Interview mit Stefan Engel
Der Opportunismus als untauglicher Ausweg aus den Krisen der bürgerlichen Gesellschaft
Interview mit Stefan Engel, dem Leiter der Redaktion Revolutionärer Weg (RW) zum Erscheinen des Buchs beziehungsweise des RW 37 unter dem Titel „Die Krise der bürgerlichen Ideologie und des Opportunismus".
Rote Fahne: Anfang Januar 2022 erscheint das Buch „Die Krise der bürgerlichen Ideologie und des Opportunismus“. Was erwartet die interessierten Leser?
Stefan Engel: Dieses Buch ist der zweite Teil unserer vierteiligen Buchreihe unter dem Titel „Die Krise der bürgerlichen Ideologie und die Lehre von der Denkweise“. Es befasst sich mit den verschiedensten Variationen des Opportunismus der heutigen Zeit, die alle vorgeben, Schlussfolgerungen aus verschiedenen Krisen beziehungsweise neuen gesellschaftlichen Problemen zu ziehen. Da alle auf der Grundlage der bürgerlichen Ideologie entstanden sind, werden sie früher oder später ebenso scheitern wie die alten bürgerlichen Ideen, zu denen sie angeblich eine Alternative darstellen.
Der Opportunismus ist eine Strömung in der Arbeiterbewegungseit ihren Anfängen. Seit über 100 Jahren ist sie eine wesentliche Begleiterscheinung des imperialistischen Weltsystems. Lenin kritisierte den „Opportunismus, weil er die grundlegenden Interessen der Bewegung momentanen Vorteilen oder Erwägungen zum Opfer bringt, die auf der kurzsichtigsten, oberflächlichsten Berechnung beruhen“.1 Er hat in der revolutionären Arbeiterbewegung schon viel Schaden angerichtet und konnte den Befreiungskampf der Arbeiterklasse und der unterdrückten Völker zeitweilig stark hemmen. Letztlich ist er zum Scheitern verurteilt, weil er mit der objektiven Wirklichkeit nicht übereinstimmt, nur Illusionen in das kapitalistische Gesellschaftssystem schürt, Ausbeutung und Unterdrückung der Arbeiter verschärft und die Leiden der breiten Massen nur unnötig verlängert. Der Opportunismus verschwindet nicht von allein, weil er durch den Imperialismus ständig neu reproduziert wird. Die in dem Buch entwickelte Polemik gegen den Opportunismus soll helfen, sein reaktionäres Wesen und die Überlegenheit des wissenschaftlichen Sozialismus zu begreifen.
Rote Fahne: Wir stecken mitten in der vierten Welle der Covid-19-Pandemie, die der Welt trotz umfangreicher Impfungen neue Rekordzahlen von Infizierten, Schwerstkranken und an der Pandemie Verstorbenen beschert. Gibt es angesichts dieser dramatischen Entwicklung nichts Wichtigeres als die Befassung mit dem Opportunismus?
Stefan Engel: Auch wenn die übergroße Mehrheit der Bevölkerung dem regierungsamtlichen Aufruf zum Impfen, Abstandhalten und regelmäßigen Testen nachkommt, so gibt es dennoch ein großes Unbehagen gegenüber dem Krisenmanagement der Bundes- und Landesregierungen. Ich spreche jetzt nicht von dem reaktionären und an Absurdität kaum zu überbietenden „Protest“ der sogenannten „Querdenker“, sondern von dem berechtigten Wunsch der Mehrheit der Bevölkerung nach fundierter Aufklärung, rechtzeitigem und geeignetem Schutz vor dem Covid-19-Virus und einem funktionierenden Gesundheitssystem.
Die vierte Welle der Covid-19-Pandemie ist noch gar nicht abgeklungen, da bereitet sich bereits eine fünfte Welle vor. Man hat den Eindruck, dass immer wieder dieselben Fehler und Versäumnisse im Krisenmanagement auftreten, die unnötigerweise Hunderttausende Erkrankungen und Tausende neuer Toter nach sich ziehen. Haben wir es bei der Regierung nur mit einer Zusammenballung von Dummköpfen oder Ignoranten zu tun? Was ist die Ursache für das immer wieder aufs Neue scheiternde Krisenmanagement? Warum will die Regierung immer nur „auf Sicht fahren“, obwohl inzwischen jeder weiß, dass man der Pandemie rechtzeitig energisch entgegentreten kann und muss, bevor sie sich exponentiell ausbreitet und nicht erst, wenn Hunderttausende infiziert wurden und Tausende verstorben sind?
