Bayern

Bayern

Söder: Verantwortungsloses Aussetzen der Impfplicht für Pflegekräfte

Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder kündigte an, Bayern werde alle Spielräume nutzen, die Umsetzung der Corona-Impfpflicht in Pflege und Gesundheitswesen vorläufig auszusetzen.

gis

Nachdem er mit dieser Verlautbarung in die Kritik geraten ist, rudert er jetzt zurück und sagt: "Nach derzeitigem Stand ist die Umsetzung kaum möglich". Generell stehe auch er weiter zur einrichtungsbezogenen Impfpflicht, der Bund müsse aber jetzt "nachbessern und nachlegen", damit sie auch für die Länder und für die Einrichtungen umsetzbar sei.

 

Nachbessern und Nachlegen ist sicher nicht falsch. "Nachbessern" ist erforderlich beim Personalschlüssel der Pflegekräfte, bei der Bezahlung, bei den Arbeitsbedingungen. Mit dem kleinen Zugeständnis, dass ab September 2022 der Mindestlohn für Hilfskräfte in der Pflege bis Ende 2023 schrittweise von 12 auf 14,15 Euro und für Pflegefachkräfte von 15 auf 18,25 Euro ansteigen soll und eine Erhöhung der Anzahl der Urlaubstage "auch im Gespräch" ist, ist es nicht getan! Warum erbringen rund 1,2 Millionen Beschäftigte hohe Leistungen für Pflegemindestlohn? Einem Söder nimmt man nicht ab, dass er sein Herz für die Pflegekräfte entdeckt hat. Längst hätte er doch etwas tun können gegen Pflegenotstand, Überarbeitung und schlechte Bezahlung.

 

"Nachbessern" bei der generellen Impfpflicht ist auf jeden Fall richtig. Pflegekräfte kritisieren zu Recht, dass sie jetzt rausgezogen werden, sich impfen lassen und dann in den Intensivstationen und Altenheimen zum Teil ungeimpfte Pflegebedürftige und Patienten pflegen müssen. Die generelle Impfpflicht hätte längst eingeführt werden müssen, viele Infektionen und schwere Krankheitsverläufe hätten verhindert werden können. Aber es ist doch der Gipfel der Heuchelei, wenn Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek jetzt lamentiert, die Impfpflicht käme zu spät. Was hat denn die bayerische Landesregierung dafür getan, dass sie rechtzeitig eingeführt wird? Der stellvertretende bayerische Regierungschef hat sich monatelang damit gebrüstet, dass er sich nicht impfen lasse und ein Geschrei gegen Impfzwang angestimmt.

 

Die Impfpflicht für Pflegekräfte ist nicht ausreichend, aber sie auszusetzen, ist verantwortungslos. Der von Söder prognostizierte Super-Gau, dass massenhaft Pflegekräfte kündigen werden, bevor sie sich impfen lassen, wird nach aller Wahrscheinlichkeit nicht stattfinden. Als in Italien die Impfpflicht für Pflegekräfte eingeführt wurde, äußerten auch Gewerkschaftsvertreter und Kolleginnen aus dem Pflegebereich Bedenken, dass die Maßnahmen den Pflegenotstand noch verschärfen könnten. Giancarlo Go, Gewerkschaftssekretär einer Pflegegewerkschaft, der auch Probleme sah, sagt jetzt: “Wir unterstützen die Impfpflicht. Sie hat unsere Pflegekräfte geschützt und Schlimmeres verhindert.“ Nur wenige Beschäftigte hätten aufgehört, die zudem kurz vor der Rente standen. 98 Prozent der Beschäftigten sind geimpft. Die Zahl der Corona-Infektionen wurde drastisch gesenkt. Aus Frankreich wird Ähnliches berichtet. Vor allem aber muss die Impfpflicht für Pflegekräfte mit deutlichen Verbesserungen der Arbeitsbedingungen verbunden werden.

 

Söders verantwortungsloses Verhalten schafft eine weitere verzerrte Polarisierung. Fanatische Impfgegner und Leute, die das sofortige Ende aller Corona-Schutzmaßnahmen fordern, geben sich als beste Freunde von Krankenschwestern, Pflegern und weiteren Beschäftigten im Gesundheitswesen aus. Das sind sie aber nicht. Mit der Forderung, die Impfpflicht für Beschäftigte im Gesundheitswesen auszusetzen, tut man weder den Pflegekräften noch den Patienten einen Gefallen. Impfen schützt vor schweren Krankheitsverläufen und auch die Weitergabe des Virus ist bei Geimpften geringer als bei Ungeimpften. Für die sofortige Einführung einer generellen Impfpflicht!