Iran
Massenproteste bekommen immer mehr aufstandsähnliche Züge
Durch das Bundesinnenministerium ist die Fahne der „Partei für ein freies Leben in Kurdistan (Partiya Jiyana Azad a Kurdistanê, PJAK)" im Iran und die Fahne der „Partei der freien Frauen Kurdistans (Partiya Azadiya Jin a Kurdistanê, PAJK)" verboten. Beide werden nach Ansicht der deutschen Regierung als terroristische Organisationen angesehen, da sie Teil der PKK seien.
Bei der PAJK handle es sich, so das Bundesinnenministerium, um eine „PKK-Frauenorganisation"; bei der PJAK um eine „PKK-Ablegerpartei." Politisch ist das aktuell deshalb von besonderer Bedeutung, da die beiden Organisationen ganz maßgeblich die Proteste im Iran gegen die Ermordung der Kurdin Jina Mahsa Amini ausgelöst und mit organisiert haben.
Im gesamten Iran Solidarität mit Jina Mahsa Amini
Diese war bekanntlich von der Sittenpolizei in Teheran unter dem Vorwand festgenommen worden, sie trage ihr Kopftuch nicht richtig. Im Anschluss an die „Belehrung durch die Sittenpolizei" auf der Polizeistation starb Amini im Krankenhaus. Ihr Körper wies Spuren von Misshandlungen auf. Seitdem gibt es eine massive Protestwelle im Iran, insbesondere dem kurdischen Teil des Iran (Ostkurdistan=Rojhilat, stimmt in großen Teilen überein mit den iranischen Provinzen Kermānschāh, Kordestān, Ilam und West-Aserbaidschan) gegen die die islamische Republik Iran mit aller Gewalt vorgeht. Rote Fahne News berichtete, darunter über eine Protest- und Solidaritätskundgebung in Hamburg.
Im gesamten Iran solidarisieren sich vor allem Frauen mit Jina Mahsa Amini und gehen auf die Straße. Sie rufen nach Berichten unter anderem immer wieder: „Marg bar Stamkar, tsche Schah bascha, tsche Rahbar!" – „Tod dem Despoten, egal ob Schah oder Führer!" Gemeint ist das vom US-Imperialismus installierte und 1979 gestürzte Schahregime und der jetzige sogenannte Religionsführer Ayatollah Ali Chamenei. Bilder aus der ostkurdischen Stadt Pîranşar zeigen, wie Protestierende an brennenden Barrikaden „Jin, Jiyan, Azadî" (Frauen, Leben, Freiheit) rufen. Weitere Parolen, die u.a. in Teheran gerufen wurden, waren „Tod der Diktatur", „Keine Hadschis, keine Mullahs, Tod der Hisbullah" und „Wir wollen keine islamische Republik".
Die Menschen verlieren die Angst
Die Massenproteste bekommen immer mehr aufstandsähnliche Züge. Die Menschen verlieren die Angst. Bei den Protesten in Dutzenden Städten Rojhilats (Ostkurdistan) sind mindestens 15 Demonstrantinnen und Demonstranten ums Leben gekommen. Das geht aus dem jüngsten Bericht der kurdischen Menschenrechtsorganisation Hengaw hervor. Unter den Todesopfern befinden sich den Angaben nach auch zwei Jugendliche im Alter von 15 und 16 Jahren. Außerdem wurden mindestens 733 Menschen verletzt, weit mehr als 600 befinden sich in Polizeihaft. Staatliche Medien berichteten gestern zudem vom Tod zweier Sicherheitskräfte. Auslöser der Proteste in Ostkurdistan und Iran ist der Tod von Jina Mahsa Amini.
