Jetzt auch noch Sexismus
Existentielle Krise der Linkspartei
Die Linkspartei steckt in einer existentiellen Krise. Jüngster Höhe- bzw. Tiefpunkt sind die aktuell bekannt gewordenen Vorwürfe bezüglich sexueller Übergriffe durch verschiedene Mandatsträger der Partei und v.a. der jahrelange beschwichtigende Umgang damit.
Die offene Krise der Linkspartei dauert schon länger an: Sie brach spätestens aus mit dem Austritt von Oskar Lafontaine, der mit Kritik bezüglich der Abgehobenheit der Parteispitze, deren unsozialer Politik und dem windelweichen Kurs in Sachen Kriegsunterstützung verbunden war. Schon vorher hatte die Partei bei der Bundestagswahl am 26. September 2021 einen kräftigen Stimmeneinbruch zu verzeichnen. Sie verlor rund die Hälfte ihrer Stimmen, um 4,3 Prozentpunkte, und rutschte mit 4,9 Prozent unter die Fünf-Prozent-Hürde. Ihre Fraktion im Bundestag konnte sie nur wegen ihrer drei gewonnenen Direktmandate halten. Besonders bei den Arbeiterinnen und Arbeitern war der Versuch der Parteispitze um die Co-Vorsitzenden Janine Wissler und Susanne Hennig-Wellsow, sich für eine eventuelle Regierungsbeteiligung ins Spiel zu bringen, offensichtlich schlecht angekommen.
Dann der Rücktritt der Co-Vorsitzenden Susanne Hennig-Wellsow. Sie wollte die Linkspartei auf den Regierungskurs trimmen. Das ist ihr nicht so gelungen, wie sie es sich vorgestellt hatte. Innerhalb der Partei gibt es unterschiedliche Strömungen und an der Parteibasis auch erhebliche Kritik am Kurs des Führungspersonals.
Was jetzt herauskam, verschärft die Krise der Partei allerdings drastisch: Ein Referent der Landtagsfraktion der Linkspartei Hessen, nach Angaben, die auf dem Twitter-Hashtag #linkemetoo gemacht werden, handelt es sich dabei um einen Wiesbadener Kommunalpolitiker, soll Fotos und Videos einer zu dem Zeitpunkt minderjährigen Frau in sexuellen Posen aufgenommen haben. (www.faz.net, 19.04.2022; Twitter, #linkemetoo).
Nicht, dass es Sexismus und Machotum nicht auch bei den anderen bürgerlichen Parteien gibt, aber: Bei einer Partei, wie der Linkspartei, die sich öffentlich fortschrittliche Positionen in Sachen Frauenpolitik auf die Fahnen schreibt, ist es nicht nur besonders krass, sondern in jeder Hinsicht indiskutabel, wie damit verfahren wurde!
Es kam über Jahre zu keinerlei Maßnahmen gegen den vermutlichen Täter. Erst jetzt, als die Sache öffentlich wurde, wurde der mutmaßliche Täter vorübergehend von seinen Aufgaben entbunden. (www.faz.net, 19.04.2022) Im Gegenteil verlief die Anzeige der mutmaßlichen Geschädigten wegen Nötigung und Beleidigung wohl im Sande.
Damit nicht genug: Der mutmaßliche Täter war zum Zeitpunkt der Tat der Lebensgefährte der jetzigen Parteivorsitzenden Janine Wissler, die jetzt zugeben musste, dass die junge Frau sich an sie gewandt und ihr von dem Verhältnis berichtet hatte. Wissler hatte sich zwar dann – als Folge davon - 2018 von ihrem Partner getrennt, ihre Aussage, dass sie bis zum Jahreswechsel 2021 / 2022 nichts von den Vorfällen gewusst haben will, ist vor diesem Hintergrund allerdings ziemlich zweifelhaft.
Der mutmaßliche Täter war ebenso wie Janine Wissler nach Angaben des Blogs www.demokratisch-links.de im Jahr 2008 Mitglied bei der trotzkistischen Organisation Linksruck - jetzt marx21. Also einer Organisation, die zu Beginn der Montagsdemo-Bewegung, das ATTAC-Netzwerk stark unterwandert hatte, und aus deren Reihen immer wieder Leute versucht hatten, der MLPD keinerlei Rederecht bei den Demonstrationen zu geben.
Nach dem Rücktritt ihrer Co-Vorsitzenden Susanne Hennig-Wellsow wollte es Janine Wissler nun also alleine richten. Doch schon musste der Parteitag vorgezogen werden....