Prozess gegen die Knappschaft

Prozess gegen die Knappschaft

Skandalurteil des Landessozialgerichts NRW im Fall Christian Link

Seit dem Jahr 2011 klagt der Sprecher der Bergarbeiterbewegung Kumpel für AUF, Christian Link, gegen eine dreiste Rentenkürzung der Knappschaft. Seit also nunmehr elf Jahren! Inzwischen ist er 55 Jahre alt und hätte längst Anspruch darauf, in die Anpassung zu gehen. Das kann er aber nicht entscheiden, denn die Auskunft über sein Rentenkonto ist gesperrt, so lange der Prozess läuft.

Von Korrespondenz aus Gelsenkirchen
Skandalurteil des Landessozialgerichts NRW im Fall Christian Link
Christian Link informiert 2018 bei einer Kundgebung in Bottrop über Giftmüll unter Tage (rf-foto)

Der Prozess in dieser Sache, der am Dienstag, dem 1. Februar, vor dem Landessozialgericht in Essen stattfand, ist der fünfte Prozess im zweiten Durchgang. Konkret geht es darum, dass Christian Link 2011 ein Bescheid der Knappschaft ins Haus flatterte, in dem ihm die Krankenkasse mitteilte, dass er vier Jahre Knappschaftsrentenpunkte abgezogen bekommt und für diesen Zeitraum nur in der gesetzlichen Rentenversicherung geführt wird. Begründung: Weil er in diesen vier Jahren von der Arbeit unter Tage auf den Posten des Maschinenführers gewechselt war.

 

Seit seinem fünfzehnten Lebensjahr ist Christian Link Bergmann, 25 Jahre unter Tage, mit gefährlichen Arbeiten im Streckvortrieb und Schachtausbau. Doch jetzt werden ihm seine knappschaftlichen Rechte beschnitten, die den Bergleuten entsprechend ihrer harten und lebensgefährlichen Arbeit zustehen. Das Argument: Christian Link arbeitet bei Deilmann und Haniel und da dieser Konzern nicht nur im Bergbau tätig ist, zählt er nicht als knappschaftlicher Betrieb. In Arbeitnehrmerüberlassung wurde er - wie viele seiner Kollegen – bei der RAG (Ruhrkohle AG) tätig - sein Leben lang. So lange er unter Tage arbeitete, fiel er trotz seinem Arbeitsvertrag bei einem nicht knappschaftlichen Betrieb unter die Knappschaftsrechte. Was auch vollkommen berechtigt ist: Es kann ohnehin nicht akzeptiert werden, dass Arbeiter in Arbeitnehmerüberlassung weniger Rechte haben sollen, als die Bergleute, die bei der RAG direkt angestellt waren.

Die Knappschaft begründete ihre Attacke damit, dass:

  1. Christian Link nicht in einem knappschaftlichen Betrieb arbeitet und
  2. Seine Tätigkeit als Maschinenführer keine knappschaftliche Tätigkeit sei. Dabei stützte sie sich auf eine Liste knappschaftlicher Tätigkeiten aus dem Jahr 1933, die ohne Prüfung und Weiterentwicklung ins Bundesgesetzbuch übernommen worden waren. Diese Liste war damals von der Bergarbeiterbewegung erstritten worden, um Kumpel zu schützen, die über Tage auf den Bergwerken waren, oder solche, die damals schon nicht zum Stammpersonal der Zeche gehörten. Der Maschinenführer war damals nicht in der Liste aufgeführt, weil dieser grundsätzlich von der Zeche direkt angestellt war, also automatisch knappschaftlich geschützt war und es so etwas wie eine Arbeitnehmerüberlassung nicht gab. Es war also nicht notwendig diesen Beruf in die Liste aufzunehmen.

