Gesamtgesellschaftliche Krise in Sri Lanka

Gesamtgesellschaftliche Krise in Sri Lanka

Das Wichtigste ist, rechtzeitig eine starke revolutionäre Partei aufzubauen.

In Sri Lanka hat sich eine gesamtgesellschaftliche Krise entwickelt. Seit Wochen gehen die Massen wegen massiv steigender Preise für Lebensmittel, Öl und Benzin, anhaltenden Stromausfällen sowie fehlendem Benzin und Gas immer wieder auf die Straße.

Von jsch
Das Wichtigste ist, rechtzeitig eine starke revolutionäre Partei aufzubauen.
Protest in Sri Lanka (forto: Frontline Socialist Party)

Die Inflation liegt bei 24 Prozent. 1 kg Reis, eines der Hauptnahrungsmittel in Sri Lanka, kostet umgerechnet 0,93 Euro. In Deutschland bezahlt man 2,50 Euro, also 2,7 mal so viel. Allerdings liegen die offiziellen durchschnittlichen Monatseinkommen in Deutschland dreizehn mal höher als in Sri Lanka. Für Menschen, die schon bisher unterhalb der Armutsgrenze gelebt haben, ist es unmöglich geworden, Lebensmittel und medizinische Versorgung zu bezahlen. Jedes fünfte Kind im Land ist untergewichtig. Die weitere Verknappung der Lebensmittel ist für sie lebensbedrohlich. Bis zu dreizehn Stunden am Tag fällt der Strom aus. Durch die Brennstoff-, Strom- und Gaskrise bricht die industrielle und landwirtschaftliche Produktion ein; das Transportwesen und auch das Bildungs- und Gesundheitswesen brechen zusammen. Restaurants schließen, weil es kein Gas gibt.

 

Als am 1. April Proteste vor dem Haus des Präsidenten Gotabaya Rajapaksa stattfanden, rief dieser den nationalen Notstand aus. Gleichzeitig ließ er alle sozialen Medien blockieren, über die sich die Demonstrierenden organisierten. Am 2. April verhängte die Polizei eine landesweite Ausgangssperre. Die Militärpräsenz wurde massiv ausgebaut. Nach dem Ausruf des nationalen Notstands haben die Soldaten Befugnisse, die sonst nur die Polizei hat, um Menschen zu verhaften. Davon ließen sich die Massen aber nicht aufhalten. Die Proteste gingen weiter. Am 3. April traten alle 26 Minister der Regierung zurück. Der Präsident Gotabaya Rajapaksa und der Ministerpräsident Mihanda Rajapaksa – die beiden sind Brüder - blieben im Amt. Die Proteste halten weiter an und die Menschen fordern, dass auch der Präsident und der Ministerpräsident zurücktreten und dass Neuwahlen durchgeführt werden. Die Regierenden in Sri Lanka, sind also nicht mehr dazu in der Lage, in der bisherigen Art und Weise weiter zu regieren. Das Land steckt in einer tiefen wirtschaftlichen und politischen Krise. Die Massen können und wollen nicht so weiter leben und regiert werden.

Was sind die Hintergründe?

In der Berichterstattung der bürgerlichen Medien werden die Korruption und eine Misswirtschaft der Regierung für die Wirtschaftskrise in Sri Lanka verantwortlich gemacht, die sich natürlich durch die Corona-Pandemie massiv verschärft hat. Worüber allerdings kein Wort verloren wird, ist, dass um Sri Lanka ein erbitterter Konkurrenzkampf der imperialistischen Mächte China, Indien und USA stattfindet, und dass das Land darüber in eine tiefe Schuldenkrise gestürzt wurde. Bei einem Besuch der MLPD im Oktober 2019 berichteten Genossen der Frontline Socialist Party (FLSP), dass China im indischen Ozean die Strategie „String of Pearls“ verfolgt, womit sie die wichtigsten Seehäfen kontrollieren: In Thailand, Myanmar, Sri Lanka, in den Malediven (wie eine Perlenkette). Die USA verfolgen die Strategie „Pivot to Asia“, das heißt dass Sri Lanka ihr Dreh- und Angelpunkt für ihren Einfluss in Asien ist.

Sri Lanka ist fester Bestandteil von Chinas „Neuer Seidenstraße“. 2017 war Sri Lanka gezwungen, seinen strategisch wichtigen Hafen Hambantota für 99 Jahre an ein chinesisches Unternehmen zu verpachten, weil es nicht in der Lage war, die für den Bau des Hafens aufgenommenen Schulden in Höhe von 1,4 Milliarden US-Dollar aus Peking zu bedienen. Von 1351 Tankstellen sind 241 in staatlichem Besitz, 216 im Besitz des indischen Konzerns Lanka Indian Oil Company (LIOC) und die restlichen 894 im Besitz weiterer Privatunternehmen.

 

Statt die staatliche Stromversorgung auszubauen, gibt es mehrere private Unternehmen, die unter Kontrolle dieser imperialistischen Länder stehen. Aufgrund der Wirtschaftskrise und der massiven Staatsverschuldung ist Sri Lanka nicht mehr dazu in der Lage, den Strom zu bezahlen. Die verschiedenen imperialistischen Länder mit der korrupten, faschistoiden Rajapaksa-Regierung als Handlanger, pressen das Land und die Massen regelrecht aus. Im aktuellen Rennen um eine neue imperialistische Lagerbildung, wird das massiv verschärft. Das imperialistische Weltsystem als Würger der Massen ist die Ursache für die existenzbedrohende Lage der Massen in Sri Lanka.

Was ist die Aufgabe der Revolutionäre?

Dieses imperialistische Weltsystem muss revolutionär überwunden werden. Dazu braucht es in jedem Land starke, kampferprobte, unter den Massen verankerte revolutionäre Parteien, die sich wiederum weltweit zusammenschließen. Über die ICOR¹ hat die MLPD enge Kontakte in viele Länder. In einem aktuellen Telefonat der MLPD mit einem Genossen der ICOR-Partei NDMLP berichtet dieser: „Die Situation ist sehr kompliziert. Wir arbeiten derzeit daran, die demokratischen und linken Kräfte zu bündeln, um ein gemeinsames Programm aufzustellen. Wir sind an der Organisierung von Demonstrationen beteiligt und diskutieren mit den Leuten über die Hintergründe. Die Arbeiter der Plantagen spielen eine wichtige Rolle in den Protesten gegen die Regierung und haben verschiedene wichtige Forderungen zu ihren Lebensbedingungen. Wir fordern unter anderem die Senkung der Preise für Lebensmittel, Öl, Benzin und Gas.“

 

Diese Massenkämpfe sind es, die eine gesellschaftsverändernde, durchschlagende Kraft entwickeln. Ein Genosse der mit der MLPD befreundeten FLSP erklärt beim Gespräch: „Es ist ein zentrales Problem, dass die linken und revolutionären Parteien bisher ihre Kräfte nicht bündeln konnten, um in dieser Situation eine führende Rolle einzunehmen. Ich möchte den Arbeiterinnen und Arbeitern in Deutschland und der MLPD sagen: Das wichtigste ist, rechtzeitig eine starke revolutionäre Partei aufzubauen. Denn nur dann kann eine solche Situation, wie sie derzeit in Sri Lanka entstanden ist, richtig genutzt werden. Wir legen daher unseren Schwerpunkt auf eine bewusstseinsbildende Arbeit, um die Massen über den Kapitalismus aufzuklären und den Sozialismus als die einzige Perspektive zu verbreiten.“