Hamburg
Staatsanwaltschaft schleift zwei „Balkonisten“ vor Gericht
Liebe Leserinnen und Leser von Rote Fahne News, einige von Ihnen und Euch erinnern sich sicher an Berichte über unsere Balkon-Konzerte während der harten Einschränkungen in der Corona-Pandemie. Insgesamt 48 mal haben wir von unseren Balkonen am Hein-Köllisch-Platz in Hamburg-St. Pauli aus Musik für unsere Nachbarn gemacht, haben Informationen an sie weitergegeben und das Versagen der Bundesregierung in dieser Zeit angeprangert.
Das hat offensichtlich nicht allen gefallen: Denn nach längerem Hin und Her wird nun zwei von uns „Balkonisten“, Irene und Stephan Brandt, vor dem Amtsgericht Hamburg der Prozess gemacht: Wegen verbotenen bzw. nicht angemeldeten Versammlungen, also Verstößen gegen das Versammlungsrecht.
Die Polizei hatte es sich ja bekanntlich nicht nehmen lassen, bei jedem Balkonkonzert auf unserem Platz zu erscheinen. Polizisten haben während einer gemeinsamen Gedenkminute für die bis dahin an Corona verstorbenen Hamburger an der Wohnung der beiden Sturm geläutet, haben sich auch mit Zuhörerinnen und Zuhörern auf dem Platz angelegt. Letztlich haben sie zwischen sechs und zehn Anzeigen verhängt. Wir haben beim Innensenator Andy Grote protestiert und eine Entschuldigung verlangt. Die steht noch aus.
Was haben die beiden tatsächlich verbrochen? Sie haben elementare bürgerliche Rechte wahrgenommen: Nämlich das Recht auf Unverletzlichkeit der Wohnung einschließlich Balkon, und das grundgesetzlich verbürgte Recht auf freie Meinungsäußerung.
Genau solche bürgerlichen Rechte sollten aber offensichtlich während der Hochzeit der Corona-Pandemie bewusst beschnitten werden, natürlich unter dem Vorwand: „Gesundheitsschutzmaßnahmen“. Wir hätten deshalb die Balkon-Konzerte auf unserem Balkon als „politische Versammlungen“ anmelden sollen. Das war und ist in Wahrheit ein Eingriff in elementare politische Rechte.
Der Angriff auf uns „Balkonisten“ ist aber zugleich ein Angriff auf alle Anwohner auf dem Platz, auf unseren Zusammenhalt, dass wir uns bei den wöchentlichen Konzerten gegenseitig unterstützt, ermutigt und gegen die verfehlte Corona-Politik protestiert haben. Wir haben damit Augenblicke der Gemeinsamkeit hier auf dem Platz verwirklicht - mit Maske und Gesundheitsabstand, das gibt sogar die Polizei zu. Damit haben wir der Isolierung in dieser harten Zeit die Solidarität von unten entgegengesetzt. Das geht offensichtlich zu weit!
Interessant ist, dass das Amtsgericht es ursprünglich abgelehnt hatte, Strafbefehle gegen uns zu verhängen. Es hatte einen entsprechenden Antrag der Staatsanwaltschaft gegen uns regelrecht abgeschmettert, unter anderem auch mit dem Hinweis auf die Schutzwürdigkeit von Bürgerrechten.
Diese Abfuhr hat die Staatsanwaltschaft offensichtlich nicht verkraftet und Beschwerde beim Landgericht eingelegt. Und siehe da: Das Amtsgericht wurde verdonnert, unsere beiden „Balkonisten“ jetzt zur Hauptverhandlung vorzuladen. Dasselbe Amtsgericht, das in unseren Balkon-Konzerten keine Straftat sieht. Aber, so ließ es wissen, die beiden könnten wegen einer „Ordnungswidrigkeit“ bestraft werden. Und das kann teuer werden.
Wir freuen uns über die große Unterstützung unserer Nachbarschaft und möchten die Rote-Fahne-News-Leserinnen und -Leser auch um ihre Solidarität bitten. Wer möchte, kann uns zur Gerichtsverhandlung begleiten – und zwar am Dienstag 21. Juni, um 13 Uhr im Sitzungssaal 192, Erdgeschoss Sievekingplatz 3, Strafjustizgebäude. Wir treffen uns dort um 12.30 Uhr zu einer Auftaktkundgebung.
Mit kämpferischen Grüßen!
Eure „Balkonisten vom Hein-Köllisch-Platz“