Warum ermittelt nicht längst die Staatsanwaltschaft?

Warum ermittelt nicht längst die Staatsanwaltschaft?

Skandal um sexuelle Gewalt in den Bistümern der katholischen Kirche vertieft sich

Josef Ratzinger - alias Papst Benedikt XVI. - musste dieser Tage angesichts erdrückender Fakten und der breiten Empörung vieler Katholiken kleinlaut zugeben, dass er bei Veröffentlichung des Gutachtens der Anwälte Westpfahl - Spilker - Wastl zum Missbrauch im Erzbistum München und Freising dreist gelogen hatte. Er behauptete damals frech, an einer Sitzung, bei der über den sexuellen Missbrauch durch den Priester Peter H. gesprochen wurde, nicht teilgenommen zu haben.

Von gs
Skandal um sexuelle Gewalt in den Bistümern der katholischen Kirche vertieft sich
Aktion der Giordano-Bruno-Stiftung vor dem Kölner Dom 2021

Dieser war zuvor bereits mehrfach wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern im Bistum Essen aufgefallen. Trotz Diskussion dieser Frage in Anwesenheit von Ratzinger, im Protokoll ausdrücklich festgehalten, wurde der Priester nach seiner Versetzung in München weiter als Seelsorger eingesetzt und missbrauchte erneut Kinder. Ratzingers nun nachgeschobene „Entschuldigung“ und sein „Bitten um Verzeihung“, nach dem Motto „wir sind ja alle Sünder“ war als Flucht nach vorne gedacht, wirkte allerdings als Brandbeschleuniger. Er ließ doch zugleich getreu dem Motto der berüchtigten drei Affen (nichts sehen, nichts sagen, nichts hören) über seine Anwälte mitteilen, von den Missbrauchsvorwürfen gegen den Priester, trotz Teilnahme an dieser Sitzung nichts mitbekommen zu haben. Vielleicht hat er ja selig geschlafen?

 

Diese dummdreiste Verhöhnung führte zu einer weiteren Welle der Empörung und vertieft die existenzielle Krise der katholischen Kirche. Standesämter in Bayern mussten zum Teil bereits ihre Öffnungszeiten erweitern und neue Leute einstellen, um die sprunghaft anwachsende Welle von Kirchenaustritten zu bewältigen. Selbst der Kirchenrechtler Thomas Schüller distanziert sich: „Benedikt spreche zwar von Fehlern und Vergehen, aber er rechne sie sich nicht selbst an. ... Vor allem ziehe er keine persönlichen Konsequenzen, außer sich der barmherzigen Liebe Gottes anzuempfehlen.“ Das ist einer kritischen Öffentlichkeit nicht zuzumuten und eine weitere Verhöhnung der Missbrauchsopfer.

 

Zwischen 1945 und 2019 sind allein in München und Freising 497 Kinder und Jugendliche von mindestens 173 Priestern und neun Diakonen sexuell missbraucht worden. Die Dunkelziffer liegt erheblich höher. Inzwischen pfeifen es die Spatzen von den Kirchendächern, dass sich sexuelle Gewalt gegen Kinder und Jugendliche wie ein Krebsgeschwür durch die ganze Institution katholische Kirche zieht. Der emeritierte Papst Benedikt XVI. hat seine schützende Hand über einige „Sünder“ gehalten. Bis heute verteidigt er die reaktionäre Sexualmoral der katholischen Kirche.

 

Mindestens der gleiche Skandal ist, dass die katholische Kirche die „Untersuchung“ der Fälle sexueller Gewalt in eigener Verantwortung durchführt und es hier bisher kaum eine öffentliche Empörung gibt. Die Kirche setzt die jeweiligen Untersuchungskommissionen ein, bestimmt ihre Zusammensetzung und den Untersuchungsauftrag und entscheidet, ob und was überhaupt veröffentlicht wird. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Im Grunde könnte man mit dieser Methode auch gleich die Mafia beauftragen, ihre eigene Expertenkommission einzusetzen, welche Verbrechen wie Mord, Erpressung, Diebstahl, Menschen- und Drogenhandel „aufklärt“, Vorschläge für "Reformen" macht und die ertappten Sünder auffordert, sich zu entschuldigen.

 

Die MLPD ist entschieden für eine vollständige Aufklärung und harte Bestrafung der Täter und der Wegschauer und steht an der Seite der mit Recht empörten Kirchenmitglieder. Sie arbeitet mit vielen fortschrittlichen Christen zusammen und revolutionäre Christen arbeiten in der MLPD mit. Für uns ist der religiöse Glaube eine Privatsache. Wir kritisieren allerdings die Amtskirchen als Machtinstrument der Herrschenden und als reaktionäre Institution zur Verbreitung der unwissenschaftlichen bürgerlichen Weltanschauung. Gerechtfertigt wird die „Eigenaufklärung der Missbrauchsfälle“ durch die Amtskirche mit deren „Selbstbestimmungsrecht“, welches für die katholische Kirche mit dem Reichskonkoradat (Staatvertrag) zwischen dem Vatikan und den Hitlerfaschisten 1933 garantiert wurde und bis heute gültig ist.

 

Es zementierte die staatstragende Rolle der Amtskirchen, räumte ihnen zahlreiche Privilegien ein und die Faschisten erkauften sich damit das Wohlwollen der katholischen Kirche für ihren barbarischen Krieg und den Völkermord. Einig war man sich sowieso im reaktionären Antikommunismus. Die katholische Kirche hat seither zahlreiche Privilegien und der Staat zieht für die die Kirchensteuer ein. Bischöfe müssen im Gegenzug vor ihrem Amtsantritt einen Treueeid auf den Ministerpräsidenten ihres Bundeslandes leisten. Längst überfällig ist die Erfüllung der demokratischen Forderung der Trennung von Kirche und Staat durchzusetzen und jegliche Sonderrechte der Kirchen abzuschaffen. Dazu gehört auch die Kündigung des Staatsvertrags von 1933 genauso wie die über 200-jährige Zahlung von Staatsleistungen an die Kirche endlich zu beenden.

 

Es müssen gewerkschaftliche und demokratische Rechte für alle Beschäftigten auch in Kircheneinrichtungen durchgesetzt werden und ihr Einfluss in den Medienräten von Funk und Fernsehnen beseitigt werden. Das geht weit über eine restlose Aufklärung der Kriminalgeschichte des Missbrauchs in der katholischen Kirche und eine strenge Bestrafung der Verantwortlichen hinaus, tut aber dringend not.

 

 

 

 

 

 

 

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