Unser neues Buch befasst sich vor allem mit den weltanschaulichen Grundlagen des desaströsen Krisenmanagements, insbesondere mit dem Neopragmatismus und dem Positivismus. Für den Neopragmatismus gilt das alleinige Kriterium der „unmittelbaren Nützlichkeit“. Das ist nichts anderes als die Rechtfertigung der Unterwerfung der ganzen Gesellschaft unter die Interessen des Kapitals. Auf dieser Grundlage kann kein einziges Problem der Massen gelöst werden. Gemeinsam mit seinem Zwillingsbruder, dem Positivismus, lehnt der Neopragmatismus jede wissenschaftliche Grundlage ab und kann so keine treffenden Prognosen vornehmen, die aber für eine umfassende Prophylaxe in der Bekämpfung der Pandemie im wahrsten Sinne lebensnotwendig wären. Die positivistische Methode von Versuch und Irrtum ist grob fahrlässig, im Fall des
Krisenmanagements zur Covid-19-Pandemie menschenverachtend.
Diese beiden weltanschaulichen Richtungen in der bürgerlichen Ideologie sind Grundlage jedes Krisenmanagements, das heute zur vornehmsten Aufgabe jeder imperialistischen und kapitalistischen Regierung gehört. Der Schwerpunkt des Buches befasst sich ja nicht in erster Linie mit dem Krisenmanagement in der Covid-19-Pandemie. Das wäre auch nicht angemessen, denn es gehört gerade zum bürgerlichen Krisenmanagement, so zu tun, als wäre die Covid-19-Pandemie das einzige Problem, mit dem es die Menschheit heute zu tun hat. Kein Wort wird zum Beispiel verloren über die gegenwärtige Weltwirtschafts- und Finanzkrise, die bereits 2018 begonnen hat. Stattdessen werden die wirtschaftlichen Probleme irreführend und einseitig unter die Covid-19-Pandemie subsumiert.
Auch über den Klassenkampf spricht kaum noch jemand, nur noch über die Auseinandersetzung mit den „Querdenkern“. Wenn man die bürgerlichen Politiker hört, so spaltet sich die Bevölkerung heute in Impfbefürworter und Impfgegner und nicht mehr in erster Linie in Kapitalisten und Arbeiter. Während das kapitalistische Krisenchaos wächst, erleben wir auch eine weitverbreitete weltanschauliche Desorientierung unter den Massen. Jeder politisch denkende und verantwortlich handelnde Mensch muss sich heute die Frage stellen, wie er zu dem weltumspannenden kapitalistischen System steht. Neben aberwitzigem Reichtum produziert es millionenfaches Elend und setzt die Lebensgrundlagen der Menschheit aufs Spiel. Heult man da mit den Wölfen und beerdigt endgültig den Traum von einer befreiten Gesellschaft, nur weil der Sozialismus durch den revisionistischen Verrat in der Sowjetunion oder in China eine zeitweilige Niederlage hinnehmen musste? Oder verhilft man dem gigantischen Fortschritt wissenschaftlicher Erkenntnisse und praktischer Errungenschaften in der gesellschaftlichen Produktion zum Durchbruch gegen den Sog von Pragmatismus und Opportunismus und schließt sich der notwendigen revolutionären Umwälzung der Gesellschaft an?
Rote Fahne: Kannst du für unsere Leser einen Überblick über das Buch geben?
Stefan Engel: Das Buch beginnt mit einer Polemik gegen die Fantasterei des US-amerikanischen Philosophen Francis Fukuyama vom „Ende der Geschichte“. Er brachte nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion 1991 den Wunschtraum der Herrschenden zum Ausdruck, dass der Kapitalismus ein für alle Mal über den Sozialismus gesiegt habe. Das Buch behandelt im Weiteren den Offenbarungseid des Neoliberalismus. Es zeigt den Scherbenhaufen der bürgerlichen Ökonomie anhand des Krisenmanagements der Regierungen in der Weltwirtschafts- und Finanzkrise 2008 bis 2014 auf. Das Buch führt eine grundsätzliche Kritik am von Gerhard Schröder und Tony Blair entwickelten Neoreformismus, dessen Krise in Deutschland seit der Abwahl der Schröder/Fischer-Regierung im Jahr 2005 andauert und sich weiter vertieft hat. Ebenso werden Analyse und Kritik an neuen Varianten des Neorevisionismus fortgesetzt. Dazu gehören die Theorien des Generalsekretärs der Kommunistischen Partei Chinas Xi Jinping, die reaktionäre idealistische „Juche-Theorie“ von Kim Il Sung in Nordkorea ebenso wie der Trotzkismus, der Salonmarxismus oder verschiedene antiautoritäre und anarchistische Theorien im Spektrum der sogenannten „radikalen Linken“.
