Duisburg
Die offizielle Inflationsrate ist Betrug
Das war letzten Samstag am Stand in Duisburg-Röttgersbach verbreitete Meinung. Hier trafen wir hauptsächlich Menschen, die in Hartz IV leben, Rentner sind oder Geringverdienerinnen und -verdiener, die in kleinen Klitschen, der Gastronomie, in kleinen Handelsgeschäften oder im Logistikbereich arbeiten.
Von der rasant gestiegenen Inflation waren alle stark betroffen. So zeigte mir eine alleinerziehende Mutter mit einem Kita- und einem Grundschulkind ihren spärlichen Einkauf: Zwei Pakete Nudeln, eine Flasche Maggie, Margarine und eine Flasche Öl. Dazu einen kleinen Kopfsalat, den ihr eine Verkäuferin so zugesteckt hatte, da er bereits angetrocknet war.
Sie erzählte, dass sie im Januar anfangs noch „normal“ eingekauft habe, dann aber ca. eine Woche vor Monatsende das Geld alle war. „Ich muss von Anfang an sparsam sein, damit es über den Monat reicht, so teuer wie alles geworden ist.“ Ihre Situation hatte sich auch dadurch verschärft, dass ihr bisher fester Minijob umgewandelt wurde in unregelmäßige Springereinsätze. Begründung: Unzuverlässigkeit, da sie wegen Corona-Alarm mehrfach kurzfristig zur Kita oder Schule gerufen wurde, ein Kind abzuholen. Grund: Hohe Infektionszahlen beim Pool-Test. Anschließend dann zur Teststation, um das Kind frei zu testen. Damit war eine regelmäßige Einnahmequelle weg. Und entsprechend groß ihre Angst vor der Nebenkostenabrechnung. Eine Mindestsicherung von 1.150,- € und die vollständige Übernahme der Energiekosten, wie im sozialpolitischen Kampfprogramm der MLPD gefordert, „wäre ein Segen für uns“.
Eine Kollegin, die bei einem mittleren Logistiker für knapp 1.300 Euro 40 Stunden im 2-Schichtbetrieb arbeitet, war sofort für den Kampf um Lohnnachschlag. Ihr Problem: im Betrieb gibt es weder eine Gewerkschaft noch einen Betriebsrat. Bisherige Versuche, einen Betriebsrat zu gründen, wurden vom Unternehmen im Keim erstickt. Für sie wäre der kämpferische Zusammenschluss der Kolleginnen und Kollegen im Betrieb ein Traum. Bisher sei es nur an vergleichsweise kleinen Fragen der Arbeitsbedingungen, wie Trinkpausen im Sommer, gelungen, gemeinsam für ihre Forderungen nach vorne zu gehen.
Ein Kollege berichtete, dass er in einem Marxloher Restaurant sieben Tage die Woche meist über 60 Stunden arbeiten würde – für 600 Euro plus Trinkgeld im Monat. Seit Corona könne er kaum weniger Stunden machen, da sie zu wenig Kollegen seien. Gleichzeitig seien auch die Gästezahlen deutlich zurückgegangen, weswegen die Öffnungszeiten immer wieder flexibel ausgedehnt würden. Durch die gestiegenen Preise für die Küche verschärfe sich die Lage, so dass er keine Chance für mehr Lohn oder geringere Arbeitszeit sieht. Ihm ging die Vorstellung, Großunternehmer, Großverdiener und Großvermögen drastisch zu besteuern, runter wie Butter.
Auch zu anderen Aussagen und Forderungen gab es weitere Zustimmung und Diskussionen wie zum aktiven Widerstand gegen die Gefahr eines III. Weltkriegs. Die Kernfragen in nahezu allen Gesprächen waren die Frage der Organisierung aber auch immer wieder ein Verständnis für die 'Nöte der Chefs'.