Die flüchtlings- und migrationspolitischen Beschlüsse der Ampel-Koalition

Die flüchtlings- und migrationspolitischen Beschlüsse der Ampel-Koalition

Erkämpfte Verbesserungen - "Rückführungsoffensive" muss zurückgewiesen werden

CSU-Innenminister Horst Seehofer, der sich die Abschiebung von 69 afghanischen Flüchtlingen zum Geburtstag schenken ließ und der nach dem Brand von Moria nur mit massivem Druck von Zehntausenden Demonstranten dazu gezwungen werden konnte, in Deutschland 150 (!) Menschen aufzunehmen, tritt ab. Schon allein das erfüllt Demokraten, Flüchtlingssaktivisten und Geflüchtete mit Freude und Genugtuung.

Von gc / gis
Erkämpfte Verbesserungen - "Rückführungsoffensive" muss zurückgewiesen werden
Dem Widerstand der Flüchtlinge gegen die Unterbringung in Sammelunterkünften gehörte auch die Solidarität von Montagsademonstrationen - wie hier in Dresden (rf-foto)

Seehofer ist in Deutschland verhasste Symbolfigur einer erzreaktionären menschenverachtenden Flüchtlingspolitik. Er lobt die polnische Regierung für ihre empörende Behandlung der Flüchtlinge an der belarussisch-polnischen Grenze, gegen die sich zu Recht immer mehr Menschen auflehnen. Aber nicht nur Seehofer: Die Bundesregierung und die EU betreiben seit vielen Jahren federführend die Abschottung der „Festung Europa“, sie nehmen es billigend in Kauf, dass Tausende im Mittelmeer ertrinken. Zur Zeit streiten Frankreich und Großbritannien widerlich darüber, wer für das Fernhalten von Flüchtlingen aus dem jeweils anderen Land verantwortlich ist.

Ankerzentren, Kettenduldungen, Abschiebehaft von Kindern und Jugendlichen werden abgeschafft

Die neue Ampel-Koalition musste in ihrem Koalitionsvertrag Verbesserungen für Geflüchtete zugestehen. Die Flüchtlings- und Migrationspolitik ist der Bereich, in dem es tatsächlich ein paar Veränderungen gibt, die - im Gegensatz beispielsweise zum "Bürgergeld" - diese Bezeichnung verdienen. Die Abschaffung der verhassten Anker-Zentren ist ein Erfolg: "Das Konzept der Anker-Zentren wird von der Bundesregierung nicht weiterverfolgt". Sie waren Seehofers Idee und LIeblingskind. und standen für so vieles, was den geflüchteten Menschen das Leben schwer bis unerträglich machte: Abgeschottet von der einheimischen Bevölkerung, immer unter dem Damoklesschwert nächtlicher Abschiebungen, kaum Rückzugsmöglichkeiten, Langeweile und Perspektivlosigkeit ohne Arbeit. "Anker" bedeutet: Ankommen - Entscheidung - Rückführung. Letzteres war Seehofer das Wichtigste. Kolleginnen und Kollegen bayerischer Volkshochschulen, die mit wenig Geld vom BAMF und viel Eigeninitiative in den Anker-Zentren Sprach- und Integrationskurse durchführten, berichteten, wie groß die Freude der Flüchtlinge darüber war und wie groß ihr Lernwille. Viele Flüchtlinge, schon ganz junge, sind ja die reinsten Sprachgenies und können sich gegenseitig unterrichten. Künftig gibt es Deutschkurse für alle, die nach Deutschland kommen, und zwar von Beginn an und ohne lange Wartezeiten. Der Kampf ums Geld vom BAMF wird dann hoffentlich auch vereinfacht und weniger entwürdigend für die Sprachkursträger. Der erleichterte Familiennachzug gehört ebenfalls zu den Verbesserungen. Was für eine abstoßende Doppelmoral ist es doch, die heilige Familie zu predigen und die Flüchtlinge auf Jahre von ihren Angehörigen zu trennen!

