Kriegsverlauf

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Ukrainekrieg: Keine Entwarnung

Der russische Präsident Wladimir Putin und seine Militärs haben sich mit der Vorstellung eines Enthauptungsschlags gegen die Ukraine mit einer Kapitulation der reaktionären Selenskyj-Regierung und deren Ersetzung durch eine pro-russische Regierung verkalkuliert.

Von ab / pw
Ukrainekrieg: Keine Entwarnung
Abgeschossener Tank in der Ukraine (foto: armyinform.com.ua (CC-BY 4.0))

An vielen Fronten ist der russische Vormarsch - auch angesichts des aktiven Widerstands der Bevölkerung - momentan ins Stocken geraten. Allerdings dürfen die Potenziale des imperialistischen Russlands gerade im Militärischen nicht unterschätzt werden.

 

Aber auch die ukrainischen Truppen, verstärkt ausgerüstet mit den Waffenlieferungen aus NATO-Staaten, konnten bisher nicht wesentlich Boden gut machen. Das heißt keineswegs, dass die Brutalität der russischen Aggressoren nachlässt – im Gegenteil terrorisieren sie die Zivilbevölkerung in den belagerten, aber nicht eroberten oder besetzten Städten – wie Kiew, Charkiw, und besonders in Mariupol. Schätzungsweise 10 der 44 Millionen Einwohner der Ukraine sind auf der Flucht, davon 6,5 Millionen innerhalb des Landes. In Deutschland sind bereits weit über 200.000 Flüchtende, vor allem Frauen und Kinder, angekommen.

 

Es gibt auch Berichte, dass besonders in der Donbass-Region von Teilen der ukrainischen Armee rücksichtslos gegenüber Zivilisten vorgegangen wird, dass faschistische Asow-Einheiten Zivilisten als Geiseln nehmen usw.

 

Insgesamt ist die Beurteilung des Frontverlaufs unübersichtlich. Die Berichterstattung ist Bestandteil der psychologischen Kriegsführung. Jede der beiden kriegsführenden Parteien zählt Erfolge der eigenen Truppen und die Niederlagen der anderen Seite auf.

Für den weiteren Kriegsverlauf gibt es momentan mehrere Optionen

Die eine ist eine erhebliche allgemeine Verschärfung des Kriegs. Berichtet wird, dass Russland neue Truppen und neue Munition und eventuell auch neues Gerät ins Kriegsgebiet schafft. Insgesamt zählt die russische Armee 900.000 Mann und nochmal 2 Millionen Reservisten. Erst ein Bruchteil davon wurde aktiviert, was anscheinend auch für neuere (sehr teure) Rüstungstechnik gilt. Ein solcher verstärkter Truppeneinsatz würde aber auch die Kosten für die russische Armee in die Höhe treiben und die Widersprüche zu und in Russland verschärfen.

 

Die NATO schließt den Ring um Russland mit neuen Truppenverlagerungen, Manövern usw. immer enger. Am 25. März beschloss die NATO, ihre Kampfeinheiten in Osteuropa zunächst zu verdoppeln. Einzig vor dem Ansinnen eines offenen Eingreifens mit NATO-Militär, zum Beispiel mit der Durchsetzung einer Flugverbotszone, scheuen die NATO-Imperialisten derzeit zurück. Wohl wissend, dass das den Übergang in einen Dritten Weltkrieg, womöglich mit einer atomaren Konfrontation, bedeuten würde. Die NATO hat zugleich die ABC-Einheiten („ABC“ bedeutet „Atomar“, „Biologisch“ und „Chemisch“; gemeint sind die entsprechenden Waffentypen, Anm. d. Red.) in der schnellen Eingreiftruppe in Alarmbereitschaft versetzt und betreibt entgegen von Medien-Behauptungen keinerlei Deeskalationspolitik. Immerhin wurden die atomaren Abrüstungsverträge vom US-amerikanischen Ex-Präsidenten Donald Trump aufgekündigt und von beiden Seiten nicht wieder inkraft gesetzt. Selbst die dürftige Regelung der NATO-Russland Grundakte werden von Seiten der NATO offen beiseite gewischt.

 

Andererseits erklärte das Moskauer Verteidigungsministerium am 25. März offiziell, dass sich die russischen Streitkräfte auf die völlige „Befreiung“ - also Eroberung - des Donbass „konzentrieren“ werden, wo dann ein Referendum zum Anschluss an Russland organisiert werden soll. Bestandteil dieser Taktik ist der verstärkte Versuch der Eroberung von Mariupol, um die Landbrücke zwischen der Krim und dem Donbass zu festigen und der Ukraine den Zugang zum Asowschen Meer zu entziehen. Nach einigen Berichten zieht das russische Militär Kräfte dorthin ab, um eine Entscheidung zu erzwingen.

 

Die russischen Imperialisten nahmen in einzelnen Äußerungen auch ihre ursprünglichen Kriegsziele zurück: Sie bestehen gegenwärtig nicht mehr auf dem Sturz Selenskyjs, wollen sich anscheinend auf ein Neutralitätsversprechen und die Überlassung der Donbass-Gebiete und der Krim beschränken. Gemessen an den ursprünglichen Kriegszielen wäre das ein empfindlicher Schritt zurück für Russland. Zugleich wäre es aber auch eine empfindliche Schwächung der Ukraine und eine Ausweitung des russischen Machtbereiches. Das wiederum wollen die ukrainische Regierung und EU/NATO nicht zulassen.

 

Verstärkt wird auch an einer imperialistischen Befriedung gearbeitet. Die Regierung der Ukraine hat angekündigt, eventuell eine NATO-Mitgliedschaft gegen anderweitige militärische Garantien zurückzustellen. Gleichzeitig wird aus Militärkreisen bereits der Übergang zur Guerillataktik in den besetzten Gebieten angekündigt. Wenn, dann würde das ein brüchiger und ungerechter Friede, der von vornherein den Keim eines neuen Kriegsausbruchs in sich trüge.

 

Es gibt also keine Entwarnung für den länderübergreifenden aktiven Widerstand der Volksmassen gegen die Weltkriegsgefahr und zur Beendigung des Ukraine-Krieges.