Die sibirische Bevölkerung lehnt Putins Krieg ab

Die sibirische Bevölkerung lehnt Putins Krieg ab

Als Student in Sibirien

Die Bevölkerung in Sibirien hat Angst und lehnt den Krieg ab.

Korrespondenz

Sibirien ist weit weg von den unmittelbaren Kriegshandlungen. Doch es grassiert vor allem die Angst, dass „wehrfähige“ Männer eingezogen werden. Einige Bescheide sind schon raus. Doch wie uns berichtet wird, ist große Ablehnung vorhanden.

 

In der Bevölkerung grassiert auch die Angst vor den unmittelbaren wirtschaftlichen Folgen. Der Rubel fällt in rasantem Tempo. Niemand will diesen Krieg, egal ob es die Lehrerin ist, der Taxifahrer, die Mitbewohner im Wohnheim. Alle bekräftigen mir gegenüber unaufgefordert, dass es furchtbar sei, was passiert und dass kein vernünftiger Mensch das haben wolle. Eine Lehrerin sagte offen, sie verstehe es nicht, Russland habe den 2. Weltkrieg beendet und fängt jetzt selbst einen an. Wir hören von vielen Protestversammlungen, aber auch von den Verhaftungen.

 

Die Lokalzeitungen erwähnen den „Konflikt“ gar nicht, das Wort „Krieg“ ist verboten. Wir, zwei deutsche Studenten, überlegten ständig, was jetzt das Klügste wäre. Durch Zufall erfuhren wir, dass es von Moskau aus gar keine Flüge mehr gibt und entschlossen uns, den einzig möglichen Flug ins benachbarte Ausland zu nehmen. Ohne Vorwarnung war die deutsche Botschaft in Sibirien geschlossen worden, an Geld zu kommen war sowieso schon erschwert wegen des Zusammenbruchs des Zahlungsverkehrs.

 

Am Tag der Ausreise hat die deutsche Universität alle Verbindungen zur Uni in Irkutsk abgebrochen, ohne jedoch zu klären, was mit den dort lebenden Studenten passieren würde. Große Sorgen machte sich eine Lehrerin beim Abschied, ob dieser unglückliche Abschluss unser Verhältnis zur russischen Kultur und zur russischen Sprache sowie zu den Menschen verändern würde. Das konnten wir verneinen. Wir sind in der Gewissheit weggegangen, dass die russische Bevölkerung mit diesem Krieg nicht einverstanden ist.