30 Jahre Rostock-Lichtenhagen
Gib Antikommunismus, Faschismus, Rassismus und Antisemitismus keine Chance!
Über den 30. Jahrestag der faschistischen Anschläge von Rostock-Lichtenhagen wird bundesweit in Medien und Nachrichten berichtet. In Rostock finden die verschiedensten Veranstaltungen dazu statt.
Ein breites Bündnis aus über 40 Organisationen und auch MLPD und REBELL rufen für den 27. August zu einer bundesweiten Demonstration gegen Rassismus und Faschismus unter dem Motto „Damals wie heute: Erinnern heißt verändern!“ auf. Mit der bürgerlichen Erinnerungskultur wird dem gewachsenen antifaschistischen und antirassistischen Bewusstsein der Masse der Leute Rechnung getragen, die rassistische Hetze gegen Flüchtlinge und Spaltung in Menschen erster und zweiter Klasse ablehnen.
Gleichzeitig werden aber der faschistische Pogrom und seine Hintergründe klassenneutral verharmlosend und fast entschuldigend so dargestellt, als ob Staat, Politik und Polizei versagt hätten, einfach nur überfordert und tatenlos gegenüber dem eskalierenden „Volkszorn“ gewesen wären. Bestenfalls wird objektivistisch ein „institutioneller Rassismus“ ausgemacht. Rassismus und Faschismus sind jedoch Produkte der kapitalistischen Klassengesellschaft. Die reaktionärsten Teile des allein herrschenden internationalen Finanzkapitals sind die wahren Drahtzieher und Hintermänner der Faschisten. Deshalb kann der Kampf gegen Rassismus und Faschismus nicht gemeinsam mit Monopolen und bürgerlichem Staatsapparat geführt werden.
Mit dieser Geschichtsklitterung wird die Verquickung von reaktionärer Ausländer- und Asylpolitik mit dem neofaschistischen Terror bis heute systematisch vertuscht, wie auch bei den NSU Mordanschlägen. Stattdessen werden die rassistischen Ausschreitungen der Bevölkerung in die Schuhe geschoben, besonders den Bewohnern von Lichtenhagen.
Dem tritt die Erklärung der MLPD Nord entschieden entgegen und enthüllt die wirklichen politischen „Brandstifter“: „Die von Polizei und Behörden bewusst herbeigeführten unmenschlichen Zustände in der völlig überfüllten zentralen Asylaufnahmestelle in Lichtenhagen wurden gezielt durch Neofaschisten aus ganz Deutschland für ihre rassistischen Angriffe missbraucht. Bis heute ist nicht geklärt, warum niemand bei der Feuerwehr und Polizeiwache zu erreichen war, als es so eskalierte. Deren Kräfte wurden auf Befehl zurückgezogen, was die brutalen Brandanschläge der Faschisten auf das Sonnenblumenhaus und seine Bewohner erst ermöglichten. Auch der damalige Bundesinnenminister Rudolf Seiters (CDU) war zur selben Zeit sicher nicht zufällig in der Rostocker Polizeidirektion zu Absprachen. Angesichts zunehmender Asylbewerber aus Rumänien und Ex-Jugoslawien brauchte die Kohl-Regierung politisch solche faschistischen Übergriffe und schürte die systematische Stimmungsmache gegen angebliche „Asylbetrüger“ und „Scheinasylanten“. Mit dieser rassistischen Begleitmusik sollte ihre damals betriebene Grundgesetzänderung zur massiven Verschärfung und faktischen Abschaffung des Asylrechtes in Deutschland („Drittstaatenregelung“, „sichere Herkunftsstaaten“) mit den Stimmen der SPD im Bundestag durchgepeitscht werden.“
So kommt auch Jochen Schmidt, damals im ZDF-Team „Kennzeichen D“ und mit etwa 120 Vietnamesen selbst im brennenden Sonnenblumenhaus eingeschlossen, in seinem akribisch recherchierten Buch „Politische Brandstiftung“ zum Schluss: „Rostock-Lichtenhagen sollte als Fanal fungieren. Geplant war von Seiten der Politik eine kontrollierte Eskalation des Volkszorns mit dem Ziel, die SPD zum Einlenken in der Asylfrage zu zwingen.“ (S.185) Für diese These sprechen viele Indizien, so auch, dass niemals zuvor und danach über solch einen faschistischen Brandanschlag live per Satellit mit über zwanzig Kamerateams und einem Großaufgebot an Übertragungstechnik berichtet wurde. Das geschah nur in Lichtenhagen. So konnte die rassistische Botschaft, endlich die „Asylflut“ zu stoppen, millionenfach in Deutschland verbreitet werden.