Die massive Protestwelle richtet sich gegen das faschistische iranische Regime. In zahlreichen überwiegend kurdisch besiedelten Städten gehen zehntausende Menschen trotz des Einsatzes von scharfer Munition und des Risikos der Folter, langer Haft oder gar der Todesstrafe bei einer Ergreifung seit Tagen auf die Straße und liefern sich Auseinandersetzungen mit iranischen Sicherheitskräften. Diese tauchen inzwischen sogar getarnt in Krankenwagen auf, um Protestierende gezielt zu verschleppen. Mit dem Aufflammen der Proteste hatte das Regime wie bereits in der Vergangenheit den Zugang zum Internet stark eingeschränkt. Damit soll erschwert werden, dass Demonstrantinnen und Demonstranten in sozialen Netzwerken posten, um Unterstützung zu organisieren und zuverlässige Berichte über das Ausmaß der Unruhen liefern zu können. Die Sperre betrifft vornehmlich Ostkurdistan, Daten der in London ansässigen Organisation Netblocks zeigen dort eine nahezu vollständige Unterbrechung des Internet seit Montag.
Konterrevolutionäre internationale Zusammenarbeit
Die Ko-Vorsitzende der PJAK (Partei für ein freies Leben in Kurdistan / Partiya Jiyana Azad a Kurdistanê), Zîlan Vejîn, hat sich gegenüber ANF zu den Protesten nach dem Tod von Jina Mahsa Amini in Rojhilat (Ostkurdistan) und Iran geäußert. Zîlan Vejîn bezeichnet die Proteste als Serhildan, als Volksaufstand, gegen das faschistische Mullah-Regime: „Die Aufstände in Iran haben mit der Ermordung von Jina Amini begonnen. Dieser Mord an einer Kurdin war der sprichwörtliche Tropfen, der für die Völker in Iran das Fass zum Überlaufen brachte. Das gilt vor allem für Frauen. Die Bevölkerung von Iran, die Kurdinnen und keine einzige Frau wollen das herrschende System mehr hinnehmen."
Gegen die progressiven, antiimperialistichen und revolutionären Kräfte im Iran und der Türkei richtet sich eine internationale konterrevolutionäre Zusammenarbeit. So hatten bereits am 20. Oktober 2021 die Türkei und der Iran ein sogenanntes Memorandum of Understanding zur Bekämpfung des sogenannten Terrorismus unterzeichnet, das vor allem der Zusammenarbeit gegen die kurdischen Freiheitsbewegungen dient. „Wir haben positive Gespräche geführt, Iran und die Türkei pflegen ohnehin sehr gute Beziehungen", sagte der iranische Innenminister Ahmad Vahidi nach einem Treffen mit seinem türkischen Amtskollegen Süleyman Soylu. Das gemeinsame Ziel beider Länder sei insbesondere, die Bekämpfung von „Terrorismus" zu fördern, so Vahidi. Es ist von daher auch kein Zufall, dass die türkische Regierung gegenwärtig ebenfalls mit aller Härte gegen Solidaritätsaktionen mit den Protesten im Iran vorgeht.
Heuchlerische "feministische Außenpolitik"
Außenministerin Annalena Baerbock will den Fall Jina Mahsa Amini vor den UN-Menschenrechtsrat bringen. Der Fall Amini sei ein Bruch mit Frauenrechten und damit eine Verletzung von Menschenrechten durch den Iran. Wird sie vor dem UN-Menschenrechtsrat dann auch über die Unterdrückung der kurdischen Frauenbewegung in Deutschland berichten und über die Kriminalisierung von PJAK und PAJK? Darüber, dass die Kräfte, die im Iran erheblichen Anteil an den gegenwärtigen Protesten haben, in Deutschland ebenfalls wegen „terroristischer Aktivitäten" verfolgt und kriminalisiert werden? Die sogenannte „feministische Außenpolitik" für die angebliche Verwirklichung von Frauen- und Menschenrechten der Bundesregierung ist durch und durch heuchlerisch und lediglich ein Deckmantel zur Durchsetzung der reaktionären imperialistischen Interessen Deutschlands nach innen und außen.