Solingen
Erich Mühsam: „Die Völker der Erde sind herzensverwandt“
Im August veranstalteten die Naturfreunde Solingen-Theegarten einen interessanten Kulturnachmittag mit Liedern und Gedichten von Erich Mühsam (1878 bis 1934).
Erich Mühsam war Sozialist, Revolutionär und – obwohl überzeugter Anarchist – offen gegenüber der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD). Schon als Schüler wurde er wegen „sozialistischer Umtriebe“ aus dem Gymnasium verwiesen. Er kämpfte – mehrfach verhaftet - gegen das Kaiserreich, die verspießerte Sozialdemokratie (wie in seinem berühmten Spottgedicht „War einmal ein Revoluzzer...“), den Militarismus und den Ersten Weltkrieg.
Als führendes Mitglied der Münchner Räterepublik wurde er 1919 zu 15 Jahren Festungshaft verurteilt. 1919 war er kurz Mitglied der KPD. Nach seiner vorzeitigen Entlassung bekämpfte er leidenschaftlich die Klassenjustiz und den aufkommenden Faschismus. Dafür verfasste er zahlreiche Prosatexte, Gedichte, Dramen... . Die Faschisten inhaftierten ihn unmittelbar nach dem von ihnen selbst inszenierten Reichstagsbrand am 28. Februar 1933. Nach 14-monatiger Folter und Misshandlungen brachten sie ihn 1934 im KZ Oranienburg bestialisch um.
Eindrucksvoll und brandaktuell war das Gedicht „Lied der Jungen“ von 1925 mit der Strophe:
„Uns ängstet kein Feind im Nachbarland.
Wir ziehn nicht aus zum Erobern.
Die Völker der Erde sind herzensverwandt.
Den Brüdern drüben die Bruderhand,
die Fäuste den Junkern und Obern!
Das eigne Land ist zu befrein –
die Jungen sollen Führer sein!“
Lied der Jungen von Erich Mühsam
Wir rüsten zum Kampf, zur letzten Wehr,
wir Volk, wir Freien, wir Jungen!
Herbei aus der Schule, der Werkstatt, dem Heer!
Wir dulden die Herrschaft der Junker nicht mehr,
die uns ins Elend gezwungen.
Die Fackeln leuchten himmelan:
Dem Volk, der Jugend freie Bahn!
Sie haben uns lange genug genarrt,
verführt, geplündert, bestohlen.
Wir haben’s gelitten – und litten zu hart.
Jetzt gilt’s, aus den Händen der Gegenwart
den Preis der Zukunft zu holen.
Der März bricht an. Es birst das Eis.
Die Freiheit ist des Kampfes Preis.
Uns ängstet kein Feind im Nachbarland.
Wir ziehn nicht aus zum Erobern.
Die Völker der Erde sind herzensverwandt.
Den Brüdern drüben die Bruderhand,
die Fäuste den Junkern und Obern!
Das eigne Land ist zu befrein, –
die Jungen sollen Führer sein!
Für Freiheit und Volk! – Zum Kampf, wer jung
und stark der Zukunft ergeben!
Die Waffe des Volks ist der stürmende Schwung
der unverbrauchten Begeisterung.
Die Jugend hoch und das Leben!
Zur letzten Wehr! Bald sind wir frei.
Los von der Junkertyrannei!