Preise explodieren!
Ampel-Koalition streicht angekündigte Hartz IV-Erhöhung und kürzt Rentenerhöhung
Die offizielle Inflation wird im November vermutlich auf 6 Prozent steigen. Für Menschen mit geringem Einkommen liegt sie noch wesentlich höher.
Denn die Preissteigerungen in den Bereichen, die die größten Ausgabeposten bei Haushalten mit geringem Einkommen sind – Miete, Energie, Benzin, Lebensmittel – sind die höchsten: Energie +18,6 Prozent, Kraftstoff +35 Prozent, landwirtschaftliche Erzeugnisse +13 Prozent. Vor zwei Wochen verschickte das Münchner Ifo-Institut allen Ernstes eine Pressemitteilung unter der Überschrift: "Inflation trifft aktuell Reiche stärker als Arme". Der Armutsforscher Christian Butterwegge ist aufgebracht: "Ich finde es perfide und paradox, wenn man Reiche zu Opfern der Inflation erklärt". Tatsächlich ist es ja genau umgekehrt. Wer sich einen SUV leisten kann, den juckt eine Preiserhöhung von 500 Euro für diesen weniger als einen Hartz-IV-Betroffenen die Preissteigerung von fünf Euro für seine ÖPNV-Fahrkarte.
In dieser Situation bringt es die Ampel-Koalition fertig, die noch Ende Oktober in den Koalitionsverhandlungen angekündigte und ohnehin nur minimale Erhöhung des Regelsatzes um 31 Euro im jetzt beschlossenen Vertrag überhaupt nicht mehr zu erwähnen! Keinerlei verbindliche Erhöhung ist darin zu finden. Geradezu im Zeitraffer verabschiedeten sich SPD und Grüne von ihren Wahlkampfversprechen, „Hartz IV zu überwinden“ oder eine Vermögenssteuer einzuführen. Dabei wollte die Ampel-Koalition mit dem "Bürgergeld" den sozialpolitischen Wurf landen, kündigte lautstark nicht nur ein anderes "Narrativ" an, also eine schöne neue Bezeichnung, die positive Emotionen wecken soll, sondern einen Neubeginn, finanzielle Verbesserungen und anderes mehr. Ein Wurf ist der Ampel im Koalitionsvertrag gelungen: Stillschweigend hat sie ihre Wahlversprechen über Bord geworfen. Der Regelsatz wird um Null Cent erhöht. Das wirft ein Schlaglicht darauf, was wir von der Regierung zu erwarten haben!
Ulrich Achenbach von der Koordinierungsgruppe der Bundesweiten Montagsdemo ist empört: „Das geplante Bürgergeld unterscheidet sich im Wesentlichen nicht von Hartz IV. Zwar sind einige Verbesserungen im Gegensatz zu den jetzigen Regelungen im SGB II angekündigt wie die Aussetzung der Vermögensanrechnung für die ersten beiden Jahre, jedoch ändert sich nicht der Gesamtcharakter der Entrechtung der Langzeiterwerbslosen und dass die Regelsätze weiterhin unter dem Existenzminimum liegen. So sieht also der Umgang der neuen Regierung mit Hartz IV-Beziehern auf 'Augenhöhe' aus. Wir werden das nicht akzeptieren und auf unseren Kundgebungen und Demonstrationen den Widerstand organisieren.“
Ähnliches spielt sich bei den Renten ab. „Die Ampel-Koalition hat die Wiedereinführung des sogenannten Nachholfaktors zur Rentenberechnung 2022 beschlossen. Das heißt, dass die noch Anfang November von der Deutschen Rentenversicherung angekündigte Erhöhung der Renten für 2022 im Westen um 5,2 Prozent und im Osten um 5,9 Prozent einfach auf-gehoben wurde. Eingeführt hat den Nachholfaktor übrigens Olaf Scholz 2007 als damaliger Sozialminister,“ führt Ulja Serway, eine der Sprecherinnen der Bundesweiten Montagsdemo aus. „Das Programm der neuen Regierung, die sich selbst als Bündnis für Gerechtigkeit bezeichnet, bedeutet angesichts der Inflation eine Kürzung der Hartz IV-Regelsätze und der Renten. 'Gerecht' sollen Löhne, Renten und Hartz IV-Sätze im gleichen Maß sinken. Nur die Großkonzerne und Superreichen bleiben selbstverständlich außen vor. Die Zahl der Milliardäre in Deutschland wuchs 2020 auf den Höchststand von 213 und ihr Vermögen 2020 um 18 Prozent. Aber von einem Nachholfaktor ihnen gegenüber keine Spur“. *
Die bundesweite Montagsdemo-Bewegung kämpft für die Abschaffung der Hartz-Armuts-Gesetze und die Zahlung des Arbeitslosengelds I für die gesamte Dauer der Arbeitslosigkeit. Das ist weiterhin eine ihrer zentralen Forderungen. Angesichts der massiven Preissteigerungen fordert sie die sofortige und rückwirkende Anhebung der Regelsätze bei Hartz IV (bzw. des geplanten Bürgergelds), der Grundsicherung für Arbeitssuchende, Grundsicherung im Alter, Erwerbsminderungsrente, Asylbewerberleistungen, und Arbeitslosengeld um mindestens die Höhe der Inflation!
Die örtlichen Montagsdemos finden meist am ersten oder zweiten Montag im Monat statt. Weitere Informationen unter www.bundesweite-montagsdemo.de