Umweltkrimi in Brandenburg

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Jänschwalde – Energiekonzern LEAG will geltendes Recht abschaffen

Mit der Ukrainekrise kulminierte der zwischenimperialistische Konkurrenzkampf um die Energie- und Rohstoffbasis. „Die Sanktionen gegen den russischen Imperialismus nahmen in ihrer Gesamtheit den Charakter eines weltweiten Wirtschaftskrieges an mit entsprechenden Auswirkungen auf die politische Ökonomie des imperialistischen Weltsystems“ [1].

Von dr
Jänschwalde – Energiekonzern LEAG will geltendes Recht abschaffen
Von Jan-Herm Janßen - Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=10798489

Die Beschaffung der notwendig gewordenen Ersatzlieferungen für Energie nach Europa gestaltete sich aber keineswegs problemlos.

Kohle – und Braunkohlekraftwerke werden eilig reaktiviert

Da die Situation bezüglich Gaslieferungen angespannt ist und eine Verschlechterung nicht ausgeschlossen werden kann, rief das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz am 23. Juni die „Alarmstufe“ des Gas-Notfallplans aus. Vom Versprechen „Schritt für Schritt beenden wir das fossile Zeitalter, auch indem wir den Kohleausstieg idealerweise auf 2030 vorziehen“ wollte die Regierung von heute auf morgen nichts mehr wissen. Am 8. Juli wurde das „Gesetz zur Bereithaltung von Ersatzkraftwerken zur Reduzierung des Gasverbrauchs im Stromsektor im Fall einer drohenden Gasmangellage durch Änderungen des Energiewirtschaftsgesetzes und weiterer energiewirtschaftlicher Vorschriften“ verabschiedet.

Nutzung nur zum Übergang?

Als eine Konsequenz bereitet RWE seitdem im Kraftwerk Neurath das Wiederanfahren der Blöcke A, B und C bis Oktober vor. Außerdem bleiben die Blöcke E und F im Kraftwerk Niederaußem im Betrieb statt sie, wie geplant, im September stillzulegen. LEAG will die sich in Sicherheitsbereitschaft befindenden 500 Mega-Watt-Blöcke E und F des Braunkohlekraftwerks Jänschwalde in Betrieb nehmen. Diese sollten eigentlich 2028 laut "Kohleverstromungsbeendigungsgesetz“ stillgelegt werden. Dafür hat LEAG Geld vom Staat erhalten. Ausgerechnet die dreckige Braunkohle soll jetzt als Lückenbüßer dienen. Das Wiederanfahren ist mit Investitionen, Einstellung von Personal im Kraftwerk, zum Teil auch im Tagebau verbunden.

 

Über 100 Beschäftigte werden zusätzlich gebraucht, sagte der Vorsitzende des Personalrats Maik Rolle Anfang Juli im rbb24 Inforadio, mit Bergarbeitern im Tagebau sind es insgesamt 200 mehr. Das eilige Wiederanfahren wird auf dem Rücken der bis dahin vorhandenen Belegschaft ausgetragen. Auf einmal plädieren Wissenschaftler, wie Felix Müsgens vom Lehrstuhl für Energiewirtschaft an der BTU Cottbus-Senftenberg, für die Überprüfung der Kohle-Ausstiegszenarien für die Jahre 2030 oder 2038 „ohne Denkverbote“. Kennen wir das nicht schon von der Diskussion um die Laufzeiten der AKWs? Hier geht es offensichtlich um den Ausstieg aus dem Ausstieg.

Umweltkrimi in Brandenburg

Laut einer Recherche der Umweltverbände „Grüne Liga“ und „Deutsche Umwelthilfe“ pumpte LEAG für den Betrieb der Grube im Jahr 2020 114 Millionen Kubikmeter Grundwasser statt der erlaubten 42 Millionen ab. Insgesamt sind in Jänschwalde seit dem Jahr 2017 etwa 240 Millionen Kubikmeter mehr Grundwasser entnommen worden als wasserrechtlich erlaubt. Das entspricht dem sechsfachen Volumen des Müggelsees in Berlin, im wasserarmen Brandenburg ein Skandal. Das Verwaltungsgericht Cottbus gab der Klage der Umweltverbände Recht und stoppte den Tagebau ab 14. Mai. Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg gab der Prozessbeschwerde von LEAG Recht, hob das Urteil auf und spielte den Verstoß runter. Es betonte außerdem die „schwerwiegenden Nachteile für öffentliche Interessen – unter anderem die seit Beginn des Krieges gefährdete Energieversorgung“. Umweltschutz wird damit dem Krieg untergeordnet und jede Umweltsauerei erlaubt!

Attacken auf Umweltstandards gehen weiter!

Um die Emissionswerte einzuhalten, müssten die alten Blöcke mit Filtertechnik nachgerüstet werden. Das passt LEAG nicht und sie fordert, dass die Bundesregierung die Kraftwerkblöcke von Vorgaben des Bundesimmissionsgesetzes (BIMSCH) befreit. Bislang gilt die Ausnahmeregelung, dass die Kraftwerksblöcke an 1.500 Stunden im Jahr mehr Schadstoffe ausstoßen dürfen. LEAG will so einem schmutzigen Dauerbetrieb durchsetzen. Auch dem Tagebau soll gesetzliche Priorität eingeräumt werden. Klageverfahren hätten damit keine Chance mehr, die Kohleförderung aufzuhalten und würden das bestehende Planungs- und Verwaltungsrecht beseitigen. LEAG verweist dabei auf Bestimmungen, die es so schon für Öl- und Steinkohlekraftwerke in Reserve gibt. Konzerne, wie LEAG, schätzen die Zeit als günstig, um unter dem Vorwand der Kriegspolitik, die Erosion von Umweltrechten und –pflichten durchzusetzen. Ist das der „ökologische Patriotismus“ von dem Robert Habeck spricht? Oder ist das nur ein Missverständnis? Nein – Parallelen finden sich beim Genehmigungsverfahren der Tesla-Fabrik und dem „LNG-Beschleunigungsgesetz“, das die Rechte der Naturschutzverbände aushebelt. Die Beschneidung von Umweltrechten ist Bestandteil der forcierten weltweiten Rechtsentwicklung. Der Kampf zur Verteidigung und Erweiterung dieser Rechte gehört zum aktiven Widerstand gegen die Weltkriegsgefahr.

 

Viel mehr dazu in der nächsten Ausgabe des Rote Fahne Magazins - Nr. 18: „Die Ampel-Luftnummer: Was bleibt von der sozial-ökologischen  Transformation?“