Erkämpfte Fortschritte

In einer aktuellen Stellungnahme vom gestrigen 27. November positioniert sich der Freundeskreis Flüchtlingssolidarität. Dessen Bundessprecher, der bekannte Flüchtlingsaktivist Alassa Mfouapon, schreibt: "Der Freundeskreis Flüchtlingssolidarität begrüßt erkämpfte Fortschritte in dem neuen Koalitionsvertrag der Ampelkoalition der neuen Regierung in Teilen und fordert schnelle Umsetzung der positiven Seiten der Entscheidungen. Diese Änderung in der Flüchtlings- und Asylpolitik in Deutschland gegenüber der extrem reaktionären Seehofer-Politik ist eine Antwort auf Forderungen von vielen Flüchtlingsorganisationen und ein riesiger Erfolg der Arbeit des Freundeskreises Flüchtlingssolidarität seit seiner Gründung. Angefangen von der Razzia in Ellwangen, wo wir immer für die Gleichheit in diesem Land gekämpft haben. Heute scheinen tatsächlich einige Sachen in die richtige Richtung zu gehen. Zuletzt hatte die Regionalgruppe Süd des Freundeskreises sich - offenbar mit Erfolg - mit einem eindringlichen Manifest und Forderungskatalog an die Verhandlungspartner gewandt. Allzu viele Illusionen sollten wir aber auch nicht haben, weil alles bisher nur auf dem Papier steht. Die Umsetzung in verschiedenen Bundesländer ist noch keineswegs sicher." Die Zusage der Ampel-Koalition, die Aufnahme von Flüchtlingen nach Deutschland zu beschleunigen, nutzt der Freundeskreis Flüchtlingssolidarität, um nochmal zu fordern: "Flüchtlinge aus KaraTepe, der Grenze Polen/Belarus und von gefangenen Flüchtlingen in Libyen müssen ab sofort diese neue Entscheidung genießen können, weil dort eine extreme Notlage herrscht – das sind Situationen einer menschenverachtenden Politik.“

 

Die flüchtlingspolitischen Ankündigungen im Koalitionsvertrag bewegen sich im Spagat zwischen erkämpften Erfolgen, der solidarischen Wachsamkeit der Bevölkerung und den Interessen der Monopolverbände.

Abschaffung des Arbeitsverbots ja - "Brain Drain" nein

"Das Arbeitsverbot für bereits in Deutschland Lebende schaffen wir ab“, so der Koalitionsvertrag; das muss verbunden werden mit der unbürokratischen Anerkennung der Schulabschlüsse der Flüchtlinge aus ihren Ländern. Im Forderungskatalog zu den Koalitionsverhandlungen hatte der Freundeskreis Flüchtlingssolidarität geschrieben: "Die meisten von uns haben in unseren Herkunftsländern Berufe gelernt und wir wünschen uns, dass unsere Fähigkeiten und Fertigkeiten wertgeschätzt und anerkannt werden. Leider werden unsere Qualifikationen meist nicht anerkannt. Viele von uns bekommen keine Erlaubnis, zu arbeiten, oder dürfen nicht an dem Ort wohnen, wo sie Arbeit gefunden haben oder finden könnten. Manche wurden sogar vom Arbeitsplatz weg abgeschoben." Tatsächlich, so der Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur für Arbeit, brauche Deutschland rund 400.000 Zuwanderer pro Jahr. Die Abschaffung des Arbeitsverbots für Flüchtlinge und der erleichterte "Spurwechsel" vom Asylantrag zur Berufstätigkeit sind im Interesse der Monopole, die seit Jahren zu wenig ausbilden. Für die Flüchtlinge ist der "Spurwechsel" ein zweischneidiges Schwert: Wenn sie arbeitslos werden, ist der Asylantrag weg, und es droht die Abschiebung. Die MLPD tritt für das Asylrecht, gegen jede Diskriminierung von Migranten und gegen die Spaltung in "reguläre" und "irreguläre" Migration ein. Sie lehnt den "Brain Drain" ab. Die Abwerbung von Fachkräften aus ärmeren Ländern, wo sie ausgebildet wurden, gehört zu den heimtückischsten Ausbeutungsmethoden der Imperialisten (Revolutionärer Weg 16/77).

Nein zur "Rückführungsoffensive"

"Entgegen dieser positiven Punkte", so der Freundeskreis Flüchtlingssolidarität, "sind gleichzeitig enorm negative Punkte im Vertrag enthalten: so die Ankündigung einer Rückführungsoffensive in die Heimatländer. Das bedeutet, dass u.a. die Abschiebung der Flüchtlinge, die in Abschiebehaft leben, beschleunigt werden. Es ist ein Skandal, weil manche Flüchtlinge, die im Abschiebegefängnis abgeschoben werden sollen, keine Straftäter oder (reaktionäre, d. Red.) Gefährder sind. Viele von ihren Asylanträgen wurden schlecht behandelt, deswegen befinden sie sich zum Teil dort. Ein Beispiel für schlechte Behandlung ist der Fall von Alassa Mfouapon, dessen Asylantrag ohne Begründung abgelehnt wurde. Ohne Erfolg der Solidarität würde er schon abgeschoben sein."

 

Von der Seehoferschen Abschiebepraxis weiß man, dass wirkliche Strafträter, zum Beispiel der Faschist Anis Amri, dem Inlandsgeheimdienst jahrelang bekannt waren und keineswegs abgeschoben wurden. Flüchtlinge brauchen wie die einheimische Bevölkerung demokratische Rechte und Freiheiten, das Recht auf freie politische Betätigung auf antifaschistischer Grundlage und das Recht, über das Grundgesetz hinaus zu denken. Es gibt keinen Grund, im Kampf um Flüchtlingsrechte, gegen die Fluctursachen und für die Stärkung der Selbstorganisationen nachzulassen.