Südafrika

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Zum Tod von Desmond Tutu

Gestern starb der südafrikanische Friedensnobelpreisträger und frühere anglikanische Erzbischof Desmond Tutu im Alter von 90 Jahren.

Von gis
Zum Tod von Desmond Tutu
Desmond Tutu (shutterstock_505679437)

Seinem Einsatz gegen das südafrikanische Apartheidsregime gebührt Anerkennung

Die Nachrufe in großen Medien sind voll der Anerkennung und lobender Worte, wie sie sonst für jemanden, der als "Widerstandskämpfer" bezeichnet wird, in bürgerlichen Medien selten sind. So schreibt der Spiegel: "Hamba kahle, Arch – Adieu, großer alter Mann! ... Desmond Mpilo Tutu hat, solange er gesundheitlich dazu in der Lage war, für die Rechte der Unterdrückten und Vergessenen gekämpft, mit Schärfe, Härte und doch nie versiegender Fröhlichkeit. Bis zuletzt war er, der Friedensnobelpreisträger, immer nah bei den Menschen, und sei es beim gemeinsamen Müllsammeln auf einer staubigen Straße in irgendeinem Dorf."

 

Diese Verbindung mit den Massen, sein jahrzehntelanges Engagement gegen das faschistische, rassistische Apartheids-Regime und seine Kritik an der heutigen ANC*-Regierung verdienen zweifellos Anerkennung. Desmond Tutu kam aus einfachen Verhältnissen. Er wollte Arzt werden, aber das Studium war zu teuer; er wurde Lehrer. 1957 gab er den Beruf aus Protest gegen die diskriminierende Schulpolitik des Apartheidstaates auf. Danach wandte er sich der Theologie zu. Gemeinsam mit Nelson Mandela, dem bekanntesten Vertreter des anfänglich antiimperialistischen ANC, geißelte er die brutale Rassendiskriminierung in Südafrika. Mandela saß dafür 27 Jahre in Haft.

 

Auch Desmond Tutu wurde unterdrückt. Wegen seiner Forderung nach internationalen Sanktionen gegen die Regierung in Pretoria wurde ihm 1980 und 1981 der Pass entzogen. Hier blieb er sich treu: Er unterstützte auch die heutige BDS-Kampagne gegen die israelische Besatzungspolitik in Palästina, deren Vorbild die Sanktionsforderungen gegen Südafrika waren. 2012 protestierte Tutu zusammen mit zwei anderen früheren Trägern des Friedensnobelpreises gegen die Verleihung dieses Preises an das imperialistische Staatenbündnis EU. Richtig hatten die drei Friedensnobelpreisträger erklärt, dass die EU "eindeutig kein Vorkämpfer für den Frieden" sei. Und tatsächlich hielt er sich mit scharfer Kritik am heutigen korrupten ANC-Regime in Südafrika nicht zurück.

Die bürgerlichen Lobeshymnen gelten dem Klassenversöhnler Tutu

Das überschwengliche Lob von bürgerlichen Politikern und Medien gilt Desmond Tutu als Vertreter einer ausgemachten Klassenzusammenarbeitspolitik. "Der Bischof hat mit Nelson Mandela maßgeblich den politischen und vor allem friedlichen Wandel in Südafrika und die Überwindung der Apartheid angetrieben", so der Spiegel. Bei einer Internationalismus-Live Veranstaltung der MLPD 2011 "Südafrika, 17 Jahre nach dem heroischen Sieg über das Apartheid-Regime" berichtete ein Vertreter der Kommunistischen Partei Südafrikas/Marxisten-Leninisten (CPSA/ML) aus erster Hand über den Kampf gegen das Apartheid-Regime, den marxistisch-leninistischen Parteiaufbau, der meist unter illegalen Verhältnissen stattfand und den Kampf der Massen und der Arbeiterklasse. Der Übergang vom faschistischen Apartheids-Regime zur bürgerlichen Demokratie geschah vor dem Hintergrund der Internationalisierung der Produktion in den 1990-er Jahren und aufflammender Massenproteste. Hunderttausende gingen auf die Straße, international stand das Apartheids-Regime in wachsender Kritik. Unter diesen Umständen war es nicht mehr aufrechtzuerhalten.