Mit dem Eroberungsfeldzug der Digitalisierung entstand ein regelrechter Hype um die Digitalisierung. All die damit verbundenen bürgerlichen und kleinbürgerlichen Theorien schaffen neue Illusionen über die kapitalistische Wirklichkeit und stellen sich einer revolutionären Umwälzung des Kapitalismus entgegen. Als notwendig erweist sich eine nüchterne Analyse, wie sich die modernen Produktivkräfte als materielle Vorbereitung des Sozialismus entwickeln und wie sie zugleich im imperialistischen Weltsystem massiv ihre destruktive Wirkung entfalten.
Das Buch weist nach, dass sich alle Varianten des Opportunismus dadurch auszeichnen, vom wissenschaftlichen Sozialismus abzurücken, den dialektischen und historischen Materialismus zu verfälschen oder gar abzulehnen sowie den revolutionären Klassenkampf und die führende Rolle der Arbeiterklasse dabei geringzuschätzen oder gar zu leugnen. Die Arbeiterklasse und die breiten Massen müssen lernen, all diese opportunistischen Formen der bürgerlichen Ideologie zu durchschauen. Ohne mit den wesentlichen Spielarten des Opportunismus fertigzuwerden, wird es keinen neuen Aufschwung im Kampf um den Sozialismus geben.
Rote Fahne: Bei den Bundestagswahlen im September 2021 konnten sich die SPD und die Grünen wieder ein Stück weit erholen und gemeinsam mit der FDP eine neue Regierung bilden. Ist das schon das Ende der Krise des Reformismus?
Stefan Engel: Die Halbwertszeit aller Versuche, den Reformismus mit neuen Varianten wiederzubeleben, wird immer kürzer. Auch die von der neuen Regierung in großen Worten verkündete „sozial-ökologische Transformation“, die momentan noch bestimmte Hoffnungen unter den Massen weckt, wird an der Wirklichkeit des Imperialismus zerschellen. Im Koalitionsvertrag gibt es keine Option zur Verhinderung des rasanten Umschlags in die globale Umweltkatastrophe und keine entsprechend dringenden und drastischen Sofortmaßnahmen. Stattdessen stellt die Ampel-Regierung vage eine sogenannte „Klimaneutralität“ bis 2045 in Aussicht, nach der sich angeblich Ausstoß von Treibhausgasen und Ausgleichmaßnahmen die Waage halten sollen. Zynisch wird auf EU-Ebene sogar diskutiert, dass Atomkraft zu den nachhaltigen Energien gezählt werden soll.
Wie die Regierung gegen das bedrohliche Ozonloch, das die Ernährungsgrundlage der Menschheit infrage stellende Artensterben, die Abholzung der tropischen Regenwälder, die zunehmende atomare Verseuchung der Welt, den rasanten Raubbau an den natürlichen Ressourcen sowie die dramatische Verschmutzung und Vermüllung ganzer Landschaften und das Umkippen der Meere, die immerhin den Großteil des Sauerstoffs auf der Welt produzieren, vorgehen will – davon ist keine Rede. Der Umweltschutz dient den Regierungsparteien lediglich zur Wahlkampfstrategie und als Legitimation für ein aus Steuergeldern subventioniertes Investitionsprogramm als sprudelnde Profitquelle für das Finanzkapital. Mehr kann die neue Regierung auch nicht bieten, denn konsequenter Umweltschutz ist mit der Aufrechterhaltung des imperialistischen Weltsystems und seiner Produktionsweise nicht vereinbar. Der Kapitalismus lässt sich nicht „transformieren“, weil seine Gesetzmäßigkeiten nicht beliebig aufgehoben werden können. Das muss und wird auch die kämpferische Jugendumweltbewegung begreifen und sich mit Hilfe unserer Kleinarbeit dem wissenschaftlichen Sozialismus zuwenden.
