"Nachholfaktor" dämpft Rentenentwicklung zusätzlich
„Kräftige Rentenerhöhung“ - eine Mogelpackung!
Großspurig verkündete Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD), dass es ab 1. Juli für die rund 21 Millionen Rentnerinnen und Rentner eine „kräftige Rentenerhöhung“ geben wird. Mit dieser Rentenerhöhung würden auch die aktuellen Preissteigerungen abgemildert werden. Tatsächlich steigen die Renten auf den ersten Blick zahlenmäßig so stark wie schon seit vielen Jahren nicht mehr: In Westdeutschland um 5,35 Prozent, in Ostdeutschland um 6,12 Prozent.
Schaut man genauer hin, erweist sich diese Rentenerhöhung als Mogelpackung, ist die Rentenpolitik der Bundesregierung ein einziges Desaster, ist sie eine Anklage gegen den Umgang mit den Arbeitern und Angestellten, mit den Rentnerinnen und Rentnern.
In Wirklichkeit ist diese Rentenerhöhung eine Mogelpackung
Erstens gab es 2021 eine Nullrunde bei der Rente, obwohl die Inflationsrate offiziell um 3,1 Prozent (für die Bezieher niederiger Einkommen real um mehr als 5 Prozent) gestiegen war. Da die Rentenerhöhungen nicht die tatsächlichen Steigerungen der Lebenshaltungskosten berücksichtigen, sondern an die Lohnentwicklung des jeweiligen Jahres zuvor gekoppelt sind, wäre 2021 sogar eine Rentenkürzung fällig gewesen. Denn 2020 waren die durchschnittlichen Löhne deutlich – um fast 3,5 Prozent - gesunken. Die sogenannte „Rentengarantie“, nach der die Renten nicht abgesenkt werden dürfen, hat das jedoch verhindert. Diese Garantie bezieht sich aber nur auf die Lohnentwicklung, nicht jedoch auf das Rentenniveau. Das ist durch die „Reformen“ der Rentenversicherung jedoch seit 2003 von 53,3 Prozent des letzten Nettolohnes auf 48 Prozent abgesenkt worden. D.h. die Renten sind regelmäßig hinter der allgemeinen Lohnentwicklung zurückblieben. Zudem wurde das Rentenalter auf 67 Jahre hochgesetzt, womit immer weniger Arbeiter, Arbeiterinnen und Angestellte ihre „Normalrente“ erreichen können.
Zweitens wird durch den von der „Ampelkoalition“ wieder eingeführten „Nachholfaktor“ auch die Rentenerhöhung gedämpft. Die durch die „Rentengarantie“ verhinderte Absenkung der Renten, wenn die Löhne sinken, wird dadurch in den folgenden Jahren „ausgeglichen“. D.h. steigen die Löhne wieder, müssen die Rentnerinnen und Rentner die unterbliebene Rentenkürzung nachholen – indem ihre Rentenerhöhungen geringer ausfallen. Sie stottern die Rentenkürzung also über einen längeren Zeitraum ab. Bei der aktuellen Rentenerhöhung sei der Nachholfaktor schon „eingepreist“ erklärte Hubertus Heil – er wird sich aber auch in den nächsten Jahren noch auswirken.
Drittens steigen durch die Rentenerhöhung auch die Steuern, die die Rentner und Rentnerinnen zahlen müssen. Und auch ihre Krankenversicherungsbeiträge erhöhen sich. Darüber hinaus überschreiten dann viele den Grundfreibetrag von 10.000 Euro und zählen dann zu dem stets wachsenden Teil von Senioren, die auf ihre Altersbezüge Steuern zahlen müssen. Im Schnitt kommen ca. 20% der Erhöhung nicht an, wie Sören Pellmann, Mitglied der Bundestagsfraktion der Linkspartei aus Leipzig, errechnet hat. Bundesweit werden 2022 weit über 100.000 Rentner erstmals in die Besteuerung rutschen. So kassiert der Staat von den Rentnern dieses Jahr mindestens 2,5 Milliarden Euro zusätzlich ab. Damit sinkt die Rentenerhöhung im Schnitt auf ca. 4,25 Prozent im Westen und auf 4,5 Prozent im Osten. Außerdem steigt der steuerpflichtige Rentenanteil auch noch von 81 auf 82 Prozent. Steuern auf Renten zu erheben, ist an sich schon eine Frechheit. Haben doch die Rentner und Renterinnen ihre Altersrente während ihres Arbeitslebens durch die eigenen Beiträge zu 100% finanziert.
