Corona-Prämie
Wer hat da wieder am Gesetz mitgeschrieben?
Vor zwei Wochen gab es eine Meldung in den Medien, die relativ flugswieder verschwunden war: Viele Beschäftigte in Pflegeheimen und Krankenhäusern sollen die Sonderzahlung – auch "Coronaprämie" genannt - gar nicht erhalten haben. Manche Klinik bekam dagegen sogar zu viel Geld.
Im Koalitionsvertrag verkündete die Ampel-Regierung: „Wir wollen den Pflegeberuf attraktiver machen“. Was verstehen sie darunter? Zuzahlungen, Zusatzbeiträge – immer mehr Kosten im Gesundheitswesen müssen die Leute selbst tragen? Und immer weniger Pflegekräfte müssen immer mehr Kranke pflegen?
„Wir sind einfach maximal belastet", berichtet die Intensivkrankenschwester aus Duisburg. Die Pandemie hat Pflegekräften wie auch Medizinern viel abverlangt – zu viel! Streiks erst in den Tarifrunden des Öffentlichen Dienstes, dann in den KiTas und zuletzt an 77 Tage an allen Uni-Kliniken in Nordrhein-Westfalen nahmen die Verursacher ins Visier: Die Bundesregierung als Dienstleisterin der Monopole. Sie macht schnell 100 Milliarden für die Aufrüstung der Bundeswehr im Zug der Vorbereitung eines Dritten Weltkriegs locker, aber für Pflege und Bildung der Menschen ist angeblich nie Geld da. Für die Beschäftigten der Unikliniken in Baden-Württemberg und Hessen fordert ver.di jetzt ebenfalls Entlastungstarifverträge. Die Streikbereitschaft ist hoch.
Um die Empörung etwas abzudämpfen, beschloss die Regierung, dass das Pflegepersonal in Kliniken und Heimen bis zu 1500 Euro Corona-Bonus erhalten soll. Der Bundesrechnungshof (BRH) hat nun die Corona-Prämien für Pflegeeinrichtungen geprüft. Die bittere Erkenntnis der Kontrollbehörde für die Staatsfinanzen: Das Verfahren für die Auszahlung der Prämien sei "fehler- und missbrauchsanfällig" gewesen. Erinnert irgendwie an die Gasumlage ... Dem Prüfbericht zufolge haben viele der 1,2 Millionen Pflegekräfte den Bonus gar nicht bekommen. Zahlreiche Pflegeeinrichtungen hatten "keine Auszahlung der Bundesmittel" von insgesamt 1 Mrd. Euro beantragt, andere haben die staatliche Prämie nicht nur für ihre Beschäftigten, sondern in erster Linie sich selbst ausgezahlt. Schon 2020 hatten nur knapp 60 Prozent der Beschäftigten in der Altenpflege eine Corona-Prämie erhalten. Auch die Höhe des Bonus hat stark geschwankt.
Die Kolleginnen und Kollegen im Gesundheitswesen sind einerseits nicht verwundert, andererseits trotzdem empört. Was nämlich auf jeden Fall geregelt war, wem diese Prämie von vorne herein nicht zusteht: Berufsgruppen außerhalb der Pflege sowie im Rettungsdienst, in Psychiatrien, in Reha-Kliniken und in der Behindertenhilfe. Das ist ausformulierte Augenwischerei und Spaltungspolitik von Gesundheitsminister Karl Lauterbach. Das hat Folgen: Fachkräfte im Gesundheitswesen sind häufiger krank als Beschäftigte anderer Arbeitsbereiche, sie fallen viel öfter wegen psychischer Erkrankungen lange aus, benötigen öfter Frührehabilitation, reduzieren wegen Überlastung ihren Arbeitsvertrag auf Teilzeit.
20 Prozent der Azubis erhalten überhaupt keine strukturierte Praxisanleitung. Auch deshalb bleibt in der Pflege etwa jeder oder jede vierte Auszubildende ohne Abschluss. 25 Prozent der Servicekräfte geben an, Hygienestandards nicht immer einhalten zu können – darunter viele Reinigungskräfte. Etliche sind zu schlechteren Bedingungen in Tochtergesellschaften oder Fremdfirmen angestellt. Fast die Hälfte fühlt sich (zumindest teilweise) nicht als Teil der Belegschaft. 48 Prozent kommen mit ihrem Gehalt nicht gut aus, 23 Prozent brauchen Zweit- oder Drittjobs, um über die Runden zu kommen. Es muss wieder überall gelten: Ein Betrieb, eine Belegschaft, ein Tarifvertrag!
Mit der täglichen Suche nach den günstigsten Supermarkt-Angeboten oder Stromspartipps lässt sich vielleicht der eine oder andere Cent einsparen. Aber dass die Waren immer teurer werden, kann man damit nicht verhindern. Statt Corona-Bonus, der keiner ist: Kampf für Lohnnachschlag und Inflationsausgleich von 200 Euro im Monat. Der Kampf um höhere Löhne und Gehälter in den Tarifrunden ist wichtig und die Gewerkschaften müssen von den Beschäftigten zu Kampforganisationen zur Durchsetzung der Tagesforderungen zur Verbesserung der Lohn- und Arbeitsbedingungen gemacht werden. Aber die Preise steigen schneller und drastischer, als höhere Gehaltsforderungen in Tarifrunden durchzusetzen sind. Deshalb muss auch in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen diskutiert und organisiert werden, selbständig zu kämpfen und zu streiken um Lohnnachschlag!