Abwälzung der Krisenlasten auf die Massen mittels Inflation

Abwälzung der Krisenlasten auf die Massen mittels Inflation

„Madame Inflation“ und das Pfeifen im dunklen Wald

Christine Lagarde, Chefin der Europäischen Zentralbank (EZB), trägt den Spitznamen „Madame Inflation“. Obwohl sie kürzlich zugeben musste, dass die Inflation kein "kurzfristiges", "vorübergehendes" Phänomen ist, hält sie an der inflationstreibenden Ausgabe von massenhaft Niedrigzinskrediten und dem sogar noch verstärkten Ankauf von Staats- und Unternehmensanleihen fest.

Von ba
„Madame Inflation“ und das Pfeifen im dunklen Wald
Die Inflationrate steigt – besonders für die Arbeiter- und Erwerbslosenhaushalte. Foto: Tumisu / Pixabay / Pixabay-License

Von 70 Milliarden monatlich im Jahr 2020 stieg er auf 115 Milliarden 2021 an. Das soll „die Wirtschaft“ nun endlich wieder ankurbeln. „Wir haben noch einige Pfeile im Köcher“, behauptet sie. Das gleicht dem Pfeifen im dunklen Wald.

Wachsende Geldmengen heizen Spekulation an

Denn die seit Ausbruch der Krise gigantisch ausgeweitete Geldpolitik aller großen Zentralbanken in der Welt verpufft weitgehend wirkungslos. Sie konnte die Investitionstätigkeit nicht wesentlich stärken. In der OECD1 ist die Steigerungsrate der Bruttoanlageinivestitionen rückläufig und lag im zweiten Quartal 2021 nur noch bei 0,5 Prozent. Bereits in der letzten Weltwirtschafts- und finanzkrise heizten die wachsenden Geldmengen die Spekulation an, was sich jetzt verstärkt fortsetzt, und die Verschuldung der Staaten steigert. Diese benutzen die Gelder zum einen dazu, krisendämpfende Maßnahmen zu ergreifen. Sie soll aber vor allem dem Staat die Möglichkeit geben, große Zusammenbrüche von Monopolen durch Milliarden "Rettungsgelder" zu verhindern.

Tendenz zur Verschärfung der Weltwirtschafts- und finanzkrise

Die weltweite Industrieproduktion ist seit Monaten wieder rückläufig. In der OECD fiel sie von April 2021 bis heute wieder auf das Niveau von Dezember 2020 und liegt fast 2,5 Prozent unter dem Vorkrisenstand von 2018. Besonders betroffen davon sind alle großen „alten“ imperialistischen Länder (zwischen minus 6 bis minus 17 Prozent gegenüber dem Vorkrisenstand) sowie die großen neuimperialistischen Länder Russland, Argentinien, Brasilien, Südafrika und Indien.

 

Die ungleichmäßige Entwicklung der Imperialisten verschärfte sich zwischenzeitlich und verschärft sich weiter. Sie ist der Hintergrund wachsender zwischenimperialistischer Spannungen und wachsender Kriegsgefahr. Südkorea lag im Februar 2021 noch 7 Prozent über Vorkrisenstand, jetzt befindet es sich wieder darunter. China konnte seine Rolle als ökonomische Supermacht stärken. Im 2. Quartal 2021 lag seine Industrieproduktion um 23 Prozent über Vorkrisenniveau. Seine Wachstunmsrate hat sich allerdings abgeschwächt und liegt unterdessen mit etwas mehr als 3 Prozent so niedrig wie seit fast 30 Jahren nicht (wenn man von dem tiefen Einbruch im Frühjahr 2020 einmal absieht). Die Krise im chinesischen Immobilienmarkt spitzt sich auch weiter zu. „Evergrande“, der zweitgrößte Immobilienhändler Chinas, konnte trotz (umgerechnet) 12 Mrd. Euro staatlicher Rettungsgelder anstehende Zinszahlungen nicht begleichen.