Rote Fahne: Im neuen Buch gibt es auch den Abschnitt „Renaissance faschistischer Ideologien auf neuer Grundlage“ und einen Abschnitt zu den „Verschwörungstheorien“.
Wie passen solche offen reaktionären Richtungen in das Buch, das sich hauptsächlich mit dem Opportunismus befasst?
Stefan Engel: Der Neofaschismus und die faschistoiden Verschwörungstheorien gehören natürlich nicht zum Opportunismus. Es geht in dem Buch darum, dass man dem Aufkommen des Neofaschismus nicht mit Opportunismus begegnen kann. Die „Querdenker“-Bewegung, die maßgeblich von den Neofaschisten organisiert und geprägt ist, kann nur deshalb unter der Masse der Esoteriker, Impfgegner und anderen kleinbürgerlichen Schichten fischen, weil diese Leute keinen prinzipiell antifaschistischen Standpunkt einnehmen. Natürlich ist es legitim, das Krisenmanagement der Regierung zu kritisieren. Aber nicht jede Kritik ist fortschrittlich und nützt der Arbeiterbewegung.
An der Seite von Faschisten gegen die Regierung zu marschieren, ist grundsätzlich zu verurteilen und zu bekämpfen.
Die MLPD hat einen ausnehmend kritischen Standpunkt zum Krisenmanagement der Bundesregierung in der Covid-19-Pandemie. Es nützt ausdrücklich den herrschenden internationalen Monopolen, wälzt die Lasten der Pandemie auf die breiten Massen ab und schränkt ihre bürgerlich-demokratischen Rechte und Freiheiten ein. Wir vertreten einen Nullcovid-Standpunkt, weil wir der Meinung sind, dass jede Covid-Infektion, jeder Covid-Tote vermieden werden muss. Es ist doch zynisch zu sagen, wir lassen Infektionszahlen so weit zu, wie es Betten in den Intensivstationen gibt, wohl wissend, dass dies das Todesurteil für Zehntausende Menschen ist. Wir haben keinerlei Verständnis für eine solch menschenfeindliche Politik, weil wir weltanschaulich den Interessen der Arbeiterklasse und der breiten Masse der Bevölkerung verpflichtet sind und nicht der Profitmaximierung der herrschenden Monopole. Es hat weltanschauliche Ursachen, warum Verschwörungsmythen sogar bis hinein in die Arbeiterbewegung Verwirrung stiften können. Demnach sei Covid-19 nicht mehr als eine Grippe. Eine „globale Finanzelite“ habe die Covid-19-Pandemie bewusst inszeniert, um mit einem arrangierten „Neustart“ die ganze Menschheit zu versklaven. Als ob wir nicht längst in einem imperialistischen Weltsystem leben würden, indem eine kleine Gruppe des internationalen Finanzkapitals ihre Alleinherrschaft über die ganze Gesellschaft ausübt.
Es liegt nicht gleich auf der Hand, warum Menschen, die wir bisher als fortschrittlich erlebt haben, sich so abstruse Konstrukte zu eigen machen können. Die verbreitete Ansicht, „denen da oben ist alles zuzutrauen“, beruht zweifellos auf den Erfahrungen der Massen. Die kleinbürgerlich-opportunistische Denkweise erzeugt aber die Bereitschaft, solchen Verschwörungsmythen zu folgen. Hinzu kommt, dass die „Querdenker“-Bewegung die in der heutigen Gesellschaft sehr verbreitete kleinbürgerlich-
individualistische Denkweise anspricht, nach der die „Freiheit“ des Menschen darin besteht, zu tun und zu lassen, was man will.
Die revolutionäre Arbeiterbewegung und der wissenschaftliche Sozialismus haben einen anderen Freiheitsbegriff. Sie gehen davon aus, dass die Freiheit vor allem in der Einsicht in die Notwendigkeit besteht. Und wenn die Arbeiterklasse nun mal ihre Freiheit zu streiken, zu demonstrieren, sich zu versammeln und sich und ihre Familien möglichst gesund zu halten, nur dadurch gewinnen kann, sich impfen zu lassen, dann hat sie auch keinerlei Probleme mit einer allgemeinen Impfpflicht. Nur mit einem klaren proletarischen Klassenstandpunkt kann man zwischen einer berechtigten Kritik an der Regierung und reaktionärer bis faschistischer Demagogie unterscheiden.
