Stuttgart

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Das Gesundheitssystem im Kapitalismus - ein Streiflicht

Samstagabend, 18.30 Uhr, in einem kleinen Supermarkt in einem Vorort von Stuttgart.

Korrespondenz

Ich sitze seit 15 Uhr in dem Supermarkt und zwar nicht, weil ich immer noch nicht mit meinen Einkäufen fertig bin, sondern weil meine Bandscheibe plötzlich rebelliert hat und ich so wahnsinnige Schmerzen bekommen habe, dass ich nicht mehr auftreten konnte. Die Beschäftigten haben einen Notruf für mich abgesetzt. Es kamen zwei Rettungssanitäter, die kein Schmerzmittel dabei hatten, weil sie das nicht dürfen. Sie erklärten mir, dass sie leider nichts tun könnten. Außerdem wollten sie mich auch nicht ins Krankenhaus bringen, weil ich dort sowieso nicht stationär aufgenommen würde und nur stundenlang in der Notaufnahme rumliegen würde.

 

Deswegen hielten sie es für klüger einen Bereitschaftsarzt zu holen, der mir eine Spritze gibt und dann könnte ich wieder nach Hause. Ich wusste nicht so recht wie mir geschieht. Tatsächlich kann ich mein linkes Bein gerade überhaupt nicht belasten, also auch nicht gehen. Ich lebe allein. Um in die Wohnung zu kommen, muss ich insgesamt zwölf Treppenstufen überwinden. Wenn nachts irgendwas ist, dann habe ich keine Hilfe. Ich habe das große Glück, dass jetzt eine Genossin aus meiner Parteigruppe kam, bei mir bleibt und hilft. Dass ich durch die Partei überhaupt ein Netz von Leuten um mich rum habe, die mich nicht hängen lassen.

 

Meine Genossin sitzt jetzt schon seit anderthalb Stunden und wartet auf den vom Bereitschaftsarzt erneut bestellten Rettungswagen. Sie hat noch mal angerufen und gefragt, wo denn der Rettungswagen bleibt. Ihr wurde gesagt, sie müsse halt Geduld haben und wenn sie selbst aus dem Pflegebereich komme, sei es völlig unverständlich, dass sie keine Geduld hätte. Allerdings sitzen wir hier mitten im Supermarkt und der macht irgendwann mal zu. Nach etwas Streit am Telefon wurde uns nun versprochen, dass der nächste freie Rettungswagen zu uns fährt. Jetzt kann ich nur hoffen, dass er bald kommt.

 

Ich habe ein sehr starkes Schmerzmittel vom Bereitschaftsarzt gespritzt bekommen (mitten im Supermarkt vor der Gefriertruhe!). Das war vor anderthalb Stunden. Ich kann trotzdem nicht belasten und gehen. Also, wie ich mich dann daheim versorgen soll, ist mehr als fraglich. Ich hoffe, dass sie mich nicht heute Abend wirklich vom Krankenhaus wieder heimschicken wollen. Naja, dann muss ich mich quer stellen. Das ist unser sogenanntes Gesundheitssystem! Ich war mal vor fast 30 Jahren in Gambia in Afrika. Da habe ich ähnliches erlebt. Aber eben damals in Gambia. Wir sind hier aber im imperialistischen Deutschland.

 

Offensichtlich ist genau das das Problem. Die Medizin ist unglaublich weit fortgeschritten. Es wird sich so gerühmt über unser Gesundheitssystem. Und dann wird man so behandelt und so versorgt bzw. eben nicht versorgt.