Kämpfe politisiert und ausgedehnt
Bürgerliche Medien leugnen die führende Rolle der Arbeiterklasse in diesem Volksaufstand
Gestern dokumentierte "Rote Fahne News" einen Teil eines Interviews mit Ajnur Kurmanow von der Sozialistischen Bewegung Kasachstan. Dieses war am 5. Januar 2022 geführt worden und erschien zuerst auf der Homepage der RKRP (Russland). Heute folgt der zweite Teil dieses interessanten Interviews zum Brennpunkt Kasachstan.
Natürlich ist uns bewusst, dass die Proteste von den bürgerlichen Medien in Russland als spontaner Aufruhr dargestellt wird, und nicht als organisierter Protest der Werktätigen. Natürlich versuchen die liberalen, nationalistischen, pro-westlichen Gruppen das darzustellen als einen allgemeinen Protest, ohne die führende Rolle der Werktätigen zu nennen. So versuchen es auch die Vertreter der Staatsregierung darzustellen. Aber das ist eine Legende. Die Wurzeln dieses Protestes sind klassenmäßig, und die Forderungen waren ebenfalls soziale und ökonomische Forderungen. Die Proteste haben sich politisiert. Sie haben sich geographisch ausgedehnt, und es nahmen mehr und mehr Massen von Arbeitern und anderer sozialer Schichten teil. Die erste Forderung war die nach Senkung der Gaspreise, danach kam die Forderung nach Erhöhung der Löhne um 100 Prozent, für bessere Arbeitsbedingungen, für den Abschluss von Tarifverträgen, für die Anerkennung unabhängiger Gewerkschaften. Insbesondere in West-Kasachstan wurden neue Betriebe aufgebaut und man muss wissen, dass die Menschen in einer Region mit großer Arbeitslosigkeit leben. Viele Betriebe der Erdölindustrie und der verarbeitenden Industrie sind geschlossen worden infolge der Privatisierungen der neunziger Jahre.
Die unabhängigen Gewerkschaften in ganz Kasachstan sollten von den herrschenden Parteien zerschlagen werden. Nach dem Streik im Jahr 2011 wurden drakonische Gesetze gegen die Gewerkschaften erlassen, die gegen die Konvention der Internationalen Arbeitsorganisation verstießen. Es gab große Behinderungen beim Aufbau und bei der Registrierung neuer Gewerkschaften. Im Ergebnis wurden durch die Gerichte in Kasachstan mehr als 600 Gewerkschaften verboten. Die Konföderation der unabhängigen Gewerkschaften Kasachstans wurde im Jahr 2017 durch das Gericht zerschlagen, danach wurden Gewerkschafter verhaftet und zu mehreren Jahren Gefängnis verurteilt. Ein Viertel der Funktionäre der Konföderation der unabhängigen Gewerkschaften auch in den Regionen wurde verhaftet, Aktivisten wurden entlassen und litten unter Repressionen. Darum übernehmen heute sogenannte Initiativgruppen die organisierende Funktion bei den Streiks. Das ist eine Form der Selbstorganisation. Darin schließen sich die Streikenden zusammen und treffen ihre Entscheidungen, sie haben einen Hilfsfonds gegründet, planen gemeinsame Aktion usw.
Die revolutionäre, sozialistische und kommunistische Bewegung in Kasachstan ist heute aufgrund der Repressionen weitgehend zerschlagen. Das politische Feld wurde vollständig gesäubert. Aber sie konnten nicht alle Positionen liquidieren. Es gab Repressionen gegen alle Oppositionsgruppen und Bewegungen, auch gegen unsere Organisation und gegen die unabhängigen Gewerkschaften. Im Jahr 2015 hat das oberste Gericht die größte Oppositionsgruppe, die Kommunistische Partei Kasachstans, verboten. Die Regierung hat sie verboten, weil sie wusste, dass sie zu einem Zentrum für den Protest werden kann.
Als linke Organisation im Land versuchen wir jetzt, aktiv an den Protesten teilzunehmen, um auch diejenigen wieder zu gewinnen, die in den letzten Jahren nicht mehr mit uns zusammengearbeitet haben, und neue Mitstreiter zu gewinnen. Wir wissen heute nicht, ob die Protestbewegung siegen wird oder nicht. Es ist wichtig, die Freilassung aller politischen Gefangenen und Führer der Bewegung der letzten fünf bis zehn Jahren zu erreichen, die mit konstruierten Vorwänden inhaftiert wurden. Das Recht auf Gründung von Gewerkschaften und Aufbau politischer Parteien und zur Durchführung von Streiks ist besonders wichtig. Die Herrschenden sind bereit, die Ereignisse von Shanaosen im Jahr 2011 zu wiederholen und auf die Menschen zu schießen, mit allen Mitteln gegen die Gewerkschaften und die linken Organisationen vorzugehen. Es ist nötig, eine Massenbewegung gegen diese Repression zu entwickeln. Übrigens ist es nach den Erschießungen in Shanaosen dank der weltweiten massenhaften Solidarität auch seitens der Gewerkschaften und verschiedener politischer Parteien gelungen, dass in den letzten Jahren mehrere Führer aus der Haft entlassen wurden. Es gelang, die Repressionen zu stoppen, und es ist auch jetzt wichtig, die Forderungen der Streikenden zu unterstützen.