Wahlen in Brasilien am 2. / 3. Oktober
Bolsonaro mit sozialchauvinistischer und faschistischer Demagogie stärker als erwartet
Brasilien ist ein neuimperialistisches Land. Nach dem Parlaments-Putsch im Jahr 2016 und der Verhaftung von Ex-Präsident Lula kürzte das Temer-Regime Sozialprogramme und deckelte den „Haushalt“ für 20 Jahre.
Arbeiterrechte und Gewerkschaften wurden massiv angegriffen. Frauenrechte (Schwangerschaftsabbruch) stark eingeschränkt. Das Militär jubelte: Tausende Stellen im Staat gingen an die Streitkräfte. Der Widerstand wuchs: Gegen Armut, Arbeitslosigkeit, Korruption und Gewalt, Raubbau an Mensch und Umwelt im Amazonas-Gebiet und in Indio-Reservaten.
Nach der Wahl des Faschisten Bolsonaro 2018 begann ein breiter Ausverkauf des Landes. Was Massenarbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung, hohe Inflation, Privatisierungen, Umweltzerstörung durch Agrarmonopole und Bergbau und millionenfachen Hunger sowie Elend brachte. Einige Raffinerien des staatlichen Ölkonzerns Petrobras sind privatisiert (drei weitere sollen folgen), was die Energiepreise stark verteuerte. Das führte zu Massenprotesten bis hinein in die Massenbasis Bolsonaros, die unter anderem aus Fernfahrern und Farmern besteht.
Die Korruption nahm enorme Ausmaße an: Der Bolsonaro-Clan eignete sich über 100 Immobilien mit unterschlagenen Steuern und Geld aus kriminellen Geschäften an. Marielle Franco (PSOR) entlarvte das und musste deswegen mit ihrem Fahrer zusammen sterben („Fall Adriano“). Polizeigewalt und Verbrechen sind so schlimm, wie seit der Diktatur nicht mehr! Dazu gehörte auch der kriminelle „Lava-Jato“-Prozess. Lula kam da „frei“ raus! Und die Justiz von Coritiba mit Staatsanwalt Moro, einem Unterstützer Bolsonaros – später sein Justizminister, wurde abgelöst, wegen Amtsmissbrauchs.
Die Jugend und viele Frauen wehrten sich von Anfang an. Ab der Corona-Krise, dann immer offensiver gegen Korruption im Gesundheitswesen, beim Militär und gegen „Staatshilfen“ für Konzerne und Banken. Die Proteste richteten sich gegen Kürzungen bei der Bildung! Tausende Tote würden noch leben, wenn die Regierung die Corona-Krise nicht hätte „laufen lassen“ und wenn sie die nötigen Schutzmaßnahmen in der Pandemie umgesetzt hätte.
Die führende Rolle der Arbeiterklasse ist nun besonders herausgefordert:
- Im Kampf gegen Privatisierung, im Gesundheitssystem, bei Renten, Bildung und in der Landwirtschaft (wo die Arbeiterklasse objektiv ebenfalls stark ist).
- Bei der „Transformationen“ der Autoindustrie, des Energiesektors und der Logistik (Häfen).
- Bei der internationalen Solidarität oder bei Fragen der Stellung der Frau, der Jugend und Minderheiten.
- Im Friedenskampf, genauso wie im antifaschistischen Kampf und zur Befreiung der Frau.
Sie ist ebenso herausgefordert gegen Postmodernismus, Neofaschismus, Antikommunismus und Opportunismus aller Art. Im weltanschaulichen Kampf wird das Krisenprogramm des weltweiten Finanzkapitals im Land als „Deindustrialisierung“ bezeichnet. Brasilien wird als „Halbkolonie“ oder „später Kapitalismus“ bezeichnet. Eingeredet wird der Arbeiterklasse, sie würde immer weniger. Damit geht die Lüge einher, dass sie darum auch weniger wichtig sei. Das Gegenteil ist der Fall: Zwei Drittel der Werktätigen gehören zur Arbeiterklasse im weiteren Sinne.
Die Zentralbank Brasiliens erklärte, dass der Gewinn der Großbanken 2021 einen Rekord von 132 Milliarden Brasilianische Real (RS) (ca. 25 Milliarden US-Dollar) erreichte; ca. 50 Prozent mehr als 2020. Landwirtschaft und Bergbau fuhren Rekordgewinne ein (zum Beispiel +40 Prozent bei der Sojaernte). Trotz Corona konnten sich Übermonopole aus Brasilien (ca. 25 laut Forbes 2000) stabilisieren. Trotz Werksschließungen oder -verkäufen, zum Beispiel in der Autoindustrie (das Mercedes-Werk Iracemápolis ging an den chinesischen Konzern „Great Wall“), werden die Stammbelegschaften angegriffen, Löhne werden gesenkt, Auslagerungen werden gemacht (siehe reaktionäre „Arbeitsgesetze“ von Wirtschaftsminister Guedes) und auf Elektro / Ethanol umstrukturiert.
Der Übergang zur gesamtgesellschaftlichen Krise geht mit der weiteren materiellen Vorbereitung des Sozialismus einher. Und er geht mit der Suche der Massen nach gesellschaftlichen Perspektiven einher. Die Wahlen sollen die parlamentarische Denkweise verbreiten, die Arbeiterkämpfe spalten und die Volksbewegung desorientiert. Die acht Gewerkschaftszentralen führen die Spaltung als Richtungsgewerkschaften „ihrer“ Parteien fort. Gegen die Zerschlagung der „Sozialversicherung“ oder der „Sindical-Steuer“ (materielle Basis der Gewerkschaften), wurde kein Generalstreik organisiert – auch nicht bei den breiten „Privatisierungen“. Diese begannen übrigens bereits unter den PT-Regierungen.
Der offene Klassenverrat der rechten Gewerkschaftsführer führte dazu, dass nur noch 12 Prozent (2021) der Werktätigen organisiert sind. Darum sind die selbständigen Streiks der letzten 18 Monate im Industrieproletariat so wichtig. Wie bei Renault, CSN, Petrobras, GM, Ford, bei Metro-Firmen in Sao Paulo und dem Gesundheitssystem (für den Mindestlohn).
Fazit:
Am 2. Oktober war es knapp: Lula mit 48 Prozent. Bolsonaro mit 43 Prozent. Bolsonaro war stärker als erwartet. Das lag mit daran, dass Lula nichts zur Korruption in seiner Amtszeit sagte. Das nutzte Bolsonaro für seine antikommunistischen Angriffe. Denn die Massenproteste 2013 und deren gesellschaftliche Ursachen ignorieren Lula und PT bis heute. So verfängt die Demagogie Bolsonaros („Lula will ein zweites Venezuela“).
Man muss bis zum zweiten Wahlgang damit rechnen, dass der Bolsonaro-Clan, Reaktionäre, Faschisten und Ultrareligiöse alles versuchen werden, die Wahl zu drehen! Mit Demagogie à la Trump, Fake-News, Gewalt, Stimmenkauf und Hetze gegen den „Kommunisten“ Lula. Das kann bis hin zu einem Putsch-Versuch gehen; was durchaus eine reale Gefahr ist. Bolsonaro hat Unterstützer in Militär und Polizei!
Aber: Wahlen ändern nichts grundsätzlich im Kapitalismus. Dies ist bloß der absoluten Mehrheit in Brasilien nicht klar. Der Verarbeitungsprozess der Arbeiterklasse und der Volksmassen geht weiter!