Corona-Pandemie

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Wie ist die Gefahr durch „Omikron“ zu bewerten und was ist zu tun?

Dr. Günther Bittel, Mitglied der Ärzteplattform des Internationalistischen Bündnisses und Mitautor des Buches „COVID-19 – neuartig, gefährlich, besiegbar“ schreibt zur neuen Corona-Mutante:

Von Dr. Günther Bittel
Wie ist die Gefahr durch „Omikron“ zu bewerten und was ist zu tun?
(grafik: HFCM Communicatie (CC BY-SA 4.0))
  1. Eine Zweifach-Impfung (Grundimmunisierung) schützt bei einem erheblichen Teil der geimpften Personen nach einigen Monaten nicht mehr ausreichend gegen die Delta-Variante. Der Schutz gegen die Omikron-Variante ist sogar völlig unzureichend.
  2. Nach einer Booster-Impfung erhöht sich der Schutz gegen die Delta-Variante wieder auf über 90 Prozent, gegen die Omikron-Variante auf 70 bis 75 Prozent.
  3. Daraus leitet sich die Notwendigkeit rascher und breiter Booster-Impfungen ab, die Verkürzung des Impf-Abstands zur zweiten Impfung auf weniger als sechs Monate ist sinnvoll. Meine Meinung: Bei gesunden immunkompetenten Personen sollten es fünf Monate sein; bei immungeschwächten Personen sollte der Booster nach ca. zwei bis drei Monaten erfolgen; Antikörper-Bestimmung ist hier als Entscheidungshilfe sinnvoll. Nach dem Impfstoff von Johnson+Johnson ist die Impfung mit einer mRNA-Vakzine schon vier Wochen später notwendig, nach zwei Dosen AstraZeneca spätestens nach vier Monaten.
  4. Gesichert ist die Hilfe der Booster-Impfung gegen schwere Krankheitsverläufe für beide Virus-Varianten. Der Schutz gegen Infektionen mit leichten Symptomen oder gegen asymptomatische Infektionen ist dagegen bei der Omikron-Variante schlecht. Auch Genesene können sich mit einer hohen Wahrscheinlichkeit erneut mit Omikron infizieren.
  5. Die Omikron-Variante ist wesentlich infektiöser als alle bisherigen Varianten, sie hat Deutschland erreicht, wurde in über 20 Ländern inzwischen nachgewiesen und wird mit hoher Wahrscheinlichkeit in wenigen Monaten die weltweit vorherrschende Variante sein. In Deutschland gibt es eine erhebliche Untererfassung, da bis vor kurzem keine Gen-Sequenzierung mehr bei den PCR-Tests erfolgte. Der erste Trend zeigt eine wöchentliche Verdopplung der Omikron-Fälle; in Südafrika beträgt die Verdopplungszeit sogar drei bis vier Tage.
  6. Die Gefahr der Virusübertragung steigt somit erheblich an. Besonders bei fehlenden Symptomen kann auch durch geboosterte Personen eine relevante Virus-Verbreitung stattfinden; diese ist allerdings deutlich kürzer bei insgesamt geringerer Virusmenge im Vergleich zu Ungeimpften oder auch gegenüber zweimal geimpften Personen.
  7. Bei Treffen in Innenräumen sollen möglichst alle oder möglichst viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer geboostert sein – ein tagesaktueller Schnelltest ist negativ – es nehmen keine Person mit verdächtigen Symptomen teil – die AHA-Regeln werden strikt eingehalten – eine ausreichende Raumlüftung wird sichergestellt. Beachtet werden muss hier: Schnelltests sind vor allem zu Beginn der Infektion falsch negativ, ebenso bei Absinken der Viruslast drei bis fünf Tage nach Beginn der Infektion. Es sind viele Tests minderer Qualität auf dem Markt und die Preise steigen mit sinkender Verfügbarkeit. Erste Versuche mit Omikron-Proben geben Hoffnung, dass die guten Schnelltests hier auch funktionieren. Dazu Hinweise am Ende des Textes.
  8. Beachtet werden muss auch die Regel, dass auf die Omikron-Variante positiv getestete Personen für mindestens 14 Tage in häusliche Quarantäne müssen, unabhängig davon ob sie Symptome haben oder ob sie geboostert sind.
  9. Gegen eine Omikron-Infektion im Freien sind Mindestabstände einzuhalten.
  10. Das Infektionsgeschehen lässt mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit erkennen, dass die vierte Welle mit der Delta-Variante ihren Höhepunkt erreicht und überschritten hat, bundesweit tendiert die Sieben-Tage-Tendenz wieder gegen 400. Spitzenreiter ist der Landkreis Meißen mit 2133, gefolgt vom Landkreis Hildburghausen mit 1920, den besten Wert hat der Stadtkreis Mönchengladbach mit 73,2 (RKI vom 11.12.2021). Es muss allerdings mit hoher Dunkelziffer und Untererfassung gerechnet werden. Die lokale Situation muss unbedingt in Risiko-Abschätzungen einbezogen werden. Zu rechnen ist mit einer baldigen fünften Welle, die sich mit Omikron auf die abklingende vierte Welle aufaddiert. Für diese Prognose spricht die bisherige Ausklammerung eines wirklichen Lockdowns und das unzureichende und lückenhafte Impftempo. Die Quote der Booster-Impfungen beträgt aktuell 25 Prozent, wobei der Schutz erst 14 Tage später wirklich vorhanden ist. Der Umschlag des Infektionsgeschehens zu Omikron als führende Variante wird auf Ende Januar erwartet.
