Öffentlicher Dienst
Länderbeschäftigte beantworten Angriff auf ihre Tarifverträge offensiv
Die Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) führt in den derzeit stattfindenden Tarifverhandlungen einen schamlosen Angriff gegen die Länderbeschäftigten im öffentlichen Dienst. Die Kosten der Corona-Pandemie werden dafür dreist als Grund angeführt.
Damit soll die enorme Verschuldung der Staatskassen aufgrund des gescheiterten Krisenmanagements auf sie abgewälzt werden. Auch ein Ausgleich für die drastischen Preissteigerungen wird abgelehnt, weil diese laut der bürgerlichen Wirtschaftsinstitute ja gar nicht so hoch seien.
Die Hauptangriffe richten sich gegen die seit 1975 geltende Grundlage für die Eingruppierung der Länderbeschäftigten, den sogenannten Arbeitsvorgang. Damit soll die gesamte Gehaltsstruktur im öffentlichen Dienst aufgeweicht werden mit gravierenden Einkommenseinbußen, nicht nur für Neueingestellte, sondern auch für Beschäftigte, die neue Tätigkeiten übernehmen.
Ein Beispiel: Krankenschwestern leisten neben Tätigkeiten mit hoher Verantwortung auch solche, die von Krankenpflegehelferinnen übernommen werden könnten. Neben komplexen und verantwortungsvollen Behandlungen wie der Medikamentengabe werden auch „leichtere“ Tätigkeiten wie die Hilfe beim Toilettengang geleistet. Das soll nun minutiös erfasst werden, und falls die „höherwertige Tätigkeit“ nicht mindestens 50 Prozent ausmacht, soll der niedrigere Lohn bezahlt werden. Für onkologische Krankenpfleger könnte dies einen Lohnverlust von 370 Euro brutto pro Monat bedeuten. Zusammen mit den beamteten Beschäftigten und Versorgungsempfängern sind insgesamt 3,5 Millionen Menschen betroffen.
Beschäftigte machen Erpressung nicht mit
Kaltschnäuzig und ultimativ lehnt der TdL-Verhandlungsführer, der niedersächsische Finanzminister Reinhold Hilbers (CDU), jegliche Tarifverhandlungen ab, solange die Gewerkschaftsvertreter in dieser Frage nicht zu Zugeständnissen bereit seien. Diese Erpressung machen die Beschäftigten nicht mit. Seit vergangener Woche folgen zehntausende Beschäftigte dem Aufruf zu Warnstreiks. Die DGB-Gewerkschaften Gewerkschaft der Polizei (GdP), Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) und IG Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) sowie der Deutsche Beamtenbund haben ebenfalls ihre Mitglieder zu Protesten aufgerufen.
Die Tariflöhne der Beschäftigten im öffentlichen Dienst hinken ohnehin den hart erkämpften der Industriebeschäftigten zum Beispiel im Metallbereich immer weiter hinterher. Ein flächendeckendes Personalproblem führt mittlerweile zu Schlangen in Bürgerämtern, Überlastung im Justizbereich, in Sozial- und Gesundheitsämtern, zu fehlenden Kita-Plätzen, Pflegenotstand in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen und eklatantem Lehrermangel. Der Personalmangel der Länder wird sich mit dem jetzt von Seiten der TdL eingeschlagenen Kurs noch weiter radikal verschlimmern, insbesondere auch da mindestens ein Drittel der Beschäftigten in den nächsten zehn Jahren in den Ruhestand gehen wird.
Heuchlerischer Applaus für „Alltagsheldinnen“
Personalmangel im Bildungsbereich und Pflegenotstand sind keine Naturkatastrophen, sondern maßgeblich das Ergebnis dieser niedrigen Löhne und schlechter Arbeitsbedingungen – garniert mit rührseligen Reden über Wertschätzung. Gegenüber den eklatanten Problemen im Gesundheitsbereich sieht die TdL jedoch keinerlei Handlungsbedarf und spricht von einer „zeitlich begrenzten Corona-Belastungsspitze“. Wertschätzung und Respekt für die Beschäftigten? Es bleibt beim heuchlerischen Applaus für „Alltagsheldinnen“.
Ver.di fordert 5 Prozent Lohnsteigerung, mindestens aber 150 Euro mehr im Monat. Für Mitglieder im Gesundheitswesen fordern mehrere Bezirke 300 Euro mehr im Monat. Auszubildende und Praktikanten sollen monatlich 100 Euro mehr bekommen, sowie eine Erstattung des ÖPNV-Tickets. Die TdL wies die Forderungen als unrealistisch zurück. Lediglich deren Übernahme will sie verhandeln, wohlwissend dass es sonst immer schwieriger werden könnte, Fachkräfte zu halten und zu gewinnen.
Das Argument „Die öffentlichen Kassen sind leer!“ ist an den Haaren herbeigezogen. Gerade erst wurden Jubelberichte über zu erwartende höhere Steuereinnahmen veröffentlicht. Demnach werden die Steuereinnahmen 2021 mit 812 Milliarden Euro wieder die Höhe des Vorkrisenjahres 2019 erreichen beziehungsweise übertreffen und 2022 um 4,5 Prozent auf dann 848,9 Milliarden Euro steigen. Zudem sind die Länder am wenigsten vom Steuerrückgang der Corona-Krise betroffen. Auch das Argument der Schuldenbremse ist eine politische Entscheidung. Wie die Corona-Pandemie zeigte, kann sie jederzeit wieder zurückgenommen werden.
Jetzt die richtige Antwort geben!
Die dritte Verhandlungsrunde ist für den 27./28. November 2021 in Potsdam geplant. Tausende Teilnehmerinnen und Teilnehmer bei den Jugendstreiktagen in Hannover, Augsburg und Würzburg, ganztägige Warnstreiks an allen Universitäten, Hochschulen, Unikliniken, Behörden, Psychiatrien, von allen Schulbeschäftigten und angestellten Lehrkräften sind jetzt genau die richtige Antwort. MLPD-Mitglieder sind aktiv dabei – und unterstützen wo immer möglich die Warnstreikenden. Denn sie kämpfen nicht nur für sich, sondern für uns alle. Viel Erfolg!
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