Jena

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Ein Gespräch mit meinem ukrainischen Kollegen

In der Frühstückspause erzähle ich meinem ukrainischen Kollegen vom Newrozfest in Erfurt. Kurdische Flüchtlinge hatten mir berichtet, das ukrainische Familien „manchmal innerhalb von 24 Stunden eine Wohnung zugewiesen bekommen, während wir seit mehr als 3 Jahren in der Flüchtlingsunterkunft leben“.

Korrespondenz

Mein ukrainischer Kollege widerspricht: „Glaubst du das? In Jena sind ukrainische Familien seit einem Monat in der Turnhalle in provisorischen Holzabteilen. Bei meinen Verwandten in Stuttgart sind 15 Leute untergekommen, alle zusammen in einer 3-Zimmerwohnung.“

 

Wie passt das zusammen? Sicher beruhen die Schilderungen der kurdischen Freunde auf realen Erfahrungen. Sie wollten damit nicht ukrainische Familien kritisieren, sondern eine Doppelmoral in der offiziellen Flüchtlingspolitik, die sie erleben. Aber das heißt lange nicht, dass tatsächlich alle ukrainischen Flüchtlingen schnell Wohnungen bekommen. Mein ukrainischer Kollege hat Recht, hier muss ich mehr differenzieren. „Wer in den Kriegswirren und unter den Bombardements keinen Pass mitnehmen konnte, hat es richtig schwer“, sagt er.

 

Mit Flüchtlingen und ihrer Situation wird Politik gemacht. In der offiziellen deutschen Außenpolitik ist der „Humanismus“ psychologische Begleitmusik zur Rechtfertigung ihrer Wende zu einem offen imperialistischen Kurs und einer massiven Aufrüstung. Da ist viel Schaufensterpolitik dabei. Die Ostthüringer Zeitung berichtet gestern: "Tausende Wohnungen stehen bereit – Platz für Flüchtlinge vor allem auf dem Land“ (OTZ, 28.3.22, S. 2) Real vor Ort sieht es dann oft anders aus. So haben z.B. mehrere ukrainische Familien gemeinsam eine Wohnung zugewiesen bekommen, für jede Familie nur ein Zimmer. „Es sind vor allem viele Ehrenamtliche, viele Landsleute, die helfen, bei Übersetzungen, bei der Unterbringung“, so mein Kollege. Diese Solidarität von unten, auch unter allen Flüchtlingen, egal ob aus der Ukraine oder aus Syrien, müssen wir weiter aufbauen.