Teilnehmerzahlen stagnieren, sind aber hoch

Teilnehmerzahlen stagnieren, sind aber hoch

Warum gehen Menschen zu Corona-Spaziergängen?

Hunderttausende beteiligen sich aktuell in hunderten Städten Woche für Woche an sogenannten „Spaziergängen“ gegen die Corona-Maßnahmen der Regierung, insbesondere gegen die geplante Impfpflicht. Die meisten der unangemeldeten Aktionen finden inzwischen an den Montagen statt, um den guten Ruf der Montagsdemos auf ihre Mühlen zu lenken. Inzwischen stagnieren die Teilnehmerzahlen der Proteste bundesweit bei 200.000 bis 300.000 nach dem Höhepunkt am 25. Januar mit 350.000 Teilnehmern.

Von fh
Warum gehen Menschen zu Corona-Spaziergängen?
Protest gegen "Corona-Spaziergang" in Leverkusen im letzten Monat (rf-foto)

In Thüringen sind zuletzt am 7./8. Februar bei 94 Demos etwa 24.000 Menschen mitgelaufen. Die größten Aktionen in Gera, Altenburg und Gotha hatten je 2000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer. So weit ein Überblick möglich ist, muss davon ausgegangen werden, dass der allergrößte Teil der Demonstrationen von Faschisten oder reaktionären Kräften organisiert wird. Oft wird regional koordiniert zu Aktionen mobilisiert. Auch bei Aktionen, die sich formal von Faschisten distanzieren wie #friedlichzusammen in Berlin ist es jedoch oftmals so, dass aufgrund der weltanschaulich reaktionären Grundlage Faschisten Anschluss finden und teilweise auch geduldet werden. Einzelne Initiativen, die mit diesen reaktionären Bestrebungen nichts zu tun haben und richtige Kritik am Krisenmanagement der Regierungen üben, werden in der Medienberichterstatttung zum Teil mit den "Spaziergängen" in einen Topf geworfen. Im Zentrum des Protests gegen das desaströse Krisenmanagement der Regierungen und die Abwälzung der Krisenlasten auf die breiten Massen stehen als Gegenpol zu den rückschrittlichen Aktionen die Montagsdemonstrationen gegen Hartz IV.

Wer sind die „Spaziergänger“?

Es gibt eine Menge unzufriedene Leute, die in den Corona-Spaziergängen eine Möglichkeit sehen, sich Gehör zu verschaffen. Hier kommen zum Beispiel Leute zusammen, deren Laden oder Gaststätte bedroht ist, die wütend sind über die Milliardenprofite der Pharmaindustrie, die den bürgerlichen Medien skeptisch gegenüberstehen, die Angst um ihre Kinder haben. Einige Schlaglichter auf die "Spaziergänger" und ihr Umfeld aus einer Kleinstadt in Thüringen:

 

  • Die Heilpraktikerin, Leiterin eines Pflegedienstes, war in der Jugend mal im REBELL, sie hat Angst vor Impfungen und Sympathie für die Spaziergänge.
  • Der Gärtner, Mitglied der „Gesellschaft für bedrohte Völker“, der früher für die Grünen kandidiert hat, dann auch für den „Eisenacher Aufbruch“ und jetzt mit Aufklebern auf seinem Auto gegen angeblichen „Impfzwang“ protestiert. In Wirklichkeit plant niemand einen „Impfzwang“, sondern eine Impfpflicht.
  • Eine esoterische Lehrerin, die an der Waldorfschule unterschwellig Werbung gegen Impfen und für die faschistische „Anastasia-Bewegung“ macht, die aber nicht bei den Spaziergängen mitläuft.
  • Der Angestellte bei Opel, ein kämpferischer und solidarischer Kollege, wehrt sich gegen Impfpflicht und will mit den Spaziergängern gegen „Ausgrenzung“ zusammenhalten.
  • Der Kleinunternehmer, Chef der Kreishandwerkerschaft, hat an seinem Firmengelände ein großes Transparent gegen „2G“ und angeblichen „Impfzwang“ aufgehängt.
  • Der anthroposophische Arzt, der auch mal der Montagsdemo 50 Euro gespendet hat, hält die Corona-Politik für einen „Krieg gegen das Volk“.
  • Die Angestellte im Bioladen mit den Rasta-Locken, die alle Virologen für gekauft hält und die Pandemie für erfunden.
  • Die Frührentnerin, die gegen die Zustände an den Schulen protestieren wollte, aber dann die bekannten Faschisten gesehen hat und den „Spaziergang“ sofort wieder verlassen hat.
  • Der Instandhalter bei Opel, dessen Freundin esoterische Waldorf-Anhängerin ist und der panische Angst vor Impfungen bei Schwangeren und Kindern hat.
  • Der Handwerker, Freund des „Eisenacher Aufbruch“, der die Impfstoffe für wirkungslos und Masken für sinnlos hält, findet die Corona-Demos berechtigt, weil „die Politiker dafür sorgen, dass die Reichen immer reicher werden“, aber er würde nie mitlaufen, weil „man Faschisten keine Basis geben darf“.
  • Der Jazz-Musiker, ein weltoffener Mensch, fürchtet um die Freiheit der Impfentscheidung, um die Kulturszene und um demokratische Rechte.

