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BVG-Streik 1932: Eine alte Verleumdungskampagne des Antikommunismus wird gegen Montagsdemos neu aufpoliert

Vom 3. bis zum 7. November 1932 legte ein Streik bei der Berliner Verkehrsgesellschaft (BVG) den gesamten öffentlichen Verkehr der Reichshauptstadt lahm. Der damalige Reichskanzler Franz von Papen, mit seiner Zentrumspartei Wegbereiter des Faschismus, hatte umfangreiche Lohnsenkungen gefordert, um die Wirtschaft anzukurbeln und die Staatsfinanzen zu sanieren.

Von dk
BVG-Streik 1932: Eine alte Verleumdungskampagne des Antikommunismus wird gegen Montagsdemos neu aufpoliert
BVG-Arbeiter wird von der Polizei verhaftet

Die Direktion der BVG arbeitete daraufhin einen Plan aus, der die Lebenslage ihrer 22 000 Beschäftigten massiv verschlechtert hätte – die Stundenlöhne, die im Durchschnitt unter einer Reichsmark lagen, sollten erneut und diesmal um mehr als zehn Prozent gekürzt, Zulagen für Familienväter sollten ganz gestrichen werden. Die von SPD-Vertretern geführte Gewerkschaft verhandelte die Senkung der Stundenlöhne auf etwa zwei Pfennig herunter und präsentierte dies den Arbeitern stolz zur Urabstimmung am 2. November.

 

Doch die Betriebszellen der KPD (insgesamt 31 bei der BVG mit 285 Mitgliedern) hatten eine intensive Arbeit unter den Arbeitern geleistet, um deren Interessen wirkungsvoll zu verteidigen. Von über 1 000 Streiks gegen Lohnabbau im Reichsgebiet waren zuvor 228 unter maßgeblichem Einfluss der KPD erfolgreich geendet. In der brisanten politischen Situation der Weltwirtschaftskrise mit über 6 Millionen Arbeitslosen in Deutschland und angesichts der drohenden Errichtung der faschistischen Hitlerdiktatur setzte die KPD auf die Entfaltung offensiver Kämpfe der Arbeiterklasse. Eine Parteikonferenz am 17. Oktober 1932 beschloss: „Es gilt, die Reichstagswahlen am 6. November durch die Auslösung und Führung von Streiks und anderen Massenaktionen im Wahlkampf zu einem Massenbekennntnis für die Politik und die Losungen der Kommunisten zu machen.“ Die systematische Kleinarbeit bei der BVG hatte Erfolg: Von 21 902 Stimmberechtigten beteiligten sich 18 537 an der Urabstimmung, nur 3 993 votierten für die ausgehandelte Lohnsenkung, 14 471 dagegen.

 

Am 3. November begann nach dem Aufruf der KPD gegen den Willen der rechten Gewerkschaftsführung der Streik, keine Straßenbahn, kein Omnibus und keine Untergrundbahn fuhr mehr in Berlin. Am gleichen Tag wurde die Rote Fahne, das Zentralorgan der KPD, verboten, weil sie den Streik propagiert hatte, Papen verurteilte den Streik in einer Rundfunkansprache als „Verbrechen gegen die Gesamtheit der Nation“. In den Folgetagen gab es blutige Straßenschlachten, weil die Polizei massiv gegen Blockadeaktionen der Arbeiter vorging. Drei Arbeiter wurden getötet, mehrere verletzt. Erst einen Tag nach der Reichstagswahl wurde der Streik unter Zwang beendet – die Lohnkürzung konnte nicht verhindert werden, 2 500 Beschäftigte wurden als Strafe entlassen, Willkürurteile über einzelne Streikführer verhängt.

 

Doch trotz dieser Niederlage war der Streik politisch ein Erfolg der revolutionären Arbeiterbewegung: Bei den Wahlen gewann die KPD in Berlin 4,3 Prozent und erzielte im Reich das sensationelle Ergebnis von 37,7 Prozent, erstmals seit 1928 ging die Zahl der NSDAP-Wähler zurück. Der Aufwärtstrend der Faschisten war damit gestoppt, die SPD verlor stark an Einfluss und die Revolutionierung der Arbeiterklasse schritt voran.

 

Da eine faschistische Betriebsorganisation bei der BVG den Streik auch unterstützt hatte, um Einfluss in der Arbeiterschaft zu gewinnen, hieß es anschließend: Nazis und Kommunisten hätten gemeinsame Sache gemacht, rechte und linke Extremisten seien die Feinde der „Demokratie“. Genau diese böswillige Verleumdung, die die Berechtigung von Arbeiterstreiks abstreitet und sie als Bedrohung der Demokratie verhetzt, wird heute wiederholt. Demagogisch schrieb die „Süddeutsche Zeitung“ am 9. September: „Wenn soziale Fragen ganz Links und ganz Rechts auf der Straße zusammenbringen, hat das nicht immer alleine mit der Sache zu tun. Es kann auch den agitatorischen Zweck verfolgen, dass zwei Minderheiten mehr auffallen als eine allein. Und sei es nur um des Aufruhrs willen. So kalkulierten wohl KPD und NSDAP, als sie sich im November 1932 zusammentaten, um Berlin lahmzulegen.“

 

Natürlich zielt das auf die Diskreditierung der aktuell erwarteten Proteste und Montagsdemonstrationen ab. Um Verwirrung zu stiften, wurden sie seit Wochen rechten Kräften zugeordnet, während linke Kräfte zu den fortschrittlichen Montagsdemos aufriefen. Erneut zeigt sich die politische Bedeutung der Losung: Gib Antikommunismus keine Chance!“ Die "Querfront" dagegen ist keine kommunistische, sondern eine faschistische Taktik, die Einheit von links und rechts suggeriert, während reaktionäre und faschistische Inhalte verbreitet werden.