Rohstoffgier in Brasilien

Rohstoffgier in Brasilien

Bolsonaro vernichtet Territorien indigener Völker

"In Anbetracht des Krieges in Osteuropa besteht die Gefahr, dass es zu einer Verknappung von Kalium oder einem Preisanstieg kommt", twitterte Brasiliens ultrareaktionärer Präsident Jaír Bolsonaro am 2. März 2022. Und vom Kalium hänge Brasiliens Ernährungssicherheit ab.

Korrespondenz

Viele Düngemittel werden aus dem Rohstoff hergestellt. Kalium ist notwendig für den Sojaanbau, aber auch für Mais und Kaffee des Agrarriesen Brasilien, der bisher 25 Prozent seines kaliumhaltigen Düngers aus Russland bezog. Nun sei es Bolsonaro zufolge notwendig, die Abhängigkeit von Importen zu verringern, zumal Brasilien selbst Kalium besäße.

 

Bei dieser Gelegenheit griff er auf einen seiner Gesetzesentwürfe zurück, die er seit zwei Jahren in der Schublade liegen hat. Der Gesetzentwurf 191 war am 6. Februar 2020 vom damaligen Justizminister Sérgio Moro und von Bento Albuquerque, dem Ministerium für Bergbau und Energie, vorgelegt worden. Nach intensiven Protesten durch die Indigenen und ihre Unterstützer beschloss der damalige Präsident der Abgeordnetenkammer, Rodrigo Maia, das Projekt auf Eis zu legen. Doch der derzeitige Präsident Arthur Lira, Anwalt, Viehzüchter, Unternehmer und Politiker der Rechtspartei Progressistas, setzte den Entwurf erneut auf die Agenda. »Unser Gesetzentwurf 191 erlaubt die Ausbeutung von Mineralen, Wasser und organischen Ressourcen auf indigenem Land«, sagte der Präsident, sobald er genehmigt sei, würde sich das Kaliumproblem lösen.

 

Die Betroffenen hatten kaum Zeit, um gegen dieses Vorhaben zu protestieren. Die Exploration, also die Suche oder die Erschließung von Lagerstätten und Rohstoffvorkommen in Regionen, in denen indigene Völker leben, könnte überdies deren Überleben gefährden. Der Entwurf sei nicht nur verfassungswidrig, sondern auch äußerst räuberisch. Denn er ermögliche – zudem ohne Zustimmung der Gemeinden – den extensiven Bergbau, den Bau von Straßen, Wasserkraftwerken und das Pflanzen von transgenem Saatgut auf indigenen Ländern. Der Bergbau auf indigenem Land verletze nicht zuletzt die Rechte der Frauen, hebt die indigene Aktivistin Samêhy Pataxó hervor. Vergewaltigung, sexueller Missbrauch und beeinträchtigte Gesundheit seien Begleiterscheinungen des Bergbaus in der Region.

 

Die Regierung übe Druck aus, sagte der Abgeordnete Rodrigo Agostinho vom Ausschuss für Umwelt und nachhaltige Entwicklung. In Wirklichkeit geht es um die wirtschaftliche Ausbeutung indigener Territorien und darum, den bisher illegalen Abbau von Gold, Bauxit, seltenen Erden und Mineralen zu legalisieren. Die brasilianischen Indigenen stellen auch ein Bollwerk gegen die fortschreitende Zerstörung des größten Regenwalds der Erde dar. Auf ihrem Land leben mehr Arten von Säugetieren, Vögeln, Reptilien und Amphibien als in allen nicht indigenen Naturschutzgebieten des Landes zusammen. Ihre Wälder enthalten fast 30 Prozent des in den Wäldern Lateinamerikas gespeicherten Kohlenstoffs und 14 Prozent des Kohlenstoffs in den tropischen Wäldern weltweit. Das ist mehr Kohlenstoff, als alle Wälder in Indonesien oder der Demokratischen Republik Kongo speichern, die beiden Länder mit den größten Tropenwäldern nach Brasilien.

 

Quelle: Spektrum der Wissenschaft