 

Viele Menschen bringt die Coronapolitik der Regierungen auf die Palme und auf die Straße:

 

  • Die Entscheidung für eine generelle Impfpflicht wird immer weiter verschoben. Die halbherzigen Beschlüsse werden von der bayerischen Landesregierung noch unverantwortlich unterlaufen. Wenn Pflegekräfte kritisieren, dass sie herausgegriffen werden und sich impfen lassen sollen, während die generelle Impfpflicht weiter auf sich warten lässt, haben sie auch Bedenken, dass sie dann als geimpfte Beschäftigte ungeimpfte Patienten versorgen müssen. Dazu schweigt die Regierung.
  • Bewusst verhindert Gesundheitsminister Karl Lauterbach ein Impfregister, ohne das die Impfpflicht kaum durchzusetzen ist. Ein Impfregister wird auch gebraucht, um die Nebenwirkungen von Impfstoffen zu dokumentieren, und die Impfstoffe gezielt zu verbessern. Über Gesundheitsschäden bei Impfungen wird in den bürgerlichen Medien so gut wie nicht berichtet. Das ärgert die Leute - insbesondere, wenn sie selber betroffen sind.
  • Um die Pandemie weltweit in den Griff zu bekommen, müssen die Patente für die Impfstoffproduktion freigegeben werden - die Hersteller weigern sich, die Regierungen belassen es bei wirkungslosen Appellen.
  • Um vom eigenen Versagen abzulenken, erfinden die Herrschenden einen unüberwindbaren Widerspruch zwischen Impfbefürwortern und Impfgegnern. Das dient der Spaltung und der Ablenkung der der Tatsache, dass in der kapitalistischen Gesellschaft der Hauptwiderspruch zwischen der Arbeiter- und der Kapitalistenklasse verläuft.
  • Völliges Chaos herrscht beim Testen. Obwohl man inzwischen weiß, dass geimpfte und genesene und geboosterte Leute Corona bekommen und das Virus auch weitertragen können, werden sie in den Betrieben oder in Pflegeeinrichtungen nicht getestet, nur Ungeimpfte. So können erstere andere Leute anstecken, womöglich, ohne es zu wissen.

 

Das alles ist nicht nur inkonsequent, sondern hat Methode und einen Kern: Unter allen Umständen muss die Produktion, insbesondere in den industriellen Groß- und Riesenbetrieben, weiterlaufen und deren Eigentümern und Aktionären Maximalprofite ermöglichen. Dagegen aber richtet sich der Protest der reaktionären Corona-Demos nicht. Sie lenken davon ab, folgen der unsinnigen Logik einer angeblichen Corona-Diktatur, statt ihr Augenmerk und ihren Kampf gegen die Herrschenden und ihre arbeiter- und volksfeindliche Politik zu richten. Sie stellen auch keine Forderungen für die Interessen der Arbeiter auf und schweigen zu den brennenden sozialen Fragen der Massen.

 

Es ist notwendig, um die Menschen, die an den "Spaziergängen" teilnehmen, zu kämpfen, damit sie nicht weiter abrutschen, damit sie möglichst zum fortschrittlichen Protest und seinen Organisationen zurückfinden. Wir kämpfen um die Arbeiter, die Angestellten und die kleinen Selbständigen, besonders um die Jugendlichen. Wir rücken gerade: Der Kapitalist der für die Impfpflicht ist, bleibt trotzdem ein Ausbeuter. Der Arbeiter, der zu den „Spaziergängen“ geht, ist immer noch ein Kollege, um den wir kämpfen. Dazu brauchen wir immer neue und immer bessere Argumente, aber auch Organisationsformen des Zusammenhalts wie Montagsdemos oder Geburtstagskassen. Kampf gegen das katastrophale Krisenmanagement der Regierung – Für eine Null-Covid-Politik auf Kosten der Profite um die Pandemie zu besiegen.