Viertens gleichen die Rentenerhöhungen bei weitem nicht die derzeitige reale Inflationsrate von rund 12 Prozent aus. Es steigen doch gerade die Preise der Waren, die Geringverdiener haupsächlich benötigen wie Heizkosten, Benzin und Lebensmittel. Und die Inflation wird u.a. durch die unverschämte Ausnutzung des Ukraine-Kriegs durch Preiserhöhungen der Monopole noch weiter anziehen. Rentenanpassungen müssen mindestens einen realen Ausgleich zur realen Teuerung bilden.
Fünftens werden die Rentnerinnen und Rentner beim sogenannten Entlastungspaket der Bundesregierung leer ausgehen: Hatte die Formulierung von Finanzminister Christian Lindner (FDP) dies zunächst noch offen gelassen, ist jetzt klar, dass die Rentnerinnen und Rentner die Einmalzahlung "Energiepreispauschale" nicht bekommen.
Sozialversicherungssystem muss geändert werden
Mehr als jede zweite gesetzliche Rente - 56,2 Prozent - liegt unter 1.000 Euro. Ein Drittel aller Rentenbezieher und -bezieherinnen erhalten weniger als 700 Euro im Monat. Fast jeder Vierte erhält weniger als 500 Euro. Viele sind damit auf Grundsicherung von knapp mehr als 800 Euro angewiesen, die mit der Rente verrechnet wird. Das ist millionenfache Altersarmut, die durch die aktuelle Rentenerhöhung nicht gelindert, sondern weiter verschärft wird. Es ist an Zynismus kaum zu überbieten, wenn BDA-Präsident Rainer Dulger die Rentenerhöhungen mit der Begründung ablehnt: "Aber die Wahrheit ist auch, dass es die bestversorgte Rentnergeneration ist, die dieses Land jemals hatte."
Angeblich seien höhere Renten aus dem gesetzlichen Versicherungssystem nicht mehr bezahlbar, weil es zu viele Rentner und zu wenige junge arbeitende Menschen gibt. In Wirklichkeit steigt die Arbeitsproduktivität viel schneller als die Zahl der Rentner. D.h. ein Werktätiger kann heute mehrere Rentner finanzieren. Der Anteil der Rentenausgaben am Bruttosozialprodukt sank seit 2000 von damals 10,5 Prozent auf etwa 8,5 Prozent 2020. Die Kopplung der Renten an die Lohnentwicklung muss aufgehoben werden. Die MLPD fordert in ihrem Rentenkonzept stattdessen die Übernahme der gesamten Sozialversicherungsbeiträge – Renten-, Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung – allein und zu 100 Prozent durch die Kapitalisten in Form einer umsatzbezogenen Sozialsteuer, ähnlich wie bei den von Betrieben finanzierten Unfallversicherungen. Außerdem muss das Rentenniveau auf 70 Prozent des letzten Nettoverdienstes angehoben werden. Und die Altersrente muss grundsätzlich steuerfrei sein.
Gemeinsam am 1. Mai auf die Straße
Am 1. Mai 2022, dem internationalen Kampftag der Arbeiterklasse, sollten daher Arbeiterinnen und Arbeiter, Erwerbslose, Rentnerinnen und Rentner gemeinsam auf die Straße gehen - im Kampf gegen Regierung und Monopole und ihre Abwälzung der Lasten der Weltwirtschafts- und finanzkrise sowie der Coronakrise auf die Massen. Ein Teil des Kampfes gegen den Krieg in der Ukraine ist es auch, gegen seine unverschämte Ausnutzung zur Preistreiberei durch die Monopole vorzugehen. Die Ursache der ganzen Rentenmisere ist das kapitalistische System selbst. Deshalb verbindet die MLPD den Kampf für ihr Rentenkonzept mit dem Eintreten für den echten Sozialismus als gesellschaftliche Alternative.