Karlsruher Urteil

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Das antisemitische Schandmal darf bleiben

Seit Jahren gibt es eine Debatte um das Sandsteinrelief „Judensau“ an der Außenfassade der Stadtkirche von Wittenberg. Sie ist "in Stein gemeißelter Antisemitismus". Das sagte der Vorsitzende Richter in der Verhandlung des Bundesgerichtshofs. Trotzdem hat das Gericht in der letzten Woche entschieden: Sie muss nicht entfernt werden, wie es der Kläger verlangt.

Korrespondenz

Das Relief besteht seit über 700 Jahren. Es zeigt eine Sau, für die Menschen jüdischen Glaubens ein unreines Tier. Das beschreibt Martin Luther in seiner Hetzschrift 1543 „Von den Juden und ihren Lügen“ so: „Unter der Judensau der Wittenberger Pfarrkirche saugen junge Juden und der Rabbi schaut der Sau ins Hinterteil und in den Talmud hinein. Von daher haben sie […] ihren Scheißdreck“.²

 

Der Zweck des Reliefs ist die Demütigung der Juden und die Verdammung ihres Glaubens, die Verbreitung von antisemitischen Vorurteilen und Hass auf die Juden. Es sind etwa 50 ähnliche herabwürdigende Darstellungen in verschiedenen Ländern Europas bekannt, viele in Deutschland, z. B. in Magdeburg, Pirna, Zerbst, Goslar und anderen Orten.³

 

Der Bundesgerichtshof argumentierte in seinem Urteil diese Woche, den jüdische Kläger Michael Düllmann betreffe „keine gegenwärtige Rechtsverletzung“.⁴ Durch zusätzliche Tafeln zur Erläuterung würde das Schandmal in ein Mahnmal umgewandelt. Auf diesem Standpunkt steht auch die Kirche.

 

Michael Düllmann will dagegen weiter klagen, bis zum Bundesverfassungsgericht oder zum europäischen Gerichtshof. „Die 'Judensau' ist ein Mordaufruf und nicht nur eine Beleidigung. Die Geschichte hat das wieder und wieder bewiesen, dass es bei einer Beleidigung nicht geblieben ist", sagte er der ARD-Rechtsredaktion am Rande der Verhandlung vor dem BGH. Und: "Die Orte mit antijüdischen Bildnissen sind Wallfahrtsorte für die Rechtsradikalen." Die "Judensau" gehöre deshalb in ein Museum.⁵

 

"Die MLPD in Sachsen-Anhalt unterstützt das Anliegen von Michael Düllmann", so Daniel Wiegenstein von der Landesleitung der MLPD in Sachsen-Anhalt. Auch er fordert die Entfernung der antisemitischen Darstellungen von den Kirchen.