PKK-Verfahren
Leipziger Skandalurteil gegen Mesopotamien Verlag
Am 1. Februar 2019 hat das Bundesministerium des Inneren den Mesopotamien Verlag sowie die MIR Multimedia GmbH verboten. Am 26. Januar 2022 wurde die Klage der beiden Firmen gegen das Verbot vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig verhandelt.
Vorangegangen waren dem Verbot brachiale Hausdurchsuchungen und komplette Beschlagnahmung des Vermögens der beiden Firmen. Selbst vor Musikinstrumenten der von der Agentur vertretenen Künstlerinnen und Künstler wurde dabei nicht Halt gemacht. LKWs wurden gestoppt und deren Inhalt beschlagnahmt. Um das Verbot zu begründen, wurde der Begriff der „nichtgebietlichen Teilorganisation der PKK“ geprägt. Was das Bundesministerium vor Gericht vorlegte, war allerdings ein dünnes, übelriechendes Süppchen.
Das Verbotsverfahren nach dem Vereinsrecht wurde von den Anwälten der Verlage überhaupt infrage gestellt. Immerhin handelt es sich nicht um Vereine, sondern um jeweils Ein-Personen-GmbHs. Darüber ging das Ministerium flockig hinweg, mit der Begründung, beide Betriebe hätten ja auch eine Belegschaft gehabt. Und wenn man die dazu zählt, könne man schon von einem Verein sprechen.
Dokumentiert war das ganze Verfahren ausgesprochen schlampig. Gerade das Bundesministerium des Inneren sollte doch Speerspitze bzw. Leuchtfeuer einer ordentlichen Aktenführung sein, so der Vorsitzende Richter des 6. Senats, Prof. Dr. Kraft. Eine solche Akte, die keine Seitennummerierung (Paginierung) hat, weder vollständig noch abgeschlossen ist, würde in Bayern, wo Kraft sein Handwerk gelernt hat, ungelesen zurückgesandt. Das schrieb der Jurist den Anwälten des Ministeriums ins Stammbuch.
Es blieb nicht die einzige Peinlichkeit, derer das Bundesinnenministerium (BMI) am 26. Januar überführt wurde. Der Vorwurf, dass es eine Weisungsbefugnis zwischen den beiden kurdischen Verlagen und der PKK-Führung gegeben habe, löste sich in Wohlgefallen auf. Konnte doch weder eine einzige Weisung benannt werden, noch ein Weg, über den diese Weisungen erfolgt sein sollen. Es blieb lediglich die Behauptung einer potentiellen Weisungsbefugnis übrig. Wenig überzeugend war auch der Vorwurf, die Verlage hätten nur dank regelmäßiger Zahlungen des Wirtschaftsbüros der PKK wirtschaftlich überleben können. Denn gleichzeitig wurde den Verlagen vorgeworfen, die PKK mit ihrer Tätigkeit zu finanzieren. Was von den beiden sich widersprechenden Vorwürfen denn nun zutreffend sei, konnten die renommierten Anwälte der für das Ministerium tätigen Kanzlei Redeker, Sellner, Dahs nicht beantworten.
Gestützt auf Dossiers des Inlandsgeheimdienstes warfen sie sämtlichen Mitarbeitern der Verlage („den Vereinsmitgliedern“) vor, PKK-Aktivisten zu sein. Interessant war, dass der Inlandsgeheimdienst als Begründung für die PKK-Aktivität die Arbeit in den Verlagen angab. Ein wahrhaft beeindruckender Zirkelschluss: die Verlage müssen verboten werden, weil dort Mitglieder der PKK arbeiten. Deren Mitgliedschaft in der PKK wird wiederum mit der Tätigkeit in diesen Verlagen „bewiesen“. Einer der Mitarbeiter soll sogar "Gebietsverantwortlicher" der PKK gewesen sein, so das Bundesinnenministerium. Allerdings konnte dafür keinerlei Beleg, noch nicht einmal eine Ermittlung und schon gar kein Urteil vorgelegt werden. "Normal" ist in Deutschland die umgehende Inhaftierung mutmaßlicher Gebietsleiter. Letztlich folgt die antikommunistische Logik des Ministeriums vollständig der Denkweise des faschistischen türkischen Staates: Jeder, der sich nicht aktiv und lautstark von der PKK distanziert, ist ihr zuzurechnen.
Umso bedenklicher, dass sich der 6. Senat des Bundesverwaltungsgericht nach bis in den Abend andauernden Beratungen dieser Gesinnungsverfolgung des Ministeriums anschloss. Es bestätigte das Verbot der beiden Vereine. Kompromissvorschläge der Anwälte der Verlage, ob es denn nicht verhältnismäßig und ausreichend wäre, gegebenenfalls Teile des Verlagsprogramms zu verbieten, wurden damit auch ausgeschlagen. Trotz Regierungswechsel wurde damit die ultrareaktionäre Linie des ehemaligen Bundesinnenministers Horst Seehofer (CSU) letztinstanzlich bestätigt. Nachdem alle wesentlichen Behauptungen des Ministeriums nicht belegt werden konnten, legte das Gericht das „Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse“ seiner Entscheidung zugrunde. Damit wird nach den Münchner Skandalurteilen gegen türkische und kurdische Kommunisten, die rein aufgrund ihrer Weltanschauung zu langjährigen Haftstrafen verurteilt wurden, ein weiterer Präzedenzfall geschaffen, der staatlicher Willkür Tür und Tor öffnet.
Über mehrere Stunden hatten mehrere Dutzend kurdische und deutsche Unterstützerinnen und Unterstützer bei Temperaturen um den Gefrierpunkt vor dem Gericht eine Mahnwache abgehalten. Sie waren aus Jena, Erfurt, Berlin, Magdeburg und Leipzig gekommen. Juliane Nagel, Abgeordnete der Linkspartei im Sächsischen Landtag, war zeitweise mit vor Ort. Genossen der MLPD überbrachten die Solidarität, namentlich auch der Hauptkoordinatorin der revolutionären Weltorganisation ICOR, Monika Gärtner-Engel. Das wurde von den anwesenden Aktivisten begrüßt. Interesse gab es auch in der kritischen Auseinandersetzung der MLPD mit der Theorie des "demokratischen Konföderalismus", die in dem neuen Buch "Die Krise der bürgerlichen Ideologie und des Opportunismus" von Stefan Engel enthalten ist.
Von dieser Kritik unbenommen ist die uneingeschränkte Solidarität mit dem kurdischen Befreiungskampf seitens der MLPD – nach diesem Urteil erst recht, auch gegen die Unterdrückung in Deutschland.