Kommende Bundesregierung

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Ampel-Koalition beschließt Ausbau des Niedriglohnsektors

„Respekt - 12 Euro Mindestlohn“, war ein Wahlkampfversprechen von Olaf Scholz. Damit versuchte die SPD, bei den Arbeiterinnen und Arbeitern verlorenes Terrain zurückzugewinnen.

Von hr
Ampel-Koalition beschließt Ausbau des Niedriglohnsektors
Die kommende Bundesregierung musste dem Druck von der Straße Tribut zollen, aber ... (rf-foto)

Im Koalitionsvertrag steht jetzt: „Wir werden den gesetzlichen Mindestlohn in einer einmaligen Anpassung auf zwölf Euro pro Stunde erhöhen.“ Zweifellos ein Zugeständnis an die kämpferische Arbeiterbewegung. Aber: „Künftig orientiert sich die Minijob-Grenze an einer Wochenarbeitszeit von zehn Stunden zu Mindestlohnbedingungen. Sie wird dementsprechend mit Anhebung des Mindestlohns auf 520 Euro erhöht.“ Das bedeutet nichts anderes, als dass die überfällige Erhöhung des Mindestlohns durch den Ausbau des Niedriglohnsektors für die Kapitalisten wieder kompensiert wird.

 

Für die Kapitalisten sind Minijobs vor allem deshalb interessant, weil sie diese Arbeiterinnen und Arbeiter flexibel einsetzen können. Bei Arbeitsspitzen werden Minijobber geholt und danach nach Hause geschickt. Zwei Minijobs mit zusammen 20 Stunden pro Woche können in einigen Branchen einen Vollarbeitsplatz mit ca. 35 Stunden Arbeitszeit ersetzen (Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung). Das rechnet sich für die Kapitalisten. Die IG BAU kritisiert die Pläne: „Wir sehen Minijobs seit eh und je kritisch.“ Derzeit arbeiten 7,3 Millionen Menschen in Minijobs. Ein Großteil von ihnen in der Gebäudereinigung, die zum Bereich der IG BAU gehört.

 

Die Zwangslage vieler Arbeiterinnen und Arbeiter, insbesondere von Frauen, wird hier ausgenutzt. Gerade viele Frauen werden in Minijobs gezwungen, oft Alleinerziehende, weil sie sonst den Lebensunterhalt nicht absichern können. Zwar kann das Minijob-Entgelt brutto für netto ausbezahlt werden. Aber die Konsequenzen sind bitter. Sie haben im Minijob keine Krankenversicherung, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung. Werden sie gefeuert, bekommen sie kein Arbeitslosengeld. Während der Corona-Pandemie werden meist zuerst die Minijobber gekündigt. Oft erhalten sie keinen bezahlten Urlaub und werden gleichzeitig zur Senkung des allgemeinen Lohnniveaus missbraucht. Und Altersarmut ist auf diesem Weg vorprogrammiert.

 

All das will die Ampel-Koalition erweitern, notdürftig kaschiert durch die Anhebung des Mindestlohns. Dabei pfeifen die Spatzen von den Dächern, dass die Arbeitszeit für Minijobber oft nur auf dem Papier steht und durch unbezahlte Stunden ergänzt wird. Für die Kontrolle der Einhaltung der Minijob-Regeln ist der Zoll verantwortlich. Er hat dafür bei weitem nicht die Kräfte, und die Gefahr für einen Kapitalisten, bei Verstößen erwischt zu werden, ist relativ gering.

 

Viele Jugendliche, die heute meist neben Frauen von Minijobs betroffen sind, wissen gar nicht, dass sie 2003 von der Schröder / Fischer-Regierung, also von SPD und Grünen eingeführt worden sind. Damals wie heute wird das unter dem wohlfeilen Schlagwort „Beschäftigungssicherung“ von den Regierungsparteien schöngeredet. Natürlich ist die Erhöhung des Mindestlohns ein Fortschritt für die Arbeiterinnen und Arbeiter. Er mildert zumindest teilweise das offene Abrutschen in die Armut. Nur, wieso sollen sich die Arbeiterinnen und Arbeiter mit dem „Mindesten“ zufrieden geben? Auch der Übergang in ein sozialversicherungspflichtiges Verhältnis ist nicht das Glück auf Erden.

 

Schon immer verbindet die MLPD den Kampf gegen Minijobs und für höhere Mindestlöhne mit dem Kampf für höhere Löhne und Gehälter der ganzen Arbeiterklasse. Keine Lohnerhöhung kann im Kapitalismus gerechte Löhne bringen. Schon Karl Marx hatte der Arbeiterklasse geraten „Statt des konservativen Mottos: ‚Ein gerechter Tageslohn für ein gerechtes Tageswerk!‘ sollte sie auf ihr Banner schreiben: ‚Nieder mit dem Lohnsystem!‘“ (Marx/Engels, Werke, Bd. 16, S. 151f)