Neues Infektionsschutzgesetz
Die Corona-Politik der Regierung – oder wie der Pragmatismus die Wissenschaft verhöhnt
Angeblich auf Drängen der FDP wird im neuen Infektionsschutzgesetz, das vom 1.10.22 bis zum 7.4.23 gelten soll, jetzt auch noch die Maskenpflicht in Flugzeugen abgeschafft. Kanzler und Wirtschaftsminister haben es ja auch bei ihrem Kanada-Flug vorbildlich vorgelebt, wie ernst man die eigenen Gesetze nehmen soll.
Dass richtigerweise in Fernzügen weiterhin Maskenpflicht besteht (ab Alter 14 Jahre, zwischen 6 und 13 Jahre nur OP-Mundschutz erforderlich), in Flugzeugen aber nicht, ist eine offene Verhöhnung wissenschaftlicher Erkenntnisse und Empfehlungen. Oder die Corona-Viren haben bei Professor Lauterbach unterschrieben, dass sie auf Angriffe in der Flugzeug-Luft verzichten.
Alle Forderungen der Monopolverbände werden erfüllt
Lockdowns und Schulschließungen werden kategorisch ausgeschlossen. Maskenpflicht an Schulen darf nur dann verordnet werden, wenn der Präsenzbetrieb erheblich bedroht ist – also dann, wenn es schon zu spät ist. Bei Besuchen in Kliniken und Pflegeheimen müssen die Besucher weiterhin FFP2-Masken tragen und auch ab 1.10. einen tagesaktuellen Schnelltest vorlegen – das ist die einzige Verschärfung vor der erwarteten „Herbstwelle“. Die Maskenpflicht in Arztpraxen bleibt.
Ganz viel sollen die Länder selbst regeln. So richtig konfus wird es dann mit der Aufhebung der Maskenpflicht: „Es gelten aber Ausnahmen, wenn ein Land für bestimmte Bereiche eine Maskenpflicht per Verordnung festlegt: Bei Freizeit-, Kultur- und Sportveranstaltungen sowie in der Gastronomie muss keine Maske tragen, wer einen aktuellen Negativ-Test vorlegen kann. Von der Maskenpflicht kann zudem ausgenommen werden, wer frisch genesen oder vor maximal drei Monaten eine abschließende Corona-Impfung erhalten hat. Die Länder können aber jeweils selbst entscheiden, ob sie diese Ausnahmen gelten lassen wollen“ (https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/corona-infektionsschutzgesetz-115.html).
Trotz Impfchaos: die Impfung bleibt wichtig!
Auch bei den Impfungen treibt es die Regierung auf die Spitze: Erst kommt in diesem Monat ein Impfstoff in Praxen und Impfzentren, der eigentlich schon antiquiert ist. Er ist zwar an Omikron angepasst, aber noch an den Untertyp BA1. In Deutschland dominieren aber die Untertypen BA4 und 5. Ein Impfstoff, der gegen diese Subtypen angepasst wurde, ist zwar bereits betriebsbereit, aber erst muss der Ladenhüter raus. Auf die Idee, den bei Auslieferung bereits für Deutschland nicht mehr aktuellen Impfstoff an Länder mit dominierender BA1-Variante als solidarische Hilfe abzugeben, kommen die Regierenden und die Konzerne nicht. Es muss mit allem Maximalprofit gemacht werden, auch mit Ladenhütern. Auch darf die Bestellpolitik der Regierung nicht in Frage gestellt werden.
Dennoch: beide neuen Impfstoff-Varianten bieten weiterhin einen hohen Schutz vor schweren und tödlichen Verläufen und verbessern auch den Infektionsschutz gegenüber Omikron-Varianten. Deswegen sollten Menschen mit hohem Infektionsrisiko, deren Impfung oder Infektion schon ein halbes Jahr oder länger zurückliegt, sich jetzt schon die 4. Impfung holen – es sei denn, es ist bei der 3. Impfung zu ernsten Nebenwirkungen gekommen. Wo es vertretbar ist, sollte man auf die neueste Impfstoff-Anpassung warten, die für den Oktober angekündigt wurde. Momentan werden die Arztpraxen zumindest im Bezirk Nordrhein mit Impfstoff knapp gehalten, nur ein geringer Teil der bestellten Menge wird dann auch geliefert (eigene Erfahrung).
Wachsamkeit bleibt geboten
Ob die Sommerwelle wirklich abklingt, weiß keiner so genau. Gezählt werden ja nur positive PCR-Tests, die aber immer seltener trotz Symptomen und positivem Schnelltest durchgeführt werden. In Schulen und Betrieben müssen wieder kostenlose und häufige Tests zur Verfügung stehen. Jeden Tag sterben in Deutschland immer noch über 100 Menschen an oder mit Covid-19. Dass die Zahlen im Herbst wieder deutlich ansteigen werden, ist auch durch die verantwortungslose Politik der Bundesregierung so gut wie sicher. Deswegen dürfen wir uns nicht von der allgemeinen Krisenverharmlosung durch die Herrschenden einlullen lassen, müssen weiter wachsam bleiben (FFP2-Maske bei Ansammlungen mit engen Kontakten, vor allem in geschlossenen Räumen, Abstandsregeln, wo möglich, Luftfilterung und Lüftung, regelmäßige Test kostenfrei). Dieses Lehrstück über Gesundheitspolitik im Kapitalismus sollte auch Anlass sein, für eine sozialistische Gesellschaft zu kämpfen, wo Medizin und Gesundheitswesen im Dienste der Massen und als wirkliche Wissenschaft praktiziert werden.