Brennpunkt Ukraine-Konflikt
Differenziertere Betrachtung nötig
In dem Artikel in den RF-News vom 2.12.21 „Imperialistische Interessen stoßen aufeinander – Kriegsgefahr verschärft!“ wird der US-Imperialismus zu Recht als imperialistischer Kriegstreiber Nr. 1 bezeichnet. Das bezieht sich auf die weltweite Dimension des Kampfes um die Neuaufteilung der Einflusssphären.
Aktuell zeigt sich dies in der von NATO-Generalsekretär Stoltenberg erklärten neuen Strategie der NATO gegen Russland. „Auf der NATO-Agenda steht, die Länder Georgien, Ukraine, Moldau und weitere Länder in die NATO zu holen, um die Machtverhältnisse für die westlichen Imperialisten zu verbessern. Dass das der russische Neuimperialismus nicht zulassen wird, ist sicher.“ Das verschärft nicht nur die allgemeine Kriegsgefahr, sondern beinhaltet die Gefahr der Entwicklung einer akuten Kriegsgefahr. Die besondere Aggressivität des US-Imperialismus im globalen Maßstab zeigt sich auch in der zwischenzeitlichen Ankündigung von Biden, Taiwan nicht nur durch Waffenlieferungen zu unterstützen, sondern gegebenenfalls auch militärischen Beistand zu leisten, bei einem Versuch des chinesischen Sozialimperialismus, die Wiedervereinigung Taiwans mit China mit Gewalt zu erreichen.
Zur materiellen Grundlage der besonderen Aggressivität des US-Imperialismus heißt es in der Broschüre von Stefan Engel „Über die Herausbildung der neuimperialistischen Länder": „Die besondere Aggressivität der ultrareaktionären rassistischen und faschistoiden Regierung unter Donald Trump mit dessen Programm „America First“ hat ihre besondere materielle Grundlage in einem massiven Rückfall des US-Imperialismus.“ Durch den Regierungswechsel zu Biden hat sich zwar die hauptsächliche Regierungsmethode verändert und wird wieder die Notwendigkeit und Bedeutung des NATO- Bündnisses mit anderen imperialistischen Ländern betont. Die Substanz der besonders aggressiven Außenpolitik des US-Imperialismus hat sich jedoch nicht verändert.
Deshalb trifft meines Erachtens folgende Aussage im Revolutionären Weg 31 weiterhin zu: „Der Hauptstoß im Kampf um die Erhaltung des Weltfriedens muss heute eindeutig gegen den US-Imperialismus gerichtet werden. Diese Supermacht ist der Feind aller Völker, weil sie bereit ist, ihren Machtanspruch mit aller erdenklichen militärischen Gewalt durchzusetzen.“ Dies sollte meines Erachtens, trotz des heute multipolaren Charakters des imperialistischen Weltsystems, in unserer Öffentlichkeitsarbeit stärker betont werden. Davon unberührt bleibt die Feststellung: „Hauptfeind der Arbeiterklasse und der Volksmassen in Deutschland bleibt der deutsche Imperialismus.“ (RW 31, S. 531) Dieser betreibt schon seit Jahrzehnten die aggressive Osterweiterung der imperialistischen EU.
China ist heute eine imperialistische, ökonomische Supermacht und strebt an, dies auch auf politischem und militärischem Gebiet zu werden. Dazu rüstet es rasant auf. Die Hauptmethode des chinesischen Sozialimperialismus ist heute jedoch noch die ökonomische Expansion. Brennpunkt der zwischenimperialistischen Rivalität und der bedrohlich wachsenden Kriegsgefahr ist aktuell der Ukraine-Konflikt. Der Streit um die Zulassung von Nord Stream II ist Bestandteil der Verschärfung der zwischenimperialistischen Konkurrenz auch auf ökonomischem Gebiet, was auch machtpolitische Bedeutung hat.
Es gibt meines Erachtens in einzelnen Artikeln Formulierungen, die nicht genügend die grundsätzliche und die konkrete Seite bei der Beurteilung der imperialistischen Aggressivität verschiedener Kräfte unterscheiden. So heißt es in dem erwähnten Artikel vom 2.12. zur Taktik des deutschen Imperialismus mit der wirtschaftlichen Durchdringung: „Dabei ist diese Methode keinen Deut weniger imperialistisch und aggressiv als die der offenen imperialistischen Aggression.“ Dann könnte man sich eigentlich eine konkrete Analyse der unterschiedlichen Kräfteverhältnisse und imperialistischen Taktiken sparen.
In dem Artikel „Kriegsdrohungen um den Ukraine-Konflikt nehmen zu“ heißt es am Schluss zur Aufgabenstellung der internationalen antiimperialistischen und antifaschistischen Einheitsfront, dass diese „das Weltmachtstreben aller Imperialisten attackiert ...“. Der Aufruf betont jedoch zu Recht, dass der US-Imperialismus nach wie vor der Hauptkriegstreiber ist. Zwar ist das Wesen der imperialistischen Außenpolitik auch in kleineren imperialistischen Ländern ebenfalls aggressiv, aber wenn es konkret um das Weltmachtstreben geht, gibt es unterschiedliche Voraussetzungen, Ziele und Taktiken.
Die Revisionisten der DKP schließen daraus irrigerweise, dass Russland eine Friedenskraft sei. Erst recht China, dessen sozialimperialistischen Charakter sie bestreiten. Sie verfolgen in der Konsequenz eine sozialchauvinistische Linie. Die Feststellung, dass sich die internationale antiimperialistische und antifaschistische Einheitsfront gegen alle Imperialisten richten muss, bedeutet jedoch nicht, dass es keine Unterschiede in der Aggressivität, den Voraussetzungen, Zielen und Methoden der verschiedenen imperialistischen Länder gibt, die in der konkreten Strategie und Taktik und bei der Frage des taktischen Hauptstoßes im Kampf um den Weltfrieden und in unserer Öffentlichkeitsarbeit zu beachten sind.