Ampel-Regierung
Cem Özdemir versteht nichts von Landwirtschaft und von der Inflation hat er auch noch nichts mitgekriegt
Beim innerparteilichen Postenschacher bei den Grünen gewann Cem Özdemir gegen Anton Hofreiter - bekanntlich nicht wegen seiner Qualifikation, sondern als schwäbisch-türkischer Diversity-Faktor.
Er ist der Grünen Quotenmann für Migrations- und Arbeiterhintergrund. Seine Eltern stammen aus der Türkei und waren Arbeiter. Jetzt bekennt er sich auch noch dazu, Enkel von Landwirten zu sein. Aber Scherz beiseite: Er nimmt sein Amt ernst. Eine tatsächliche Verbesserung will er durchsetzen, nämlich das Verbot des Containerns abschaffen. Wer gute erhaltene Lebensmittel, die in Massen weggeworfen werden, aus Müllcontainern holt, macht sich bisher strafbar. Auch hat Cem Özdemir sich verpflichtet, sich dafür einzusetzen, dass die EU das umwelt- und gesundheitsgefährdende Unkrautvernichtungsmitte Glyphosat nicht länger zulässt. Aber was hat der neue Landwirtschaftsminister sonst in petto?
„Wie bitte? Ich dachte, die neue Regierung wollte ärmeren Familien und Kindern helfen?“ Dies war die Reaktion einer Freundin und Courage-Frau, als sie vor einigen Tagen von der Verlautbarung des neuen Agrarminsters Cem Özdemir las: Lebensmittel sollen seiner Meinung nach in Deutschland deutlich teurer werden. Momentan würden sie „verramscht“. Da fragt man sich wirklich, in welcher Welt Özdemir eigentlich lebt, wo die hohe Inflation doch selbst bei bürgerlichen Politikern in aller Munde ist. Die Preise für manche Nahrungsmittel sind zuletzt um über 10 Prozent gestiegen, die Benzinpreise seit Jahresbeginn fast um ein Drittel. Viele Familien stehen inzwischen vor wachsenden Problemen und dem Dilemma, ob sie ihren Kindern ein gesundes Essen kochen, täglich zur Arbeit fahren oder ihre Wohnung gut heizen können. Dass Lidl, Aldi, Edeka und Co. ihre Preise zulasten der Verbraucher erhöht haben, scheint Özdemir bei seinem Abgeordneten- und Ministergehalt gar nicht mitbekommen zu haben.
Wer das behaupte, kenne ihn schlecht, meint Özdemir: "Mir muss als Arbeiterkind niemand von sozialer Gerechtigkeit erzählen. Ich weiß, was es heißt, wenn beide Eltern arbeiten mussten, in Schichtarbeit, im Akkord. Mein Vater hatte neben seinem Job in der Fabrik sogar noch einen Zweitjob an der Tankstelle, um die Familie über Wasser zu halten. Ich wehre mich dagegen, die Strukturen eines kranken und ausbeuterischen Systems einfach zu belassen." Die Herkunft aus einem Arbeiterhaushalt in Ehren, aber sie schützt nicht per se davor, die Bodenhaftung zu verlieren. Zu den "Strukturen eines kranken und ausbeuterischen Systems" zählt Özdemir zu Recht die Arbeitsbedingungen und die Niedriglöhne in den Großschlachthöfen, z. B. Tönnies. Jedoch sind daran keine niedrigen Lebensmittelpreise schuld. Wenn sie steigen, steigen dadurch noch lange nicht die Löhne der Schlachtarbeiter, wie man ja aktuell deutlich sieht.
