem Notfallarzt, eine Intensivstation und eine Geburtsklinik. Immer wieder werden Schwangere vom Klinikum u. a. wegen Platzmangels im Kreißsaal abgewiesen. Wir brauchen jeden Arbeits- und Ausbildungsplatz und angesichts des gescheiterten „Strukturwandels“ nach den Zechenschließungen mehr als die 100, die mit den Klinikschließungen abgebaut wurden – zu Lasten der Beschäftigten im Philippusstift.

 

Dr. Albrecht scheiterte natürlich mit seiner Vorstellung, dass das Gespräch „im Raum“ bleibe und uns die „Richtigkeit der Schließungen“ mit dem „System Gesundheitsweisen“ nachweisen zu wollen. Wir haben einen Auftrag, reden nur auf Augenhöhe. Und was ist das für ein System, das die „schwarzen Zahlen“ und nicht die Gesundheit der Menschen an die erste Stelle setzt? Das soll „gemeinnützig“ sein und kein Profitstreben - wie er empört zurückwies? Ebenso seine Vorstellung: „Wir alle wollen nur die beste Gesundheitsversorgung“.

 

Dass seit Jahren in drei Essener Kliniken Herzinfarkt- und Schlaganfallpatienten behandelt werden - dabei fällt jetzt das St. Vincenz für den Herzinfarkt weg – ist doch keine Begründung für eine Ausrichtung auf spezialisierte Kliniken und für die Einstellung einer wohnortnahen Regelgrundversorgung – für den Blinddarm, die Galle usw.

 

Dass immer weniger Patienten ins Marienhospital kamen, ambulante Operationen zunehmen und eine Bandbreite von Fachabteilungen mindere Qualität bei der Behandlung bedeuten würde, entspricht der Linie der Bertelsmann-Studie von 2018, die auf Halbierung der 1900 Kliniken bundesweit ausrichtet. Wenige Großkliniken mit Spitzenmedizin, das heißt profitable Operationen mit hoher Fallpauschalen-Vergütung. Eine Antwort blieb Dr. Albrecht uns bei jeder Nachfrage schuldig: Warum Contilia nicht in Weiterbildung oder neue Technik investiert.

 

„Wir wollen alle nur die beste Gesundheitsversorgung“, meint er. Aha, die Frage ist nur, in wessen Interesse. Auch Gesundheit ist parteiisch und nicht „ideologiefrei“. „Wir sind froh, dass wir schnell helfen konnten“, so der Contilia-Preissesprecher zum neuesten Vorhaben. Das sanierungsbedürftige DRK-Seniorenzentrum in Freisenbruch wird von Vonovia abgerissen und die 90 Pflegebedürftigen werden für anderthalb Jahre im Marienhospital „geparkt“, um dann weiter „verteilt“ zu werden. Der Mietvertrag mit Contilia ist unterzeichnet. Die Empörung ist zu Recht groß. Sollen hier etwa auch weitere Steine in den Weg für eine Wiedereröffnung in den Weg gelegt werden?

 

Fakt ist: In Essen wurden schon seit 1987 Krankenbetten abgebaut, während die Patientenzahl bis 2017 um über 40 Prozent stieg, die Auslastung stieg gar um 60 Prozent. Kamen 1987 24 Patienten auf ein Bett, waren es 2017 schon 38. Die Schließungen von Krankenhäusern werden zentral organisiert.

 

Ende der 1990er-Jahre hatte der BDI die Privatisierung industrieller Staatsbetriebe gefordert, um neue Kapitalanlagemöglickeiten zu schaffen. Im Jahr 2000 initiierten internationale Konzerne ein länderübergreifendes Regelwerk: Das GATS für Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen, private Gesundheitskonzerne entstanden. Im Aufsichtsrat der Contilia, der die Krankenhausschließungen beschloss, sitzt die RAG-Stiftung. Sie will die sogenannten „Ewigkeitskosten“ des Bergbaus auf Kosten der Arbeiter und Masse der Bevölkerung senken. Die meisten Krankenhäuser sind rund um die Zechen entstanden, wie das St. Vincenz.

 

Die NRW-Landesregierung unter Ministerpräsident Laschet will nun Vorreiter in Deutschland sein. Mit ihrer neuen Krankenhausplanung, die im Landtag diskutiert wird, soll geklärt werden, auf welche sich die 350 Kliniken spezialisieren und wo die Regelgrundversorgung eingestellt werden soll. Abgesegnet werden sollen die Pläne Mitte nächsten Jahres vom Bundesgesundheitsministerium. Aus unseren Steuergeldern sind pro Jahr bis 200 Mio. Euro vom Land bis 2027 dafür reserviert.

 

Der Konzentrationsprozess im kapitalistischen Konkurrenzkampf schreitet voran. Begleitet von einer Unternehmensberatung wurde im Frühjahr in Dortmund eine Megafusion von zwölf katholischen Kliniken aus fünf Städten vollzogen. Mit rd. 10.000 Beschäftigten und einem Jahresumsatz von über 800 Mio. Euro, getragen von vier GmbHs.

 

Die Industrialisierung im Gesundheitswesen zur Profitsteigerung kapitalistischer Konzerne können wir im Kapitalismus nicht „abschaffen“. Aber unser Widerstand, unsere Kampfkraft ist entscheidend dafür, was durchgesetzt werden kann. Letzten Endes arbeiten Contilia und die bürgerliche Stadtspitze als ihre Dienstleister zusammen. Es wird sich zeigen, wie weit sie mit dem Abbau stationärer Versorgung und ihren Plänen des „smart Hospital“ gehen können.

 

Unser Kampf für unsere Krankenhäuser, für eine Grundversorgung kann ebenso „richtungsweisend“ sein und hat überregionale Bedeutung. Darum schlagen wir vor, dass wir unsere Sofortforderungen an den Oberbürgermeister und an Contilia mit einem Brief der heutigen Aktion unterstreichen, denn noch in diesem Jahr will die Stadtspitze ein Konzept für die weitere Gesundheitsversorgung im Essener Norden verabschieden. In dem Sinne: „Nur wer kämpft, kann gewinnen“ und organisiert Euch, dann sind wir eine Kraft!