Bundesparteitag der Linkspartei
Außenpolitischer Tabubruch in der Haltung zur NATO
Aktuell findet in Erfurt der Bundesparteitag der Linkspartei statt. Die Rote Fahne Redaktion ist mit einem Redakteur vor Ort.
Die Linkspartei ist in einer existentiellen Krise. Darüber beklagte sich auch Gregor Gysi auf dem Parteitag: "Zu unserem 15. Geburtstag fällt mir kein rechter Glückwunsch ein, denn wir sind in einer existenziellen Krise".
Ihr Parteitag in Erfurt ist besonders in der Frage des Ukraine-Kriegs zutiefst zerstritten. So fordern einzelne Delegierte unter dem Deckmantel des "Selbstverteidigungsrechts" die Lieferung von Waffen in die Hände des reaktionären Präsidenten Selenskyj, der in der Ukraine fortschrittliche und erst recht revolutionäre Kräfte unterdrückt. Viele Delegierte, wie die Europaabgeordnete Özlem Demirel fordern dagegen zu Recht, auch die NATO als Kriegsbündnis zu verurteilen. Sie sind aber eindeutig in der Minderheit.
Teils werden offen sozialchauvinistische Positionen vertreten. So positionierte sich Amira Mohamed Ali, Fraktionsvorsitzende der Bundestagsfraktion der Linkspartei klar zur Bundeswehr. Sie sagte in ihrer Rede: "Die Bundeswehr hat einen Auftrag zur Landesverteidigung, den sie zur Zeit nicht erfüllen kann. Aber nicht weil sie kaputt gespart wurde. Sie ist in einem grottenschlechten Zustand weil sie ein grottenschlechtes Management hat" .
Demnach ist nicht mehr die Bundeswehr als Teil des staatlichen Überbaus der imperialistischen BRD das Problem, sondern nur noch ihr vermeintlich schlechtes Management. Das schlechte Management hat die Bundeswehr bisher jedoch z. B. nicht daran gehindert, in dreizehn Ländern der Welt stationiert zu sein. Fordert die Linke für eine "bessere Landesverteidigung jetzt ernsthaft ein "besseres Management" der Bundeswehr? Also, die bessere Verteidigung der Interessen der deutschen Monopole im In- und Ausland? Das ist Verteidigung des Imperialismus und hat mit fortschrittlicher oder linker Politik nichts mehr zu tun.
Mehrheitlich angenommen wurde dann der Leitantrag des Parteivorstands zur Außenpolitik, den besonders die alte und neue Parteivorsitzende Janine Wissler verteidigte. Er enthält verschiedene berechtigte Anliegen, wie die Ablehnung Kritik an der Anschaffung der F35-Bomber zur Stärkung der "nuklearen Teilhabe". Er wendet sich gegen Waffenlieferungen an die Ukraine, unterstützt aber ausdrücklich die westlichen Sanktionen, die Bestandteil eines Wirtschaftskriegs sind. Er verurteilt zu Recht die "imperialistische Politik" Russlands unter Putin, hat aber jede Grundsatzopposition zur NATO aufgegeben. Die Forderung nach Auflösung der NATO, die noch im letzten Wahlprogramm enthalten, wurde sang- und klanglos gestrichen. Andere Grundsatzpositionen sind illusionär, wie die Forderung einer "neuen Friedensordnung", ohne revolutionäre Überwindung des Imperialismus.
Abgelehnt wurde ein Änderungsantrag einer Gruppe von Delegierten um Sarah Wagenknecht. Er beinhaltete eine deutliche Kritik an der Kriegspolitik der NATO, wollte im Gegenzug Positionen, wie die Einschätzung der "imperialistischen Politik" Russlands streichen. Abgelehnt wurde auch eine richtige Position des Ortsverbands Seehausen in einem Alternativleitantrag: "Als Internationalisten treten wir imperialistischer Politik entgegen, ganz gleich, ob sie von Russland, China, den USA oder der EU betrieben wird. Es gilt der Satz von Karl Liebknecht: Der Hauptfeind steht im eigenen Land."
Genossen der MLPD diskutieren mit einer Reihe Delegierten. Wir machen Werbung für die neue Friedensbewegung, die sich konsequent gegen alle Imperialisten richtet. Aber natürlich diskutieren wir auch über grundsätzliche Fragen. Ein Gast sagte in Anspielung auf unser Thälmann-T-Shirt: "Was würde Genosse Thälmann wohl zu diesem Trauerspiel sagen?"
Rote Fahne News wird morgen ausführlich berichten.