Offener Brief an den Sächsischen Ministerpräsidenten
Abriss der Kommandantenvilla in der Gedenkstätte KZ Sachsenburg - das kann doch nicht wahr sein!
Raimon Brete, Vorstandsmitglied der VVN-BdA Chemnitz, wendet sich mit einem Offenen Brief an den Sächsischen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer.
Sehr geehrter Herr Michael Kretschmer,
fassungslos habe ich die Meldung über den geplanten Abriss eines bedeutenden antifaschistischen Gedenkortes - Kommandantenvilla in der Gedenkstätte KZ Sachsenburg - zur Kenntnis genommen.
Ich bitte Sie, in Anbetracht des sicher weit über Sachsen hinausgehenden Unverständnisses für einen solchen Akt geschichtspolitischer Barbarei sich für den Erhalt und die Umsetzung des Projektes für einen Mahn- sowie Gedenkort einzusetzen. Nachfolgend aufgeführte Fakten sprechen eindeutig für die Dringlichkeit und Notwendigkeit der Bitte.
In Sachsen ging es jahrelang immer wieder um den geplanten Abriss der Kommandantenvilla, die zur Gedenkstätte KZ Sachsenburg nahe Frankenberg gehört. Nach vielen Protesten sollte sie erhalten werden, und die Stadt Frankenberg sammelt in einem Wettbewerb. Nun steht das denkwürdige und bildungspolitisch bedeutende Projekt vor dem Aus - unfassbar!
Das KZ Sachsenburg, das von Mai 1933 bis August 1937 bestand, ist eines der ersten von den Nazis eingerichteten Lager. Entwickelt wurde hier, wie die Konzentrations- und Vernichtungslager später funktionierten. In der Kommandantenvilla wurden SS-Wachmannschaften ausgebildet. Hier erlernte Foltermethoden wurden unter anderem nach Buchenwald exportiert. Aufbau und Einrichtung des KZ Sachsenburg erfolgten zunächst im Mai 1933 unter dem SA-Standartenführer Max Hähnel. Dieser wurde kurz darauf, vor dem sogenannten Röhm-Putsch und der Übernahme des Lagers durch die SS, als Leiter des KZ Sachsenburg abgesetzt.
Eine erste Gruppe von zunächst 50 Häftlingen war ganz zu Beginn im Schloss Sachsenburg untergebracht. Diese ersten Gefangenen im Mai 1933 waren politische Häftlinge, genauer gesagt: Kommunisten. In der heute verfallenen Kommandantenvilla residierten mehrere aufeinanderfolgende Kommandanten.
Einer der bekanntesten Ausbilder war der SS-Führer Karl Otto Koch, der später auch das KZ Buchenwald mit aufbaute. Als erster baute er diese Form von KZ und entwickelte so ein System mit, zu den Lagern Nebenlager zu bilden. Es folgte ein ständiger Wechsel der Kommandanten, da sie entweder am Beginn einer »Karriere« standen, diese in anderen Lagern fortsetzten oder als Kommandanten nicht als geeignet erschienen. Die Ausbildungszeit in der Kommandantenvilla und »der Dienst« im KZ Sachsenburg dienten der Brutalisierung und Militarisierung der Wachmänner. Auch ein ausgeklügeltes System von Prügelstrafen wurde dort entwickelt. Es wurde getestet, wie viele Schläge ein Häftling ertragen kann und beschlossen, dass ein Arzt hinzugezogen wird, um die Strafen zu beobachten. Der Prügelbock, der noch in Buchenwald und in Auschwitz ausgestellt ist, wurde dort erstmals verwandt; sowie auch verdunkelte Zellen, damit die Häftlinge nicht erfahren, weder wo noch wie lange sie eingesperrt sind. All das wurde in der Ausbildung in der Kommandantenvilla gelehrt.
In der Hoffnung auf eine wirksame Unterstützung verbleibe ich mit freundlichen Grüßen
Raimon Brete, Vorstandsmitglied der VVN-BdA Chemnitz