Nach den Paragraphen 129a/b
Kurdischer Aktivist zu Haftstrafe von einem Jahr und vier Monaten verurteilt
Gestern wurde vor dem Oberlandesgericht (OLG) München der kurdische Aktivist Mustafa T. zu einem Jahr und vier Monaten Freiheitstrafe ohne Bewährung verurteilt. Diese hat er bereits in der Untersuchungshaft verbüßt und er kam daher frei.
Vorgeworfen wurde ihm, als Mitglied einer „terroristischen Vereinigung im Ausland“ (§§ 129, 129a, 129b StGB) von Juli bis Dezember 2020 das Gebiet München/Südbayern verantwortlich geleitet zu haben. Auf Betreiben der Verteidigung ging das Gericht sowohl in der Beweisaufnahme als auch in seiner mündlichen Urteilsbegründung ausführlich auf die aktuelle Politik der Türkei und die Geschichte des türkisch/kurdischen Konflikts ein. Mit klaren Worten wie „Folter“ und „Massaker“ wurden in der Urteilsbegründung sowohl die aktuellen als auch historischen Missstände eingeräumt. Die persönliche und familiäre Betroffenheit des Angeklagten durch erlittenes Unrecht wurde vom Gericht zwar als strafmildernd anerkannt, rechtfertige aber nicht die ihm vorgeworfenen Vergehen.
In der Anklageschrift wurden Mustafa T. seine Teilnahme an Protestveranstaltungen, u.a. gegen völkerrechtswidrige Angriffe der türkischen Armee auf von Kurdinnen und Kurden bewohnte Regionen im Nordosten Syriens oder des Nordiraks, als „terroristische Aktivitäten“ ausgelegt. Zum Vorwurf erhoben wurde zudem, dass er eine Verhandlung gegen kurdische Angeklagte vor dem OLG Stuttgart-Stammheim besucht oder sich an einer Demonstration gegen die Verurteilung von politisch Aktiven der linken türkischen TKP/ML in München beteiligt habe. Zudem wurden ihm soziale Tätigkeiten – etwa die Teilnahme an einer Trauerfeier für einen angeblichen PKK-Aktivisten - sowie die Unterstützung von humanitären Spendenkampagnen des kurdischen Roten Halbmonds Heyva Sor zur Last gelegt.
Die Anklage basierte hauptsächlich auf „Erkenntnissen“ aus der Telekommunikationsüberwachung durch die Landeskriminalämter von Bayern und Baden-Württemberg. Weil sich Mustafa T. dem Strafverfahren – wie von der Generalstaatsanwaltschaft München behauptet wurde – hätte entziehen können und damit Fluchtgefahr bestünde, befand er sich seit seiner Verhaftung im Dezember 2020 in Untersuchungshaft in München.
Auch an diesem Verfahren und dem heute ergangenen Urteil ist aus der Sicht von Azadî zu kritisieren, dass dem Angeklagten keine individuellen Straftaten zur Last gelegt wurden, sondern allgemeine politische und soziale Aktivitäten sowie Kontakte für eine Haftstrafe ohne Bewährung von dem Gericht als ausreichend angesehen werden. Während die deutsche Bundesregierung seit über 30 Jahren nahezu sämtliche politischen Aktivitäten der kurdischen Opposition in Deutschland kriminalisiert, schweigt sie konsequent zu den diktatorischen Verhältnissen in der Türkei und ihren völkerrechtswidrigen Kriegseinsätzen bis hin zum Einsatz international geächteter Chemiewaffen, wie aktuell im Nordirak.
Lektüre-Tipp der Roten Fahne Redaktion: Das Kapitel "Die Münchener Prozesse gegen die kommunistische Freiheitsideologie". In: Stefan Engel, Die Krise der bürgerlichen Ideologie und des Antikommunismus, Seite 124 ff.