 

"Ministerpräsident DeKlerk und Nelson Mandela, der damals noch im Gefängnis auf Robben Island einsaß", so der Veranstaltungsbericht, "handelten den Übergang aus, um einen revolutionären Aufschwung zu verhindern. Bischof Desmond Tutu flankierte diesen Übergang mit einer so genannten 'Wahrheits-Versöhnungs-Kommission', deren Ziel es war, den rassistischen Mördern zu 'vergeben', was nichts anderes bedeutete, als sie straffrei davonkommen zu lassen. Mit dem Übergang zur bürgerlichen Demokratie wurde das System der kleinbürgerlichen Denkweise in Südafrika ausgebaut. Der Vertreter der CPSA/ML berichtete als ein Indiz, dass vor dem Übergang kaum eine schwarze Familie ein Fernsehgerät besessen habe, während heute in der bescheidensten Hütte ein solcher Kasten steht." Südafrika entwickelte sich zu einem neuimperialistischen Land mit eigenen Monopolen und internationalem Industrieproletariat.

Der Kampf der Arbeiter und der Massen

Tutu trug mit seiner Versöhnungspolitik wesentlich dazu bei, eine revolutionäre Entwicklung in Südafrika zu verhindern.Dabei hatte sich mehrfach die Möglichkeit einer revolutionären Krise entwickelt. Schon in den 1940-er Jahren gab es Massenkämpfe schwarzer Minenarbeiter. Am 16. Juni 1976 demonstrierten über 20.000 Kinder und Jugendliche gegen das Bildungssystem der Apartheid. 15.000 Polizisten marschierten auf und töteten im Auftrag der Regierung 575 junge Menschen. 3907 wurden verletzt. Die Bilder dieses Massakers gingen um die Welt. Eine weltweite fortschrittliche Bewegung gegen die Apartheid entwickelte sich.

 

Der selbständige Streik der 12.000 Platinarbeiter im August 2012 bedeutete nach fast 20 Jahren relativer Ruhe im Klassenkampf einen Wendepunkt. Er machte Südafrika zu einem Brennpunkt des internationalen Klassenkampfs. Das blutige Massaker der ANC-Regierung an 34 Bergleuten in Marikana war ein Fanal. 100.000 Bergleute traten aus Solidarität in den Streik, und eine Welle selbständiger Massenstreiks entwickelte sich. Von Januar bis Mai 2014 traten die Platinarbeiter erneut in den Streik, den bisher längsten in der Geschichte Südafrikas.

 

Heute stehen die Arbeiterklasse und die Massen im neuimperialistischen Südafrika in erbitterten Kämpfen gegen die ultrarechte ANC-Regierung. Auf der 4. Weltkonferenz der revolutionären Weltorganisation ICOR, die im Herbst 2021 stattfand, berichteten die südafrikanischen Marxisten-Leninisten: "Die ANC-geführte Regierung vernachlässigt die Interessen der armen Massen, die ihr Leben geopfert und für die Befreiung Südafrikas gegen das rassistische Minderheitenregime und die imperialistische Vorherrschaft gekämpft haben. Die Arbeiterklasse und die armen Bauern werden von dieser Regierung in extreme und unsägliche Armut gestürzt. Seit dem Beginn der so genannten demokratischen Wahlen machen die Präsidenten der ANC, von Mandela bis Cyril Ramaphosa, leere Versprechungen zur Schaffung von Arbeitsplätzen, von denen sie wissen, dass sie sie niemals erfüllen werden. ... Als Ergebnis der Führung der CPSA(M-L) werden die Kämpfe der Massen hartnäckig und die armen Massen widersetzen sich dem Druck der Regierung. An den Universitäten betreibt sie Agitation und Propaganda. Die Partei ermutigt die Massen zur Gründung von Selbstverwaltungsorganisationen und zur Gründung einer antiimperialistischen und antifaschistischen Einheitsfront. Sie hat sich aktiv an der Gründung der kämpferischen Automobilarbeiterbewegung in Südafrika beteiligt, die Teil der internationalen Automobilarbeiterbewegung ist."

 

 

 

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