Nahrungsmittelpreise
Die Ukraine und der Weizen - Ein „Kornkrieg“?
Schon Willi Dickhut ging in seinem Werk „Proletarischer Widerstand gegen Faschismus und Krieg auf die geostrategische Bedeutung der Ukraine ein - auch für die Lebensmittelproduktion:
So beschrieb er in seiner Analyse als eines der strategischen Ziele des Hitler-Faschismus beim Überfall auf die Sowjetunion 1941: "Besetzung der Gesamtukraine in ein paar Wochen, um die diesjährige Getreideernte gewinnen zu können". (S. 105)
Die Ukraine ist einer der größten Getreideexporteure der Welt. In zehn Jahren hat sich der Getreideexport verdreifacht. Der Anteil am Weltmarkt beträgt:
- Getreide, Weizen: 12 Prozent
- Mais: 16 Prozent
- Gerste: 18 Prozent
- Raps: 20 Prozent
- Sonnenblumen 50 Prozent.
Die berühmte schwarze Erde ist unter anderem durch ihren hohen Torfanteil sehr fruchtbar. Was ein Segen für die Menschheit sein könnte, dient dem internationalen Finanzkapital nur als maximalprofitbringendes Kapitalanlagefeld.
Die Teuerung ist keineswegs erst Folge des Krieges, sie wurde schon vorher aus Spekulationsgründen angeheizt. Die Einfuhr von Getreide nach Deutschland hat sich durch den Ukraine-Krieg stark verteuert. Die Einfuhrpreise stiegen im März gegenüber dem Vorjahresmonat um 53,6 Prozent, teilte das Statistische Bundesamt mit. Einen stärkeren Zuwachs habe es zuletzt im Mai 2011 mit damals 74 Prozent gegeben. Die Preissteigerungen betreffen demnach alle Getreidearten.
Weizenimporte verteuerten sich gegenüber März 2021 um 65,3 Prozent, Gerste, Roggen, Hafer ebenfalls um 65,3 Prozent, Mais um 37,4 Prozent. Schon vor dem Krieg in der Ukraine zogen die Preise den Angaben zufolge an. Nach Einschätzung des Verbandes der Getreide-, Mühlen-, und Stärkewirtschaft (VGMS) spiegelt sich darin der seit Monaten steigende Weltmarktpreis wider. "Getreide wird weltweit teurer und dies schon vor dem Krieg in der Ukraine, der die bereits angespannte Situation am Getreidemarkt weiter drastisch verschärft hat", so eine Sprecherin des Verbandes. Für ein deutsches Unternehmen ist es demnach egal, ob es Getreide aus deutscher, polnischer oder ukrainischer Produktion kauft - der Preis dafür wird an der Terminbörse Matif in Paris festgelegt.
Ursache des Hungers auf der Welt ist auch nicht, dass zu wenig Lebensmittel produziert würden, sondern die Hortung z. B. von Weizen aus Spekulationsgründen. Unmengen Getreide werden in den Lagern der vier bis fünf größten Händler der Welt gehortet. Von der Organisation der Landwirtschaft her ist die Ukraine Vorreiter bei der Verschmelzung von Agrarmonopolen mit Bank- und Industriemonopolen unter dem Dach des internationalen Finanzkapitals.
Das Land haben sich sogenannte Investoren unter den Nagel gerissen und die Pächter, die es nach dem Zerfall der Sowjetunion bewirtschaftet haben, vertrieben. Diese Investoren haben keinerlei Funktion für die Produktion und sind Schmarotzer, die die Massen aussaugen. Eher ein Kleinbetrieb ist schon die Agrarfabrik, die einem bayerischen Investor gehört. Sie wird von einem Ingenieur als Manager geleitet, mit 80 Angestellten, einem Maschinenpark und 4500 Hektar Land. Betriebe mit 3000 Hektar, die in Westeuropa als Mittelbetriebe gelten, sind in der Ukraine Kleinbetriebe. Ein Monopol aus Saudi-Arabien hat 195.000 ha. Das chinesische Monopol Cofco exportiert 800.000 Tonnen. Spekulanten aus den USA, der Türkei und ganz Westeuropa sind am Werk.
Die Gruppe des Industrie– und Agrarhandels, die der eigentlichen Agrarproduktion vorgelagert ist, Verkäufer von Maschinen und anderen Ausrüstung aus Westeuropa, der Türkei und den USA hatte 2021 ein 25-prozentiges Wachstum und spekulierten entsprechend. Zweifellos hat der Krieg mit dem Abschneiden der Schifffahrtswege durch das Schwarze Meer drastische Auswirkungen. Es ist jedoch pure Heuchelei, wenn die Imperialisten jetzt angesichts des Hungers im Nahen Osten Krokodilstränen vergießen.
Der nahe Osten ist die Heimat des Getreideanbaus, lange bevor dieser in Europa eingeführt wurde. Die Agrarproduktion wurde zerstört, um die Länder vom Imperialismus abhängig zu machen. Der Hunger war für diesen schon immer eine Waffe. Die Bauern wurden abhängig von Pestiziden und Saatgut gemacht , mit der sogenannten Grünen Revolution und danach mit subventionierten Einfuhren ruiniert. Die Imperialisten fürchten die bereits ausgebrochenen Hungerrevolten. Allzu oft entwickeln sich daraus gesamtgesellschaftliche Krisen, aus denen eine revolutionäre Weltkrise werden kann. Tatsächlich fahren sie genau darauf zu.