Bezeichnend für das bürgerliche „Erinnern“ ist auch, dass die damals entstehende breiteste antifaschistische Massenbewegung, die Deutschland je gesehen hatte, überhaupt nicht erwähnt wird. Allein von August 1992 bis Februar 1993 gingen sieben Millionen Menschen gegen Faschismus und Rassismus auf die Straße und brachten den Neofaschisten eine Niederlage bei!
Auch in Rostock kamen Zigtausende Antifaschisten zu einer großen Demonstration vor dem Sonnenblumenhaus zusammen. Renate Voß schreibt darüber in ihrer Biographie „Meine Fahrten nach Klaushagen“: „Die Einwohner von Lichtenhagen sollten sich in einem Block an der Spitze der Demo einreihen. Das fand ich gut, um zu zeigen, dass es nicht die Lichtenhagener waren, die Beifall geklatscht haben, als die Randale losging. Das war eine Minderheit, die durch ihr Verhalten die Bevölkerung eines ganzen Stadtteils und darüber hinaus in Misskredit gebracht hatten. Die sollen sich abgrundtief schämen und vielleicht mal darüber nachdenken, was sie angerichtet haben und woher das wohl kommt. Die Missstände im Stadtteil mit den vielen Asylsuchenden in den Wochen zuvor waren doch nur Anlass für derartiges Verhalten, nicht die Ursache! Gegen 16 Uhr ging die Demo endlich los. Auf 20.000 soll die Menschenmenge inzwischen angewachsen sein, dreitausend davon Lichtenhagener … Inzwischen war es Abend geworden, ich schaltete den Fernseher an, war darauf gespannt, was wohl die Nachrichten von unserer Demo bringen. Was ich dann zu sehen und zu hören bekam, ließ mir den Mund offen stehen: Der wegrennende junge Mann, von Polizisten verfolgt, die übrigens sehr schnell unverrichteter Dinge wieder zurückkamen, die Silvesterrakete, die in den Himmel flog, die Behauptung, die Hubschrauber seien mit Raketen beschossen worden! Nichts von der friedlichen Demo, nichts von der angeblichen Provokation mit Pistole, nichts von der „rein zufällig“ genau an dieser Ecke bereitstehenden Polizeieinheit. Ich hatte meine Lektion weg, was die Glaubwürdigkeit der Berichterstattung in den Medien anbelangt.“ (S. 240-243)
Übrigens: So martialisch wurde gegen die faschistischen Akteure nie vorgegangen. Die ermittelten Täter erhielten empörend lächerliche Bewährungsstrafen zwischen zwölf und 18 Monaten!
Als Lehre nach 30 Jahren Lichtenhagen zieht die Erklärung der MLPD-Nord: „ ... ist für uns, gemäß dem Schwur der Überlebenden von Buchenwald, die gesellschaftlichen Wurzeln von Faschismus und Rassismus tatsächlich auszureißen. Das heißt die revolutionäre Überwindung des imperialistischen Weltsystems mit dem Ziel des Aufbaus der vereinigten sozialistischen Staaten der Welt, wo die Menschen und Völker friedlich und zum gegenseitigen Nutzen zusammenleben und kein Mensch mehr aus seiner Heimat fliehen muss.“
- Verbot aller faschistischen Parteien und Organisationen!
- Uneingeschränktes Asylrecht für alle Unterdrückten auf antifaschistischer Grundlage!
- Gib Antikommunismus, Faschismus, Rassismus und Antisemitismus keine Chance!
Erklärung der Landesleitung Nord der MLPD