 

Einen Großteil der in der Liste von 1933 aufgeführten Berufe gibt es heute gar nicht mehr. Auf dieser Grundlage in der heutigen Zeit eine Gesetzgebung zu machen, ist völlig daneben und es war ein Fehler der Bundesgesetzgebung, dass sie die Liste ohne Aktualisierung ins Gesetzbuch aufnahm. Eigentlich sollten Richter und Gerichte dafür da sein, Recht und Gesetz entsprechend der Veränderungen in der Wirklichkeit weiterzuentwickeln. Im Kapitalismus sind sie aber vor allem dazu da, die Interessen der Konzerne zu wahren und zu schützen.

 

Entsprechend entwickelte sich im Verlauf der Jahre ein heftiger Kampf um die Klage von Christian Link auf seine knappschaftlichen Rechte. Die Knappschaft klagte nach mehreren Prozessen, die Christian Link Recht gegeben hatten, 2015 erneut und es kam zum Prozess vor dem Bundessozialgericht in Kassel im Jahr 2015. Auch dort bekam Christian Link Recht – allerdings drückte sich das Gericht vor einer inhaltlichen Positionierung und gab der Klage wegen eines formellen Fehlers in dem Rentenbescheid der Knappschaft statt.

 

Wer nun dachte, die Sache sei gewonnen, täuschte sich. Der Prozess ging in die zweite Runde. Wieder erhielt Christian Link vor dem Sozialgericht Gelsenkirchen Recht. Doch die Knappschaft gab keine Ruhe und brachte das ganze erneut vor das Landessozialgericht.

 

Vor dem Prozess trafen sich Mitstreiter und Freunde von Christian Link, sowie Vertreter des Wahlbündnisses AUF Gelsenkirchen und der MLPD und organisierten den Protest. „Recht haben und Recht bekommen sind bekanntlich zweierlei Dinge. Um so wichtiger dass der Kläger und seine Unterstützer mit langem Atem bei der Sache sind und um ihre Rechte streiten“, betonten sein Rechtsanwalt Peter Weispfenning und Christiane Link, Frau von Christian Link und Vertreterin der MLPD: „Denn wir leben im Kapitalismus und da herrschen Monopole wie die RAG auch über die Gesetzgebung und die Medien, da gibt es eine Klassenjustiz und darum muss der Kampf vor den Gerichten auch durch den Klassenkampf ergänzt werden. Nur in einem Staat, in dem die Arbeiter selbst herrschen, werden sie auch auf Dauer ihre Rechte durchsetzen können.“

 

Als hätten sie geahnt, was dann kam. Bereits in der Einführung in den Prozess deutete der Richter an, dass er die Entscheidung seines Vorgängers infrage stellt und sie für eine sehr weitläufige Interpretation der bestehenden Gesetze hält. Zum Schluss fällte er zusammen mit seinen zwei weiteren Richtern und Schöffen das Urteil, dass die Klage von Christian Link abzuweisen ist. Das ging durchaus nicht kampflos vonstatten und die Richter waren offensichtlich zerstritten. Zweimal zogen sie sich länger zur Beratung zurück. Die Argumente waren dünn und fadenscheinig. „Es könne hier nicht nach der Tätigkeit von Christian Link gehen, sondern einzig und allein um die Frage, mit wem er ein Beschäftigungsverhältnis habe. Und das sei Deilmann und Haniel und diese ein nichtknappschaftlicher Betrieb.“ Damit kippte der Richter das völlig richtige Urteil seines Vorgängers. Zu dem Einwand, dass Christian Link aber eine knappschaftliche Tätigkeit ausführt, sagte er nur: „Das steht nicht in der Liste von 1933. Diese zu ändern ist nicht meine Aufgabe als Richter, das muss die Bundesgesetzgebung machen!“

 

Peinlich oder? Der Richter hatte nicht den A... in der Hose, das zu tun, was richtig ist, und suchte statt dessen ein formelles Schlupfloch um den Interessen der Knappschaft und auch der RAG zu dienen, die Christian Link seit Jahren als Vertreter der kämpferischen Bergarbeiterbewegung in Deutschland unterdrückt.

 

Die Konsequenz: Hier ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. Wir kämpfen weiter – und gehen bis zum Bundessozialgericht, denn hier geht es nicht nur um die Person von Christian Link – sondern um die Interessen Hunderter Kumpel. Glück AUF!