Kapitalexport zurückgegangen

Während in der Weltwirtschafts- und finanzkrise von 2008 die alten imperialistischen Länder noch einen zumindest teilweise wirksamen Ausweg aus der Überproduktion von Kapital darin fanden, es vor allem in China, aber auch in Indien, der Türkei und anderen neuimperialistischen Ländern anzulegen, ist das diesmal kaum noch möglich, da diese überwiegend selbst mit in der Krise stecken. Daher sind der Kapitalexport, die Direktinvestitionen im Ausland und die grenzüberschreitenden Fusionen und Übernahmen seit Ausbruch der Krise 2018 weltweit (mit Ausnahme Chinas) deutlich zurückgegangen.

 

Zudem wird die Entwicklung der Weltwirtschaft weiterhin durch die bisher einzigartige Rohstoff- und Logistikkrise gebremst. Sie geht weit über die Chip-Krise hinaus, weitet sich immer mehr aus und trifft immer unmittelbarer die Massen. Eine IFO-Untersuchung nennt Engpässe bei den Vorprodukten in der „kompletten Breite der Rohstoffe“. Die Erzeugerpreise stiegen in der Euro-Zone im Oktober um 22 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat. Das drückt die Verbraucherpreise – vor allem für Öl, Gas und Lebensmittel - weiter nach oben. In den USA ist die offizielle, durchschnittliche Inflationsrate mit 6,2 Prozent. In der EU beträgt sie jetzt fast 5 Prozent (in Deutschland 5,2 Prozent).

 

Für die breite Masse der Bevölkerung in Deutschland bedeutet das einen realen Anstieg ihrer Lebenshaltungskosten um über 10 Prozent. So gehen die besonders angestiegenen Ausgaben für Nahrungsmittel nur mit einem Anteil von 9,7 Prozent in die Berechnung ein – bei einer Familie mit niedrigem Einkommen liegt der Anteil der Ausgaben dafür aber deutlich höher bei circa 25 Prozent. Das bedeutet, dass die Abwälzung der Krisenlasten mittels der Inflation längst eingesetzt hat.

 

Nicht zuletzt bremsen die Maßnahmen zur Eindämmung der neuen Welle der Corona-Pandemie nicht nur in Deutschland, sondern z.B. auch in Osteuropa, den USA und wichti-gen asiatischen Ländern die wirtschaftliche Entwicklung ab. Die Zentralbanken können einerseits nicht einfach die Kredite verteuern, um die Inflation einzudämmen, weil sie dadurch die wirtschaftliche Entwicklung noch weiter abwürgen würden. Aber die Ausweitung der zinslosen Kredite und der Käufe von Staats- und Unternehmensanleihen können sie auch nicht endlos betreiben. Schon jetzt beträgt die Bilanzsumme der EZB, d.h. die vor allem seit 2007 als Buchgeld neu geschaffene und ausgegebene Geldmenge fast 60 Prozent des gesamten Bruttoinlandprodukts der EU.

 

Die Zentralbanken stehen also trotz der bemüht optimistischen Erklärungen ihrer führenden Managerinnen und Manager wie Frau Lagarde der sich immer weiter vertiefenden krisenhaften Entwicklung der ökonomischen Grundlage des imperialistisch-kapitalistischen Systems in Wirklichkeit machtlos gegenüber. Die internationalen Monopole und ihre Regierungen werden die Lasten der ökonomischen Krisen und der Staatsverschuldung verstärkt auf die breite Masse der Bevölkerung, insbesondere auf die Industriearbeiter abzuwälzen, um den Preis von wachsendem Widerstand. Das internationale Industrieproletariat muss sich auf einen harten Kampf um seine existentiellen Interessen einstellen, mit der antikommunistischen Hetze fertig werden und Kurs auf die internationale sozialistische Revolution nehmen.