Großes Medienecho

Großes Medienecho

Der Maler Gerhard Richter wird heute 90 Jahre alt

Warum werden Bilder des „bescheidenen Weltstars“ (1) so hoch gehandelt? Der Spiegel zählt Richter „ … zu den bedeutendsten und teuersten Gegenwartskünstlern weltweit.“ (2) Zu den teuersten sicher, aber auch zu den bedeutendsten?

Von cw / js
Der Maler Gerhard Richter wird heute 90 Jahre alt
Das von Gerhard Richter geschaffene Kirchenfenster im Kölner Dom bei Nacht (Foto: frei)

Anlässlich seines 90. Geburtstags gibt es jede Menge Lob in Artikeln, Fernsehsendungen. Für MDR KULTUR ist das Datum Anlass, ein Multimedia-Projekt zur Kunstgeschichte Deutschlands in Ost und West zu eröffnen.

 

Richter wurde am 9. Februar 1932 in Dresden geboren. Er erhielt in der DDR eine gute Ausbildung als Kunstmaler. Kurz vor dem Mauerbau 1961 wechselte er nach Westberlin und dann ins Ruhrgebiet. Vorher hatte er alle seine Bilder vernichtet – seine klare Absage an die DDR und an den sozialistischen Realismus. Zeitgleich wurde in der Bundesrepublik Deutschland (BRD), so charakterisiert Stefan Engel in "Die Krise der bürgerlichen Ideologie und des Antikommunismus" die Entwicklung, "dem Antikommunismus ein modernes, pluralistisches, wissenschaftlich und demokratisch maskiertes Gesicht“(3) verpasst. Der Hitler-Faschismus wurde verharmlost und die gesellschaftliche Situation in der DDR während der Anfangsjahre mit Ansätzen des sozialistischen Aufbaus und nach der Restauration des Kapitalismus ab 1956 mit der Hitler-Diktatur gleichgesetzt.

 

Richtig aufmerksam wird die Kunstszene in der BRD auf Gerhard Richter 1988, als er Fotos von Mitgliedern der Rote Armee Fraktion (RAF) wie Ulrike Meinhof, Andreas Baader und anderen sehr realistisch in sanft-weichen Tönen mit bedeckten Farben abmalt – wie unscharfe Porträtfotos. Die massenverachtende kleinbürgerlichen Denkweise und der individuelle Terror der RAF gegen Repräsentanten wurden seit Mitte der 1970er Jahren von Regierung und Staat genutzt, um eine umfassende antikommunistische Hetzkampagne gegen die gesamte Linke zu entfalten. Richters Bilder der gescheiterten RAF-Attentäter wurden in Frankfurt am Main 1991 ausgestellt. Sie erhielten ein großes Medienecho und landeten 1995 für 3 Millionen Dollar im New Yorker Museum of Modern Art (MOMA).

 

In den folgenden Jahren geht Richter den Weg weiter zur unverbindlichen, abstrahierenden Form. Seine Bilder sind fast immer sehr dekorativ, meistens großformatig und bestens geeignet für Foyers oder große Sitzungssäle von Banken und Konzernen. Eine Besonderheit ist das von ihm erstellte Kirchenfenster im Kölner Dom, das auch abstrakt ist und sich in die schöne, ruhige Stimmung einfügt.

 

2014 malt Richter seine vier „Birkenau“-Bilder - dermaßen abstrakt, dass man nichts mehr darauf erkennen kann. Nur durch den Titel erfährt man, dass „Birkenau“ ein Vernichtungslager der Faschisten war. Sicher, Richter ist Antifaschist, aber eben auch im antikommunistischen Sinne nutzbar für die herrschende Meinung und den „westlichen“ Kunstmarkt. Richters Förderer und Nutznießer haben es geschafft, ihn mit seinen Formen und diesen „brauchbaren“ Inhalten auf dem Kunstmarkt zu platzieren und sich damit auch eine goldene Nase zu verdienen. Die Überakkumulation des Kapitals wirkt natürlich auch auf dem Markt der Kunst. Private Museen sind teilweise verkommen zu Schaubuden für Spekulation (4). Kunst als Spekulationsobjekt und als Ausdruck der kleinbürgerlichen Denkweise – in diesem Sinn gehört Gerhard Richter tatsächlich zu den Bedeutendsten.