Ford Köln
Betriebsversammlung im Zeichen der Tarifrunde
Am Dienstag, dem 20. September 2022, fand im Kölner Ford-Werk das erste Mal seit Ausbruch der Corona-Pandemie eine Betriebsversammlung als reine Präsenzveranstaltung statt. Die Kollegen der Fahrzeugfertigung nutzten das direkt, um geschlossen zum Motorenwerk zu laufen, wo die Versammlung stattfand.
Eine Demo übers Werksgelände, die für viele wie ein Auftakt für die Aktionen in der angelaufenen Tarifrunde war.
Der Bericht der Geschäftsleitung blieb schwammig. Fast schon peinlich waren die Kalendersprüche zur Motivation wie: "Wir müssen jeden Tag aufstehen und überlegen: was kann ich besser machen!“ Oder: "Wir haben eine tolle Marke … wir müssen begehrliche Autos bauen, für die Menschen bereit sind, mehr zu zahlen“. Oder zum Abschluss der Rede: „Packen wir es an!“ Es gab auffällig wenig Applaus aus der endlich wieder gut gefüllten Halle.
Heiße Themen sprach die Geschäftsleitung bewusst unverständlich an oder verfälschte sie offensichtlich. Ford hat im 2. Quartal 3,7 Mrd. Dollar Gewinn gemacht. Aber man müsse auf 6% Gewinnmarge kommen, 11-12 Milliarden Gewinn in 2022 und dafür die Kosten um 3 Milliarden Dollar senken, um wettbewerbsfähig zu sein. Der Betriebsrat deckte auf, wie das dann läuft. Ford vernichtet 3.000 Arbeitsplätze unter Angestellten in den USA, Kanada und Indien. Den Führungskräften hat Ford mit einer Verschwiegenheitspflicht einen Maulkorb über das sogenannte Projekt „Monarch“ verpasst. Damit nicht rauskommt, was das alles für Ford-Europa heißt. Der Betriebsrat forderte: „Schluss mit der Geheimniskrämerei“ und kündigte an, um jeden Arbeitsplatz zu kämpfen. Für solche Ansagen gab es viel Applaus. Ein noch krasseres Beispiel: Die Geschäftsleitung verkündete, dass künftig die Stadt Köln den Rettungsdienst auf dem Fordgelände übernehme. Als wäre das eine gute Sache, schließlich sei das auch in anderen Betrieben so. Der Betriebsrat kritisierte, dass die Geschäftsleitung über Jahre den Personalengpass bei der Werksfeuerwehr wissentlich hat laufen lassen und nun das Personal und Material fehle, die Erstrettung auf dem Gelände selbst zu machen. In der Praxis würde sich schon zeigen, dass die wichtige erste Hilfe innerhalb von 8 Minuten so nicht mehr gewährleistet sei. Ein echter Skandal, der am Ende Leben kosten kann und vermutlich wird. Das sagt mehr als tausend Kalendersprüche der Geschäftsleitung.
Die Aussprache war vielfältig. Ein Fall von jahrelangem Mobbing durch Ford wurde kritisiert. Ein Vertrauensmann berichtete aus dem Getriebewerk. Ford hatte im April eine Zusage für die Batteriefertigung dort gegeben, stellt das jetzt einfach wieder in Frage. Die Kollegen sind wütend und haben Zukunftsängste. Großen Applaus bekam seine Forderung, dass die Spaltung der Belegschaft beendet werden muss. Ein Teil der Belegschaft im Getriebewerk hat Verträge bei der 100 %-Fordtochter „Ford Transmissions“ und ist damit schlechter gestellt. Ein Beitrag rief auf, sich am Solidaritätsfest am 24. September vor dem Ford-Werk in Saarlouis zu beteiligen.
Im Mittelpunkt der Aussprache stand aber die Tarifrunde. Eine Kollegin rechnete ihre monatlichen Mehrkosten von über 400 € vor, die mit den 8 % nicht mal ausgeglichen würden. Ein Kollege zerpflückte Aussagen des Gesamtmetall-Präsidenten Wolf, der der IG Metall „Realitätsverlust“ vorwirft. Es gab viel Applaus für die Forderung, in dieser Tarifrunde die Forderung von 8% auf 12 Monate durchzukämpfen, dafür die volle gewerkschaftliche Kampfkraft einzusetzen. An der Gewerkschaftsbasis gibt es den starken Wunsch, mit 24-Stunden Streiks direkt nach Ende der Friedenspflicht einzusteigen und und wenn es kein tragfähiges Angebot gibt, Urabstimmung und Streik einzuleiten. Die IG-Metall-Vertreterin, der Betriebsrat und die Kollegen in der Aussprache sprachen sich alle gegen den Versuch aus, uns in der Tarifrunde mit Einmalzahlungen abzuspeisen. Es braucht eine tabellenwirksame Erhöhung der Monatsentgelte. Mehrere Beiträge forderten darüber hinaus einen Inflationsausgleich oder Lohnnachschlag. Die Tarifforderung bezieht sich auf die kommenden 12 Monate. Die vergangenen Preiserhöhungen waren in der letzten Tarifrunde noch nicht abzusehen und müssen mit einem Nachschlag ausgeglichen werden. Das leuchtete vielen Kollegen direkt ein. Diese Forderung muss jetzt mit der Tarifrunde verbunden und dafür muss auch selbstständig gekämpft werden.
Vielfältig wurden auf der Betriebsversammlung auch die ganzen Krisen auf der Welt thematisiert. Der Ukrainekrieg, die Corona-Pandemie, die verschärfte Umweltkrise, die Logistikkrise usw. Ein Kollege zitierte einen offenen Brief des europäischen und des internationalen Gewerkschaftsdachverbands an die EU-Kommission. Darin wird ein Gesetz der Selenskyj-Regierung kritisiert, mit dem Gewerkschaftsvermögen konfisziert werden kann und die Rechte der Arbeiter und Gewerkschafter drastisch ausgehöhlt werden. Die Bundesregierung spricht zwar unaufhörlich über die Verteidigung der Demokratie in der Ukraine, schert sich aber um diese Angriffe überhaupt nicht.
Die Kritik an dieser Heuchelei sprach vielen Kollegen aus der Seele. Sie wissen aus dem Alltag im Betrieb sehr genau, dass es „die Ukraine“ ebensowenig gibt wie eine einheitliche Ford-Familie. Die Arbeiter und Gewerkschafter in der Ukraine zu unterstützen ist genau richtig, aber nicht die Oligarchen und kapitalistischen Politiker. Passend zu den ganzen Themen wurde zu mehreren Aktionen aufgerufen. Konkret zur bundesweiten Demo am 1.10. in Berlin und zu einer Aktion, die unter anderem die Gewerkschaften voraussichtlich für den 9.11. in Köln gegen die Preiserhöhungen vorbereiten.