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Brief von Stefan Engel zur Verantwortung der Deutschen gegenüber dem jüdischen Volk
Stefan Engel, Redaktionsleiter des theoretischen Organs der MLPD, Revolutionärer Weg, hat dem Leser Heinz Ahlreip auf verschiedene Briefe geantwortet.
Von Stefan Engel
Der Brief von Stefan Engel ist hier auf der Webseite der Redaktion Revolutionärer Weg zu finden. Rote Fahne News dokumentiert Auszüge.
Heinz Ahlreip hatte im September kritische Anmerkungen zu einigen Stellen in dem Buch „Die Krise der bürgerlichen Ideologie und des Antikommunismus“ an die Redaktion Revolutionärer Weg geschickt, die von dieser beurteilt und von Stefan Engel beantwortet wurden:
- Auf Seite 117 sprechen wir vom „ersten Versuch der sozialistischen Revolution 1905“ in Russland. Deine Frage bzw. deinen Hinweis, dass es sich eher um eine demokratische Revolution handelte, ist zweifellos zutreffend. Lenin sprach selbst von der „demokratischen Revolution“, wobei er der Auffassung war – und darauf bezieht sich der Begriff „Versuch der sozialistischen Revolution 1905“ –, dass nach dem Sieg der demokratischen Revolution über den Zarismus „das Proletariat … die demokratische Umwälzung zu Ende führen … Die sozialistische Umwälzung vollbringen (muß).“ (Lenin, Zwei Taktiken der Sozialdemokratie in der demokratischen Revolution, Werke, Bd. 9, S. 90). Wir werden uns bemühen, bei einer neuen Auflage die Stelle unmissverständlicher, also nicht so verkürzt zu formulieren.
- Du kritisierst die Aussage auf Seite 132: „Die MLPD unterstützt die Existenzberechtigung eines israelischen Staates“. Du bist der Meinung: „Marxisten können nicht einem bürgerlichen Staat Ehre erweisen. … Marxisten erkennen nur den ‚Staat‘ der Pariser Kommune an."
Zunächst einmal zitierst du die Aussage in unserem Buch verkürzt. Dort heißt es: „Die MLPD unterstützt die Existenzberechtigung eines israelischen Staats, kritisiert aber, dass das imperialistische Israel völkerrechtswidrig den größten Teil Palästinas besetzt hält und dessen Bevölkerung willkürlich enteignet, vertreibt und mordet.“ Du ziehst nur einen Halbsatz heraus und reißt damit den Zusammenhang zwischen der Existenzberechtigung eines Nationalstaats und dessen Charakter auseinander.
Es ist selbstverständlicher Bestandteil des Marxismus-Leninismus, dass jedes Volk das bürgerlich-demokratische Recht auf einen eigenen Nationalstaat hat. So unterstützen wir ja auch die Schaffung eines eigenen Staats für das palästinensische oder das kurdische Volk, auch wenn dieser zunächst noch einen bürgerlichen Charakter haben mag. Deshalb hat auch das israelische Volk selbstverständlich das Recht auf einen Nationalstaat, und zugleich muss die zionistische Ideologie und der unterdrückerische Charakter des imperialistischen Israel bekämpft werden.
Lenin schrieb in seinem Aufsatz »Kritische Bemerkungen zur nationalen Frage« ausdrücklich »von der am meisten unterdrückten und gehetzten Nation: der jüdischen. Jüdische nationale Kultur – das ist die Losung der Rabbiner und Bourgeois, die Losung unserer Feinde. Aber es gibt in der jüdischen Kultur und in der ganzen Geschichte des Judentums auch andere Elemente … Dort haben sich die großen universal-fortschrittlichen Züge in der jüdischen Kultur deutlich gezeigt: der Internationalismus, ihre Aufgeschlossenheit für die fortschrittlichen Bewegungen des Zeitalters … Wer die Gleichberechtigung der Nationen und Sprachen nicht anerkennt und nicht verteidigt, wer nicht jede nationale Unterdrückung und Rechtsungleichheit bekämpft, der ist kein Marxist, der ist nicht einmal ein Demokrat.« (Lenin, Werke, Bd. 20, S. 10 und 13)
Zugleich betonten Lenin und Stalin, dass jede nationale Bewegung ihrem Wesen nach bürgerlich und deshalb die Forderung nach dem Selbstbestimmungsrecht der Nationen bzw. dem Existenzrecht eines Nationalstaats eine bürgerlich-demokratische Forderung ist. - Du hältst die Qualifizierung auf Seite 138: »Deutschland hat eine besondere Verantwortung gegenüber den Juden …« für »zu pauschal« und bist der Meinung, »das sagen nur asoziale Elemente, die das jüdische und das deutsche Volk gemeinsam ausbeuten«. Entschuldige, aber das ist doch ein sektiererischer Unfug. Es ist doch wohl jedem Menschen in Deutschland geboten, dass er gerade aus den scheußlichen Erfahrungen des rassistisch und antikommunistisch motivierten faschistischen Massenmords an Millionen Juden Verantwortung dafür übernimmt, Rassismus und Antikommunismus entschieden zu ächten und bekämpfen. Insofern hat das deutsche Volk natürlich eine besondere Verantwortung gegenüber den Juden, »rassistische und faschistische Verbrechen nie mehr zuzulassen«, wie es an derselben Stelle in dem Buch heißt. ...
Der Brief von Stefan Engel ist ungekürzt hier zu finden.