Brisante Enthüllungen

Brisante Enthüllungen

Der BND als Instrument des offen reaktionären Antikommunismus

Am 9. April veröffentlichten einige Medien Recherche-Ergebnisse aus dem Archiv des deutschen Auslandsgeheimdienst BND, dass dieser in den ersten Nachkriegsjahren systematisch die SPD-Führung bespitzelte und die Ergebnisse direkt ins Kanzleramt des reaktionären CDU-Kanzlers Konrad Adenauer wanderten.

Von tt/gis
Der BND als Instrument des offen reaktionären Antikommunismus

Die Süddeutsche Zeitung witterte bereits „Deutschlands Watergate“ und bezeichnete es als „Ausspähaktion in kaum vorstellbarem Ausmaß“.1 Tatsächlich wurden über zehn Jahre insgesamt 500 Dokumente mit brisanten SPD-Interna erstellt. Mittelsmann war u.a. Hans Globke als Chef des Bundeskanzleramtes. Während der faschistischen Hitler-Diktatur hatte Globke die Kommentare zu den faschistischen Nürnberger Rassegesetzen geschrieben.

 

Ganz neu und überraschend sind diese Enthüllungen allerdings nicht. Immerhin wurde die sogenannte Unabhängige Historikerkommission (UHK) vom BND selbst eingesetzt und forscht seit 2011 zur „Geschichte des BND, seiner Vorläuferorganisationen sowie seines Personal- und Wirkungsprofils von 1945 bis 1968 und des Umgangs mit dieser Vergangenheit“.2 Dass eine solche Kommission erst 2011 eingesetzt wurde, ist bereits ein Skandal für sich. Im Herbst 2022 soll das auf 15 Bände angelegte Projekt abgeschlossen werden. Der aktuelle Anlass für zahlreiche Presseberichte über die Enthüllungen ist, dass im Mai 2022 der vom Kommissionssprecher Klaus-Dietmar Henke verfasste 14. Band mit dem Titel Geheime Dienste über die antikommunistische Inlandsspionage des BND in der Adenauer-Ära erscheinen wird (Ch. Links Verlag, 98 Euro).

 

Noch bis in die 1960-er Jahre war jeder zehnte BND-Mann früher bei der faschistischen SS. Als einzelne solcher Details an die Öffentlichkeit gerieten, musste 1963 im BND ein Sonderstab mit dem Namen "Organisationseinheit 85" eingerichtet werden mit dem Auftrag, herauszufinden, welche von ihnen in Verbrechen verwickelt und deshalb für eine weitere Beschäftigung beim BND untragbar waren. Einberufen wurde er vom damaligen BND-Präsidenten Reinhard Gehlen, der selbst ehemaliger Chef des Auslandsgeheimdienst "Fremde Heere Ost" der faschistischen Wehrmacht war. Er wurde von der US-amerikanischen Besatzungsmacht mit dem Neuaufbau des Geheimdienstes beauftragt. Er hatte sich gegenüber dem US-Geheimdienst vor allem durch seine Kenntnisse über die Rote Armee und seinen Antikommunismus empfohlen. Mitte der 1960er Jahre mussten dann lediglich 71 dieser Mitarbeiter den BND "aufgrund nachweisbarer Teilnahme an NS-Gewaltdelikten" verlassen, doch die meisten gingen mit Abfindungen.3

 

Am Ende des Zweiten Weltkriegs brachte die Zerschlagung des Hitler-Faschismus durch die damals sozialistische Sowjetunion den Antikommunismus in seine bis dahin tiefste offene Krise. Der Sozialismus und die proletarische Ideologie bekamen in Deutschland  großes Ansehen. In dieser Situation änderten die USA ihre Deutschlandpolitik. Mit allen Mitteln musste der Einfluss der Sowjetunion und des wachsenden sozialistischen Lagers eingedämmt, sollte Westdeutschland ein Bollwerk gegen den Kommunismus werden. Bei der Wiederbelebung des offen reaktionären Antikommunismus spielten der BND und seine Bespitzelungsaktionen eine unrühmliche Rolle. Sie seien durchdrungen gewesen von einem "regelrecht paranoiden Antikommunismus", so ein Artikel vom 13. April 2022 in der Zeit. Von einem Antikommunismus, der alles ins reaktionäre Visier nahm, was links von der CDU stand. (Apropos CDU: Das Ahlener Programm der CDU von 1947 kam an der Anziehungskraft des Sozialismus nicht vorbei und proklamierte die Verhinderung "privatkapitalistischer Konzern- und Machtbildungen").

