Österreich
Ultrareaktionär Sebastian Kurz gescheitert
„So ein Baby kann man stundenlang anschauen und ist froh und glücklich darüber“. Sagte der mehrfach ehemalige österreichische Bundeskanzler und jetzt auch ehemalige ÖVP-Vorsitzende Sebastian Kurz auf der Pressekonferenz am vergangenen Donnerstag in Wien, auf der er neuerliche Rücktritte bekannt gab.
Ist das der gleiche Kurz, der laut aufgedeckter Chat-Protokolle Parteifreunde und politische Gegner gern als "Ärsche" und "Deppen" bezeichnet? Ja, ist er. Das Baby ist sein neugeborener Sohn. Der arme Kleine kann sich ja noch nicht wehren. Und so muss er als vorgeschobener Grund für Kurz' Rücktritt von seinen verbliebenen politischen Ämtern herhalten. Es geht dabei um das Amt des Obmanns (des Parteivorsitzenden) der CDU-ähnlichen reaktionären ÖVP und um das Amt des ÖVP-Klubobmanns (Fraktionschef) im Nationalrat. Mit Kurz geht auch sein Vertrauter Gernot Blümel, der sich via Facebook verabschiedete. Auch gegen ihn ermittelt die Wirtschafts- und Korruptionsanwaltschaft wegen Verdachts der Korruption.
Kurz' politischer Weg war, seit er 2017 mithilfe gekaufter Meinungsumfragen und schönfärberischer Medienbeiträge Kanzler wurde, mit Rücktrittsforderungen gepflastert. 2019 stolperte er nach der sogannnten Ibiza-Affäre über ein Misstrauensvotum und trat nach Massendemonstrationen zurück. Den Arbeitern und den breiten Massen in Österreich ging es dabei bei weitem nicht nur um die unsäglichen Skandale eines korrupten Lügners. Kurz' Regierung aus ÖVP und der faschistoiden FPÖ war unter der Bevölkerung verhasst wie die Pest. Kurz stand schon vor seiner Zeit als Kanzler für eine ultrareaktionäre Flüchtlingspolitik, gelobt von seinem Bruder im Geist, dem zum Glück ebenfalls scheidenden deutschen Innenminister Horst Seehofer (CSU). Unter dem Deckmantel sozialchauvinistischer Demagogie zur Spaltung der Arbeiterklasse ("Zusammen. Für unser Österreich") plante die Regierung umfassende Angriffe auf Arbeiter- und Tarifrechte, von Anfang an gab es dagegen breite gewerkschaftliche Kämpfe. Auch gegen die weitere Verschärfung der Flüchtlingspolitik und die forcierte Einschränkung bürgerlich-demokratischer Rechte und Freiheiten gab und gibt es zahlreiche Demonstrationen.
Zeitgleich mit seinem vorläufig letzten Rücktritt am 2. Dezember 2021 scheiterte auch eines der Lieblungsprojekte von Kurz, der Bau des umweltzerstörerischen Lobau-Tunnels mitten durch ein Naturschutzgebiet der Wiener Donau-Auen. Nach unermüdlichem Widerstand von Umweltkämpfern, Naturliebhabern und Anwohnern verkündete Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) am 1. Dezember den Baustopp. Mithilfe der Grünen war Kurz 2020 auf die politische Bühne zurückgekehrt und erneut Kanzler geworden. Als solcher musste er dann im Oktober 2021 wieder zurücktreten, nachdem weitere Korruptionsvorwürfe bekannt geworden waren. Schließlich verlor er im November die Immunität als Parlamentsabgeordneter, die Ermittlungen wegen Korruption, Untreue und Betrugs können jetzt ungehindert vonstatten gehen.
So wurde es für Kurz enger und enger. Da wurde zum Glück das Kind geboren und diente ihm als Vorwand für den Komplett-Rückzug. Mal sehen, für wie lange. Er sei kein Heiliger, aber auch kein Verbrecher, sagte er auch noch auf besagter Pressekonferenz. Letzteres ist ein Irrtum. "Ein Heiliger bist du nicht, ein Verbrecher schon", so einer der zahlreichen Twitter-Kommentare. In Kurz' Gefolge trat sogleich auch der amtierende Kurz-Nachfolger Alexander Schallenberg nach nur zwei Kanzlermonaten zurück. Er wird vermutlich wieder Außenminister. Mühsam versucht die österreichische Regierungskoaltion die offene politische Krise wieder zu kitten. Von einem "geordneten Übergang", den Kurz angekündigt hat, kann allerdings nicht die Rede sein.
Mit Kurz ist ein weiterer Repräsentant der offenen Rechtsentwicklung in Europa an der krisenhaften Entwicklung des kapitalistischen Gesellschaftssystems und am fortschrittlichen Stimmungsumschwung unter den Massen gescheitert. In Deutschland hatten Strache und Kurz Sympathisanten hauptsächlich unter Anhängern der AfD und ultrareaktionären CSU-Politikern wie Seehofer und den Masken-Dealern. Die hauptsächlich mit dem System der kleinbürgerlichen Denkweise regierenden deutschen Politikerinnen und Politiker mögen die allzu grobschlächtige Doppelmoral von Kurz und Co. hingegen nicht.
Nach der Rücktrittskaskade hat der ÖVP-Bundesvorstand am Freitagvormittag einstimmig den bisherigen Innenminister Karl Nehammer zum neuen Parteichef gewählt, der auch Kanzler werden soll. Gegen ihn seien keine Ermittlungen und juristischen Verfahren anhängig. Das ist in dieser politischen Landschaft offenbar Qualifikation genug. Im Unterschied zu vielen Österreichern sieht Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) keine Veranlassung, die Koalition aufzukündigen, und für Neuwahlen einzutreten. Für die Regierungsbeteiligung haben die österreichischen Grünen jede reaktionäre Maßnahme gegen Flüchtlinge mitgetragen. Da wollen sie natürlich in der Regierung bleiben, egal unter welchem Kanzler.
In Österreich gibt es entwickelte Massenkämpfe und breite Kritik an der verkommenen Doppelmoral von Politikern wie Sebastian Kurz. Da ist es sehr wichtig, dass die marxistisch-leninistischen Kräfte in Österreich gestärkt werden. Die MLPD wünscht dafür viel Erfolg!
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