  11. Die teilweise vorgetragene Forderung, zugunsten einer möglichst schnellen Booster-Impfung auf Antikörper-Tests generell zu verzichten, verdrängt das durchaus reale Problem schwerer Impfreaktionen. Bei schweren Impfreaktionen in der Vorgeschichte, Personen mit relevanten allergischen oder Autoimmun-Erkrankungen ist die Antikörperbestimmung weiterhin sinnvoll und die Orientierung an den Leitlinien der Laborärzte, bei einem Antikörper-Titer über 1000 BAU/ml noch abzuwarten. Für alle anderen gilt das Primat der möglichst raschen Booster-Impfung. Auch Risikopersonen mit Gefahr der Überreaktion auf die Impfung sollen möglichst schnell, aber unter besonderer Überwachung und Begleitung geboostert werden. Die Standards: Schnelltest direkt vor Impfung, ärztliche Überwachung und Kontrolle der Vorgabe, dass Moderna nur mit der halben Dosis boostern darf, bleiben aktuell!
  12. Besorgniserregend sind die Hinweise aus Südafrika, dass von der Omikron-Variante wesentlich auch Kinder der Altersgruppe Null bis fünf Jahre betroffen sind. Es waren jeweils beide Eltern nicht geimpft! Die Quote der Klinikeinweisungen von Kindern und Jugendlichen wegen Covid-19 ist in Südafrika bereits auf 20 Prozent der Gesamteinweisungen wegen Covid-19 gestiegen. Die deutschen Kinderkliniken sind völlig unterbesetzt und unterfinanziert und stehen jetzt schon vor dem Kollaps. Für unter Fünfjährige gibt es noch keinen zugelassenen Impfstoff. Der notwendige Schutz dieser Altersgruppe erfordert sofort die allgemeine Impfpflicht und nicht erst eine sektorale Impfpflicht im März. Auch bei einer sofortigen allgemeinen Impfpflicht würde es bis zur Wirksamkeit der Boosterung aller jetzt Erstgeimpften noch ca. vier Monate dauern, das kommt gegen Omikron schon relativ spät. Es darf nicht mehr gezögert werden!
  13. Die Maßnahmen der Ampel-Regierung sind trotz der Nachbesserung des Bundesinfektionsschutzgesetzes am 10. Dezember nur in der Lage, das Wachstum der Infektionszahlen zu beenden, führen aber zu keiner schnellen Senkung. Sie sind insgesamt weiterhin völlig unzureichend und setzen das Profitinteresse der Monopole an die erste Stelle und lassen den kleinbürgerlichen Individualismus ungeschoren, der sich aus egoistischen Gründen gegen eine Impfpflicht wendet. Noch nie war unsere Doppelforderung nach allgemeiner Impfpflicht und sofortigem massenfreundlichen Lockdown so dringlich wie jetzt! Das unerträgliche Tolerieren von „Querfront“-Provokationen durch die Herrschenden - sowohl inhaltlich wie auch im Auftreten - zusammen mit der antikommunistischen Argumentation, fördert diese faschistischen Umtriebe. Der Kampf gegen Faschismus, faschistoide Umtriebe und Rechtsentwicklung der Regierung bzw. gegen die Faschisierung des Staatsapparats muss offensiv geführt werden.
  14. Der globale Omikron-Vormarsch bestätigt die Dringlichkeit der ICOR-Forderung nach Aufhebung des Patentrechts und rascher weltweiter Impfung sowie die Dringlichkeit der ICOR-Forderung nach dem Aufbau dazu notwendiger Produktionsanlagen und Logistik und des Gesundheitswesens in allen Ländern! Die Nach-Modellierung der Impfstoffe gegen Omikron - wie von Moderna und Biontech eingeleitet - ist begrüßenswert, aber als alleinige Maßnahme keinesfalls ausreichend.
  15. Die Bedeutung der von uns propagierten Vorbeugungsmaßnahmen und einer gesunden Lebensweise sind noch einmal gewachsen. Die Forderung nach einer Beschleunigung der Therapieforschung gewinnt nochmals an Bedeutung!


Eine Liste aller Tests, die in einer Studie von PEI und Charité die notwendigen Qualitäts-Kriterien erfüllt haben, ist im Internet unter der folgenden Download-Adresse verfügbar: https://www.eurosurveillance.org/content/table/10.2807/1560-7917.ES.2021.26.44.2100441.t1?fmt=ahah&fullscreen=true

In Studien der Virologinnen Sandra Ciesek und Isabella Eckerle haben folgende Antigen-Schnelltests die beste Qualität und reagieren auch korrekt auf Omikron.

 

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