Vielen Leuten sei, so Özdemir, „ein gutes Motoröl wichtiger als ein gutes Salatöl“. Viele seien zu dick, ernähren sich schlecht, seien uneinsichtig. Mangel- und Fehlernährung sowie zu wenig Bewegung sind ein ernstes Problem, oft gerade in Familien mit geringem Einkommen. Und es gibt sie auch, die mangelnde Einsicht, dass Menschen ihre Lebensführung zu wenig kritisch hinterfragen, lieber Chips als Obst essen, rauchen und sich nicht zu Bewegung draußen durchringen können. Aber es ist einfach nicht richtig, diese vom kapitalistischen Gesellschaftssystem verursachten Probleme den Massen in die Schuhe zu schieben und sie ausgerechnet mit höheren Lebensmittelpreisen erziehen zu wollen. Minderwertige Lebensmittel liegen zuhauf in den Supermarktregalen. Sie werden produziert, weil Lebensmittel- und Handelskonzerne damit Maximalprofite scheffeln können, nicht, weil die Menschen sie brauchen. Von der heute show stammt der Witz zum oben genannten Containern: "Containern bleibt verboten. Wer Müll essen will, soll sich was bei Nestlé kaufen."
"Kein Bauer steht morgens auf und sagt, er will Tiere schlecht halten oder Nitrat im Boden und im Grundwasser haben", äußert Özdemir sich verständnisvoll. Tatsächlich werden bisher die Kosten für sinnvolle Umweltschutzmaßnahmen auf die kleinen und mittleren Bauern abgewälzt. Den genannten Stallumbau können sie sich in der Regel nicht leisten, das ist an eine bestimmte Hofgröße gebunden. So wird unter dem Vorwand von Tierwohl und Umweltschutz die Konzentration bei Großagrariern und der Ruin vieler kleiner und mittlerer Höfe vorangetrieben. Özdemir verspricht, diese Ruinierung aufhalten zu wollen. Als Mitglied einer Regierung, die als Dienstleister der Monopole fungiert, der Agrar-, Chemie- und Lebensmonopole, würde er bei diesen auf Granit beißen. In Verbindung mit Arbeiter- und Massenkämpfen kann das erreicht werden. Eine grundlegende Lösung erfordert einen gesellschaftsverändernden Kampf für den echten Sozialismus.
Um der Ruinierung der kleinen und mittleren Bauern entgegenzuwirken, braucht es nicht die Verteuerung der Lebensmittelpreise für die breiten Massen, sondern die Erhöhung der Erzeugerpreise! Die niedrigen Erzeugerpreise werden nicht von den Massen verursacht, sondern von den Agrar- und Handelsmonopolen. 77 Prozent der Wertschöpfung in der Landwirtschaft eignen sich mittlerweile Agrar- und Lebensmittelkonzerne an. Der Anteil der Erzeuger, also der Bauern, ist dagegen in den letzten 10 Jahren von 15 auf 10 Prozent gesunken. Eine Rote Fahne News-Korrespondentin schreibt: "Wenn Özdemir sagt, dass 'Ramschpreise' Höfe in den Ruin treiben würden, nimmt er aber eben diese Handelskonzerne aus der Schusslinie. Ihr Recht auf Maximalprofit erkennt der neue Agrarminister wie selbstverständlich an. Zugleich will er den Arbeiterinnen und Arbeitern, den Frauen und Familien die Möglichkeit nehmen, über Sonderangebote usw. wenigstens ein paar Cent zu sparen! Die MLPD-Losung „Erzeugerpreise rauf – Verbraucherpreise runter“ ist nach den Wahlen so aktuell wie nie. Sie birgt noch viel Diskussionsstoff, auch bei Ständen vor Supermärkten: Gesunde und bezahlbare Lebensmittel sowie artgerechte Tierhaltung und Umweltschutz müssen wir auf Kosten der Profite erkämpfen, zugleich sollte jeder einzelne seine Ernährung und Lebensführung kritisch hinterfragen und wo möglich ändern.."
Arbeiter und kleine und mittlere Bauern können und müssen sich zusammenschließen. Ein toller Anfang war die Veranstaltung der Agrarplattform im Internationalistischen Bündnis: "Wenn Bauern mit Arbeitern zusammentreffen: Deftig, herzlich, solidarisch!" am 15. Dezember.