 

„Der erste Kanzler hat seine Macht missbraucht, um die SPD vom BND ausspionieren zu lassen. Die CDU muss nun Farbe bekennen," so die SPD-Zeitung „Vorwärts“ am 10. April 2022, "zum Wohle der Wahrhaftigkeit, unserer Demokratie und ihres Ansehens",4 meint SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert. Tatsächlich machten die reaktionären Antikommunisten nicht einmal vor der SPD halt. Viele ehrliche Sozialdemokraten waren nach dem Ende des 2. Weltkriegs und der faschistischen Diktatur aufgeschlossen für den Sozialismus und die Zusammenarbeit mit Kommunisten.

 

Die SPD war keineswegs eine grundsätzliche Kritikerin der antikommunistischen Bespitzelung und Verfolgung. "Keine der beiden Parteien" - gemeint sind CDU und SPD - "wollte sich in ihrer antikommunistischen Einstellung von der anderen Partei übertreffen lassen. ... Um die letzten notwendigen Stimmen noch von der KPD zu bekommen, setzten die Sozialdemokraten gegen Ende des Wahlkampfs noch einmal nach und plakatierten: 'Wer KP wählt, wählt KZ!' Mit rassistischen Plakatmotiven aus der Zeit der NS-Diktatur schürte die CDU Angst vor den Mongolen-Gesichtern aus dem fernen Osten und empfahl sich selbst als einziges Bollwerk gegen den Kommunismus." Dies schrieb der Historiker Josef Foschepoth in seinem Buch "Verfassungswidrig! Das KPD-Verbot im Kalten Bürgerkrieg" (S. 45f).

 

Ob Kevin Kühnert entgangen ist, dass die SPD niemals ein wirkliches Problem mit dem BND und seiner historischen Aufgabe hatte? Geheimdienste arbeiten immer im Auftrag der herrschenden Klasse. Entsprechend der antikommunistischen Grundausrichtung der BRD und ihres Aufbaus als neudeutscher Imperialismus war auch die Aufgabe der Geheimdienste von Anfang an die Ausspähung politischer Gegner, vor allem der Kommunisten.

 

Unter SPD-geführten Regierungen änderte der BND keineswegs seinen reaktionären Charakter. Als Gerhard Schröder das System der kleinbürgerlichen Denkweise zur Regierungsmethode erhob, erhielt der BND vielleicht ein paar demokratische Feigenblättchen wie „demokratische Kontrolle durch das Parlament“, was aber nichts an seinen Aufgaben änderte. Im Jahr 2002 unterschrieben der damalige NSA-Chef Michael Hayden und BND-Chef August Hanning ein „Memorandum of Agreement“. Es regelte unter anderem den Datenaustausch und bildete die Grundlage für spätere Abhörprogramme wie EIKONAL oder GLOTAIC zur millionenfachen systematischen Bespitzelung der Bevölkerung. 2003 lieferte der BND während des Irakkrieges Zielkoordinaten für Bombenangriffe auf Militärstellungen in Bagdad an das US-Oberkommando. Der heutige Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier verantwortete als Kanzleramtsminister (und als solcher zuständig für den BND), dass der deutsche Staatsbürger Murat Kurnaz - unschuldig im berüchtigten US-Gefängnis Guantanamo jahrelang schmoren durfte.

 

Die Staatsreligion des Antikommunismus hat in den Jahrzehnten seit der Adenauer-Regierung viele Wandlungen durchgemacht, was Ausdruck der Defensive ist. Sie gerät zunehmend in die Kritik und wird von einem wachsenden Teil der Bevölkerung infrage gestellt. Gib Antikommunismus keine Chance!