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Chef­arzt der In­fek­tio­lo­gie an der Mün­chen Kli­nik Schwa­bing positioniert sich für Impfpflicht

Die neue Virus-Variante Omi­kron setzt sich immer mehr durch und lässt die Zahl der Corona-Neuinfektionen rasant ansteigen. Bringt da die Impfpflicht, zu der sich Bundesregierung und Bundestag immer noch nicht durchringen können, überhaupt noch etwas?

Dr. Clemens Wendtner - Interviewauszüge
Chef­arzt der In­fek­tio­lo­gie an der Mün­chen Kli­nik Schwa­bing positioniert sich für Impfpflicht
Foto: Tim Reckmann / Flickr

Die Süddeutsche Zeitung hat heute in ihrem Münchner Lokalteil ein Interview mit Cle­mens Wendt­ner, Chef­arzt der In­fek­tio­lo­gie an der Mün­chen Kli­nik Schwa­bing, veröffentlicht. Er erklärt darin, war­um er seine Hoff­nung trotz Durch­bruchs­in­fek­tio­nen auf die Imp­fung setzt und dass aus sei­ner Sicht die Boos­ter-Imp­fung zur Grund­im­mu­ni­sie­rung ge­hört.

 

"Die Imp­fung schützt bes­ser vor Omi­kron als ur­sprüng­lich nach ers­ten La­bor­da­ten ge­dacht. Die La­bor­da­ten, die Sie (die Interviewerin, Anmerkung der Red.) mei­nen, hat die Vi­ro­lo­gin San­dra Ci­e­sek im NDR-Co­ro­na-Pod­cast vor­ge­stellt, und sie wa­ren ver­nich­tend. Ja, da hat­te die Wis­sen­schafts­ge­mein­schaft erst­mal ei­nen klei­nen Schock er­lebt. Null Pro­zent neu­tra­li­sie­ren­de An­ti­kör­per bei dop­pelt Ge­impf­ten ge­gen die Omi­kron-Va­ri­an­te und nur 25 Pro­zent nach ei­nem Boos­ter: Die­se Da­ten ha­ben sich aber kli­nisch nicht be­stä­tigt. Man weiß mitt­ler­wei­le, dass durch die drei­fa­che Imp­fung ein Schutz von et­wa 70 Pro­zent ge­gen die In­fek­ti­on mit der Omi­kron-Va­ri­an­te be­steht. Das ist nicht nichts. Das hei­ßt, selbst die Erst­ge­ne­ra­ti­ons­impf­stof­fe wir­ken ge­gen ei­ne Va­ri­an­te mit vie­len Mu­ta­tio­nen wie Omi­kron. Und zwar bes­ser, als bei­spiels­wei­se die Impf­stof­fe ge­gen die Grip­pe, da ha­ben wir nur et­wa 50 Pro­zent Wir­kungs­grad. Und vor schwe­ren Omi­kron-Ver­läu­fen schützt die Drei­fach-Imp­fung in­klu­si­ve Boos­ter laut neus­ter Stu­di­en­la­ge zu 88 Pro­zent. Es geht da­bei um die gän­gi­gen mRNA-Impf­stof­fe von Biontech/Pfi­zer und Mo­der­na und auch um den Impf­stoff von As­tra-Ze­ne­ca. ...

 

Aus in­fek­tio­lo­gi­scher Sicht kann ich die­se Fra­ge (die Frage, ob eine Impfpflicht jetzt überhaupt noch etwas bringt, d. Red.) ein­deu­tig mit Ja be­ant­wor­ten. Für den in­di­vi­du­el­len Schutz macht es Sinn, weil man ja gut vor schwe­ren Ver­läu­fen ge­schützt bleibt. Und auch zur Eta­blie­rung ei­nes Schut­zes in der Ge­sell­schaft macht es wei­ter­hin Sinn. (...) Je mehr ge­impft sind, des­to mehr In­fek­ti­ons­ket­ten kön­nen un­ter­bro­chen wer­den. Ich könn­te mir ei­ne Impf­pflicht für drei Imp­fun­gen ge­folgt von Boos­ter-Imp­fun­gen mit ei­ner zeit­li­chen Be­fris­tung von ein bis zwei Jah­ren gut vor­stel­len. Da­nach müss­te man die Din­ge er­neut be­wer­ten. ... Aus mei­ner Sicht muss man den Be­griff jetzt auf drei Imp­fun­gen aus­wei­ten. Das ist nichts Neu­es, wir ken­nen das bei­spiels­wei­se von der FSME-Imp­fung. In Is­ra­el hat man be­reits nach vier Mo­na­ten das Ge­sund­heits­per­so­nal und die al­te Be­völ­ke­rung viert­ge­impft – und da­mit die An­ti­kör­per im­mer­hin um das Fünf­fa­che stei­gern kön­nen. Es ste­hen al­ler­dings noch Ana­ly­sen aus, wie lan­ge der Impf­schutz an­hält und wie hoch die Ra­te der Durch­bruchs­in­fek­tio­nen ist. ... Die Stra­te­gie ei­ner Durch­seu­chung ist für mich ein No-Go. Da­zu wis­sen wir zu we­nig über die Fol­gen et­wa von Long Co­vid und auch über die aku­te und lang­fris­ti­ge Ge­fähr­lich­keit der Omi­kron-Va­ri­an­te. Die en­de­mi­sche Pha­se wird erst kom­men, wenn wir ei­ne aus­rei­chen­de Kon­trol­le des In­fek­ti­ons­ge­sche­hens durch ei­ne Imp­fung ha­ben."