Norwegen

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Rødt: Wir passen auf, dass wir keine Parlementspartei werden

Die Wahlen im September in Norwegen endeten mit einem Regierungswechsel. Die sozialdemokratische Arbeiterpartei und die bäuerliche Zentrumspartei bilden nun eine Minderheits-Regierung, toleriert von der „Sozialistischen Linkspartei“.

Korrespondenz aus Gelsenkirchen

Die beiden größten Parteien der ehemaligen rechten Regierung, die Konservativen und die faschistoide Fortschrittspartei, wurden abgestraft mit minus 8,1 Prozent an Stimmen. Die Norweger wandten sich klar gegen die Rechtsentwicklung. Rødt (Rot) steigerte seine Stimmenzahl auf 4,7 Prozent, übersprang damit die 4%-Sperrklausel und steigerte die Zahl seiner Mitglieder im norwegischen Parlament von eins auf acht. Rødt ist 2007 entstanden aus der Roten Wahlallianz, der marxistisch-leninistischen AKP, der Roten Jugend und weiteren Organisationen. Ihren politischen Schwerpunkt legen sie auf den Kampf gegen Privatisierungen in Norwegen. Auf ihrem Parteitag 2019 behielten sie ausdrücklich das Ziel des Kommunismus im Parteiprogramm. Sie verdoppelten ihre Stimmenanzahl von 60.000 auf 120.000 und steigerten ihre Mitgliederanzahl erheblich.

 

Die Rote Fahne Redaktion sprach mit Arnljot Ask, Mitglied von Rødt.

 

Rote Fahne: Was ist das Geheimnis eures Erfolgs bei der Storting-Wahl?
Arnljot Ask: Es ist die lang anhaltende Arbeit. Wir haben uns von unten aufgebaut. Wir hatten die letzte Wahlperiode ein einzelnes Parlamentsmitglied, unseren Parteivorsitzenden Moxnes. Dadurch konnte man uns nicht mehr verstecken. Wir sind in der Praxis mehr sichtbar geworden. In den kontroversen Themen, sowohl was Innen- wie Außenpolitik angeht, hatten wir klare Standpunkte. Die „Sozialistische Linkspartei“ hat lauter Kompromisse gemacht. Alle, die gegen die Nato und antiimperialistisch sind, haben jetzt uns gewählt. Es gibt hier eine breite Front gegen amerikanische Militärbasen in Norwegen. 30-40% sind dagegen. Hier gibt es große Proteste und dazu stehen wir. Dann ist die Gewerkschaftsarbeit ein großer Schwerpunkt von uns. In der Covid-Periode gab es lauter Unterstützung für die Kapitalisten mit Stützfonds usw. Wir kämpften für Kompensationen für die Arbeiter. Wir führen den Kampf gegen Sozialdumping. Denn wir haben immer mehr Leiharbeiter und prekäre Arbeit. Die Arbeiter werden gegeneinander ausgespielt. Wir hatten die großen Gewerkschaftsvertreter gegen uns. Aber jetzt kommt der Druck von der Gewerkschaftsbasis. Wir haben viele, die aus der Arbeiterpartei raus sind und uns unterstützen. Und es gibt noch mehr Massenbewegungen. Die der Fischer, der Bauern, der Frauen, der Kampf der Umweltbewegung.

 

Rote Fahne: Wir haben den Wahlkampf hier in Deutschland besonders genutzt, um den Antikommunismus anzugreifen. Welche Erfahrungen habt ihr damit gemacht?
Arnljot Ask: Bei uns pushten die Herrschenden den Antikommunismus zu Beginn der Wahlkampagne. Sie listeten alle bösen Dinge auf, die der Kommunismus gemacht haben soll. Wir hatten darüber intern eine Debatte beim Kongress letztes Jahr. Wir diskutieren es kontrovers, manche wollen aus taktischen Gründen, dass wir uns nicht mehr so deutlich positionieren. Aber sie sind in der Minderheit. Wir haben beschlossen: Wir wollen die sozialistische Revolution, das Ende des Ausbeutungssystem, wir wollen das System, das Karl Marx als Kommunismus bezeichnete. Das provoziert natürlich rechte Think Tanks und rechte Sozialdemokraten. Denn sie wussten, viele ihrer Anhänger wollen uns wählen. Dieser Antikommunismus hatte früher Effekte, aber diesmal fast gar nicht. Sie fragten Moxnes im Parlament, ob er Kommunist sei. Er antwortete „Wenn ich in einer guten Umgebung bin, nenne ich mich einen Kommunist.“ Darauf reagierten die Liberalen: „Also meinen Sie, das Parlament ist eine schlechte Umgebung?“ Dazu musste man natürlich nichts mehr sagen. Wir haben uns in den letzten Jahren verdoppelt bis verdreifacht. Von 1700 ganz am Anfang, als wir 2008 fusionierten, auf heute über 11.000 Mitglieder. Allein in der Wahlwoche im September gewannen wir 1000 neue Mitglieder. Wir müssen viel ausbilden. Wir brauchen mehr theoretische Ausbildung. Bei solchen Entwicklungen, hast du riesige Herausforderungen. Wir müssen aufpassen, dass wir nicht eine Parlamentspartei werden. Viele unserer Führer müssen jetzt im Parlament arbeiten. Nicht nur die Abgeordneten, sondern Geschäftsführer, Assistenten und so weiter. Das ist ein Problem.