Rote Fahne: Das Buch erscheint acht Monate nach dem ersten Band „Die Krise der bürgerlichen Ideologie und des Antikommunismus“. Das ist ein relativ kurzer Zeitraum.
Stefan Engel: Wir haben jahrelang an allen vier Bänden gleichzeitig gearbeitet. Deshalb handelt es sich bei den letzten acht Monaten lediglich um die Fertigstellung des zweiten Bands und nicht um den Zeitraum für die gesamte Ausarbeitung. Es ist für die Verbreitung, Aneignung und Diskussion ein gewisser Vorteil, wenn man jede Nummer
einzeln herausgibt. Als Nachteil kann es sich erweisen, wenn dadurch der innere Zusammenhang der vier Bände verloren geht. Deshalb ist es notwendig, den Abstand der Herausgabe für die Einzelbände möglichst kurz zu halten. Zuletzt erschien ja das Buch „Die Krise der bürgerlichen Ideologie und des Antikommunismus“. Zwischen Antikommunismus und Opportunismus besteht ein enger Zusammenhang. So speist sich der Opportunismus in der „linken Bewegung“ heute wesentlich aus dem Zurückweichen, der Leisetreterei, der Anpassung – sprich dem Opportunismus gegenüber dem Antikommunismus.
Rote Fahne: Das neue Buch legt sich mit einer Reihe von Philosophen und Politikern an, die von Bündnispartnern zum Teil hoch geschätzt werden. Sollte nicht im Sinne der Bündnisarbeit solch eine weltanschauliche Auseinandersetzung zurückgestellt werden?
Stefan Engel: Proletarische Bündnisarbeit, sei es in einer Aktionseinheit oder bei der Arbeit in überparteilichen Selbstorganisationen, sollte immer auf der Grundlage des gemeinsamen Kampfs, der Überparteilichkeit, der finanziellen Unabhängigkeit und der weltanschaulichen Offenheit stattfinden. Darunter ist nicht zu verstehen, dass ideologische oder politische Widersprüche unter den Teppich gekehrt werden. Vielmehr bieten die praktische Zusammenarbeit und das dadurch entstehende Vertrauensverhältnis die besten Möglichkeiten, strittige Fragen einvernehmlich zu klären.
Im Buch heißt es dazu:„Die Bündnisarbeit mit vielen der in diesem Buch kritisierten Strömungen muss die Dialektik von Einheit im gemeinsamen Kampf und Bewahrung der weltanschaulichen und politischen Selbständigkeit entfalten.“ Wir setzen uns zum Beispiel kritisch mit Abdullah Öcalan auseinander, der die Illusion eines „demokratischen Konförderalismus“ propagiert und zugleich den „Marxismus- Leninismus als gescheitert“ verunglimpft. Da dieser „demokratische Konföderalismus“ ohne Systemveränderung vonstattengehen soll, setzt das natürlich voraus, dass das herrschende internationale Finanzkapital freiwillig und friedlich auf seine unumschränkte Macht verzichtet. Dass so etwas in einem bis an die Zähne bewaffneten imperialistischen Weltgefüge nicht funktioniert, hat die Geschichte längst bewiesen. Warum sollten wir mit unserer Kritik daran hinter dem Berg halten? Unsere aufrichtige Solidarität mit dem kurdischen Befreiungskampf kann nicht als unkritische Übernahme falscher Ansichten gedeutet und praktiziert werden. Nur auf Grundlage der prinzipiellen, weltanschaulichen Auseinandersetzung kann auch das strategische Bündnis der Arbeiterklasse mit den kleinen und mittleren Bauern und den kleinbürgerlich-intellektuellen Zwischenschichten vorbereitet werden.
Bündnisse, die auf eine solche Auseinandersetzung verzichten und auf opportunistischer Anpassung an falsche Ansichten beruhen, haben hingegen keine Zukunfts- und Erfolgsperspektive. Diese Erkenntnis ist insbesondere auch für die Jugend wichtig, weshalb wir das Buch erstmals auf der Lenin-Liebknecht-Luxemburg-Demonstration im Januar in Berlin der Öffentlichkeit vorstellen werden.
Rote Fahne: Vielen Dank für das Interview und herzlichen Glückwunsch zum neuen Buch!