Antikommunismus
Preisverleihung an „Memorial“ reiht sich ein in die psychologische Kriegsführung
Am 7. Mai wurde in Stuttgart der Theodor-Heuss-Preis an die russische Organisation Memorial verliehen und dort von der in Deutschland lebenden Mitbegründerin, der Historikerin Irina Scherbakowa, entgegengenommen.
Die 1988 in der Sowjetunion entstandene Gesellschaft Memorial war das organisatorische Ergebnis einer Anti-Stalin-Kampagne Gorbatschows: Der seit 1985 amtierende Generalsekretär der KPdSU verfolgte damals das Ziel der „Überwindung des wirtschaftlichen Nachtrabs des bürokratischen Kapitalismus der Sowjetunion gegenüber dem staatsmonopolistischen Kapitalismus der Westmächte“. Eine Integration der beiden Systeme sollte „auf der Grundlage der gegenseitigen Kooperation von Wirtschaftsunternehmen und der Entwicklung freier Handelsbeziehungen ohne staatliche Eingriffe erfolgen“, analysierte das theoretische Organ der MLPD (REVOLUTIONÄRER WEG 24/88,S. 351).
Zur politischen Anbiederung an den Westen diente seine Hetzkampagne. Sie griff die Grundsätze der von Stalin betriebenen sozialistischen Wirtschaftspolitik an und entwickelte die bereits zu Beginn der Restauration des Kapitalismus in der Sowjetunion im Jahr 1956 von Chruschtschow verbreitete Verleumdung Stalins als terroristischem Alleinherrscher weiter. „Die Hetze gegen Stalin und die sozialistische Sowjetunion – das ist Gorbatschows ideologisches Brautgeschenk für die angestrebte Durchdringung mit dem westlichen Imperialismus“, hieß es im Juli 1988 auf dem III. Parteitag der MLPD (Dokumente, S. 25). Memorial stellte sich dabei die Aufgabe der „Aufarbeitung stalinistischer Verbrechen“ und erhielt dazu speziell aus Deutschland umfangreiche Förderung: Die begeisterten Antikommunisten hatten für ihre infame Totalitarismustheorie der Gleichsetzung von Sozialismus und Faschismus nun einen russischen Träger gefunden!
Irina Scherbakowa wurde hierzulande zum bekanntesten Gesicht Memorials gemacht, weil sie nach dem Scheitern Gorbatschows und dem Zusammenbruch der Sowjetunion die russische Geschichtsschreibung und die Politik Putins weiterhin antikommunistisch interpretierte.
Im Widerspruch zu dem von ihr verbreiteten Zerrbild war die Stalin-Ära und damit die sozialistische Periode der Sowjetunion vor allem eine Zeit wirtschaftlicher, politischer und kultureller Erfolge und des Sieges über den menschheitsfeindlichen Faschismus. Das prägt ganz wesentlich das Geschichtsbewusstsein der Massen in Russland und auch ihre Beurteilung aufgetretener Fehler und negativer Erscheinungen. Als kluger Politiker und demagogischer Volksbetrüger kalkulierte Putin das ein und setzte daran an.
Seine Partei „Einiges Russland“ reklamierte Stalin für ihren reaktionären russischen Nationalismus. Die Kennzeichnung Stalins als „effektiver Wirtschaftsmanager“ und erfolgreicher Oberster Befehlshaber im Krieg wurde in Umlauf gebracht. Scherbakowa nimmt diesen Betrug Putins als bare Münze und spielt damit einen ergänzenden Part im antikommunistischen Schmierentheater. Natürlich kennt sie auch Putins zahlreiche antikommunistische, gegen Stalin gerichtete, Anschuldigungen und weiß, dass diese das wahre Wesen zeigen, denn seine Praxis als Vertreter der Oligarchen ist eine staatsmonopolistische, arbeiter- und massenfeindliche Politik.
Doch zur Verwirrung und Aufhetzung der Menschen ist ihr gerade in Kriegszeiten wichtig, Putin in eine kommunistische Ecke zu stellen. Memorial sei unverzichtbar, hieß es in der Laudatio zur Preisverleihung, weil die russische Propaganda „die Nostalgie für die Sowjetunion wieder erwecken will“. In ihrer Dankesrede kritisierte Scherbakowa die Vorkriegspolitik des deutschen Imperialismus und „jene Deutschen in Politik und Wirtschaft, die sich lange Zeit an Putin angepasst hätten: ,Das war ein Schlag für uns.'“ Der neue Kurs der aktiven Vorbereitung eines Dritten Weltkriegs fand dagegen die ausdrückliche Unterstützung der antikommunistischen Memorial-Aktivistin: „Heute müsse man der Ukraine mit allen Mitteln helfen.“¹
Natürlich hatte sie mit dieser Gesinnung auch keinerlei Skrupel, den nach einem in puncto Krieg und Aufrüstung historisch schwer belasteten Monopolpolitiker benannten Preis anzunehmen: Heuss wurde nach dem Krieg als FDP-Mitglied erster Bundespräsident der BRD, dem US-gestützten westdeutschen Bollwerk gegen den Sozialismus, das in seiner Amtszeit erfolgreich nach Wiederbewaffnung strebte. Als Reichstagsabgeordneter der Deutschen Staatspartei hatte er zuvor am 24. März 1933 für das Ermächtigungsgesetz gestimmt, mit dem die vollständige Übertragung der gesetzgebenden Gewalt an Adolf Hitler beschlossen wurde - die Kommunisten sagten zu dieser Zeit: Wer Hitler wählt, wählt Krieg!